Im Schatten des Ukrainekriegs wählt Russlands Nachbar Finnland einen neuen Präsidenten

Wahlplakate vor dem Amtssitz des finnischen Präsidenten in Helsinki, 27. Januar 2024
Wahlplakate vor dem Amtssitz des finnischen Präsidenten in Helsinki, 27. Januar 2024 Copyright AP Photo
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Von Christoph DebetsJARI TANNER (AP) mit AP
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Die Finnen wählen am Sonntag zu einem beispiellosen Zeitpunkt einen neuen Staatspräsidenten: Das skandinavische Land ist nach der russischen Invasion in der Ukraine nun NATO-Mitglied und seine Ostgrenze zu Russland ist geschlossen. Das war vor einigen Jahren fast undenkbar.

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Rund 4,5 Millionen Finnen sind heute aufgerufen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen.

Für die Nachfolge des äußerst beliebten Amtsinhabers Sauli Niinistö bewerben sich sechs Männern und drei Frauen. Niinistös zweite sechsjährige Amtszeit endet im März. Er kann nicht mehr gewählt werden.

Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass es im Februar zu einer Stichwahl zwischen dem ehemaligen Ministerpräsidenten Alexander Stubb (55) und dem ehemaligen Außenminister Pekka Haavisto (65) kommen wird, da keiner der neun Kandidaten mehr als 50 % der Stimmen erhalten dürfte.

Stubb, der von 2014 bis 2015 die finnische Regierung leitete, und Haavisto, der zum dritten Mal für das Amt kandidiert, kommen in den Umfragen auf jeweils 23 bis 27 Prozent der Stimmen. An dritter Stelle dürfte Parlamentspräsident Jussi Halla-aho mit rund 18 % über die Ziellinie gehen. Hinter dem Rechtspopulisten liegt der Gouverneur der Bank von Finnland, Olli Rehn, mit einem Stimmenanteil von etwa 14 %.

Anders als in den meisten europäischen Ländern verfügt der finnische Präsident über die Exekutivgewalt bei der Formulierung der Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere im Umgang mit Ländern außerhalb der Europäischen Union wie den Vereinigten Staaten, Russland und China.

„Die Hauptaufgabe des Präsidenten besteht eindeutig darin, die Außenpolitik zu steuern“, sagt Teivo Teivainen, Professor für Weltpolitik an der Universität Helsinki.

Warum Außen- und Sicherheitspolitik in dem nordeuropäischen Land mit 5,6 Millionen Einwohnern wichtige politische Themen sind, zeigt ein kurzer Blick auf die Karte: Finnland hat eine 1.340 Kilometer lange Grenze mit Russland.

Die Kandidatendebatten im Fernsehen und in den Medien konzentrierten sich weitgehend auf Finnlands neue Rolle als Mitglied der NATO sowie auf die Situation im benachbarten Russland und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit Finnlands. Der Krieg in der Ukraine – wo Finnland zu den wichtigsten europäischen Gebern militärischer und humanitärer Hilfe für Kiew gehört – und Israels Krieg mit der Hamas im Nahen Osten haben sich ebenfalls als Schlüsselthemen im Rennen herausgestellt.

Professor Teivainen sagt, der allgemeine Einfluss des Staatsoberhauptes in Finnland sei aufgrund seiner NATO-Mitgliedschaft und der wachsenden Bedeutung von Sicherheitsfragen in den letzten Jahren gestärkt worden, nicht zuletzt aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine, die die Finnen tief getroffen habe.

Helsinki gab die jahrzehntelange militärische Blockfreiheit auf, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs pragmatische und freundschaftliche Beziehungen zu Moskau garantierte, und entschied sich im Mai 2022 gemeinsam mit dem nordischen Nachbarn Schweden für den Beitritt zur NATO. Die Entscheidung der Regierung, die von Niinistö unterstützt und von der Bürgerschaft nachdrücklich gebilligt wurde, war eine direkte Folge des Angriffs Moskaus auf die Ukraine am 24. Februar 2022

Die NATO-Mitgliedschaft und ein Krieg, der nur 1.000 Kilometer von der finnischen Grenze entfernt tobe, betonten "die sicherheitspolitische Dimension“ in den Pflichten des Präsidenten, der auch als Oberbefehlshaber des finnischen Militärs fungiert, sagt Teivainen. Die Kriegsgefahr sei jetzt eine viel konkretere Sache.

Seit dem Amtsantritt von Niinistö im Jahre 2012 ist es zur ständigen Praxis geworden, dass sich der Ministerpräsident, derzeit Petteri Orpo, in der Außenpolitik auf EU-Fragen konzentriert, während der Staatspräsident sich mit anderen Ländern befasst und sich weitgehend aus der Innenpolitik heraushält Politik.

Niinistö wurde von den Finnen dafür gelobt, dass er enge Beziehungen pflegt und den Dialog mit seinen Amtskollegen in Moskau, Washington und Peking sucht, um der nordischen Nation dabei zu helfen, über sich hinauszuwachsen und die Aufmerksamkeit auf ihre Positionen zu lenken.

„Für uns ist es äußerst wichtig, die Verbindung nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern auch mit China und, sobald es realistisch ist, mit Russland aufrechtzuerhalten“, sagte Niinistö Anfang des Monats gegenüber dem finnischen öffentlich-rechtlichen Sender YLE.

Ende letzten Jahres schloss Finnland seine Grenze zu Russland, nachdem nur wenige Monate nach dem NATO-Beitritt Finnlands etwa 1.300 Migranten ohne ordnungsgemäße Dokumente oder Visa über die Grenze kamen.

Mit einer solchen „hybriden Kriegsführung“, vermutet man in Helsinki, versuche der Kreml, die Sicherheit des nordischen Landes zu untergraben Moskau bestreitet dies.

Seit dem 15. Dezember sind alle acht finnisch-russischen Grenzübergangsstellen für Personen geschlossen. Lediglich der Grenzübergang für Güterzüge im südostfinnischen Vainikkala bleibt vorerst geöffnet.

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