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Protestaktion gegen Untätigkeit der EU gegenüber Israel: Ärzte berichten aus Gaza

Straßeninstallation zur Geschichte der Kinder von Gaza, die die EU-Staats- und Regierungschefs zum Handeln auffordert, Brüssel, Belgien, 25.06.2025.
Straßeninstallation zur Geschichte der Kinder von Gaza, die die EU-Staats- und Regierungschefs zum Handeln auffordert, Brüssel, Belgien, 25.06.2025. Copyright  Harry Nakos, AP Photo
Copyright Harry Nakos, AP Photo
Von Evelyn Ann-Marie Dom
Zuerst veröffentlicht am
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Die Nichtregierungsorganisation Avaaz organisierte in Brüssel eine Straßeninstallation über das Leiden der Kinder in Gaza und forderte die Staats- und Regierungschefs der EU auf, nicht wegzusehen.

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Hunderte Kinderaugen blicken von Plakaten herab, Namen kleben auf dem Platz in Brüssel: Mit einer Protestaktion will die gemeinnützige Organisation Avaaz die Politiker mit der humanitären Katastrophe in Gaza direkt konfrontieren. Und sie so zu entschlossenerem Handeln gegen Israels Kriegsführung auffordern.

Erst diese Woche konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EU nicht auf eine einheitliche Antwort auf Israel einigen. Das Assoziierungsabkommen bleibt weiter unverändert.

Die Untätigkeit der Europäischen Union in Bezug auf Israels Vorgehen im Gazastreifen und in den besetzten palästinensischen Gebieten könnte zu einer vollständigen Erosion der internationalen Ordnung führen und einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, warnte Nick Flynn, Rechtsexperte bei Avaaz.

"Wir sehen, wie die internationale, auf Regeln basierende Ordnung, für deren Aufrechterhaltung und Förderung die EU gegründet wurde, zerfällt", sagte Flynn, Leiter der Rechtsabteilung der globalen Kampagnenorganisation Avaaz, gegenüber Euronews. Er fügte hinzu, dass die Untätigkeit auf einen Mangel an Führung hindeuten könnte, den andere zur Kenntnis nehmen und ausnutzen würden.

Die EU wird sich nicht einig, wie sie mit Israel umgehen will

Die EU ist derzeit Israels größter Handelspartner mit einem jährlichen Handelsvolumen von über 45 Milliarden Euro. Erst diese Woche konnte auf dem EU-Gipfel in Brüssel keine gemeinsame Antwort auf Israels Kriegsführung und damit verbundene Konsequenzen gefunden werden.

Vergangene Woche stellte der diplomatische Dienst der EU fest, dass Israel im Gazastreifen gegen seine Menschenrechtsverpflichtungen verstoßen hat. Als Gründe werden die Blockade humanitärer Hilfe, Militärschläge gegen Krankenhäuser, die Zwangsvertreibung von Palästinensern, Massenverhaftungen und willkürliche Inhaftierungen genannt. In dem Dokument werden auch die Ausweitung illegaler Siedlungen in den besetzten Gebieten und die von Siedlern ausgeübte Gewalt angeführt.

Das israelische Außenministerium kritisierte den Bericht und wies ihn zurück.

In Artikel 2 des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel, das die Handels- und diplomatischen Beziehungen regelt, heißt es, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien "auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie beruhen, von denen sie sich in ihrer Innen- und Außenpolitik leiten lassen".

Nach ihrem Ratsgipfel am Donnerstag konnten sich die europäischen Länder jedoch nur darauf einigen, "die Diskussionen über ein Folgeabkommen fortzusetzen".

"Israel respektiert die Menschenrechte zur Zeit ganz offensichtlich nicht, und die EU sollte jetzt handeln", forderte der Avaaz-Rechtsexperte Flynn im Gespräch mit Euronews. "Sie hat die Möglichkeit, sinnvolle Sanktionen gegen Israel zu verhängen, zum Beispiel die Aussetzung des präferenziellen Handelsstatus im Rahmen des Assoziierungsabkommens."

"Wir sind hier, um die Stimmen der Kinder von Gaza in die EU zu tragen"

Hier in Brüssel auf dem Platz will Avaaz jetzt die Krise in Gaza zeigen und die Politiker mit der Installation "Look Them in the Eyes" (Schau ihnen in die Augen) an das Leiden der Kinder im Gazastreifen erinnern. Riesige Porträts zeigen Hunderte palästinensische Kinder, die Namen wurden auf Plakate geschrieben und auf den Platz gelegt, gemeinsam mit Blumen, Plüschtieren und anderem Spielzeug.

Dutzende Menschen, darunter Familien und Kinder, versammelten sich, um der Kinder in Gaza zu gedenken.

"Wir sind hier, um die Stimmen der Kinder von Gaza in die EU zu tragen", sagte Avaaz-Rechtsexperte Flynn.

Straßenaktion “Look Them in the Eyes” von Avaaz, Brüssel, Belgien 25. Juni 2025.
Straßenaktion “Look Them in the Eyes” von Avaaz, Brüssel, Belgien 25. Juni 2025. Evelyn Dom, Euronews

Bei der Aktion waren auch mehrere freiwillige Ärzte anwesend, die vor kurzem aus dem Gazastreifen zurückgekehrt waren. Einer von ihnen ist Dr. Graeme Groom, ein britisch-irischer Traumatologe und Orthopäde. Dr. Groom operierte kürzlich den 11-jährigen Adam, den einzigen überlebenden Sohn der palästinensischen Ärztin Alaa al-Najjar, deren neun Kinder und Ehemann im Mai bei einem israelischen Luftangriff getötet wurden.

Dr. Groom, Orthopäde am King's College Hospital in London und Ko-Vorsitzender der IDEALS Charity, sagte, ein Drittel der Patienten, die in seinen Operationssaal kämen, seien Kinder und "alle hätten verstümmelte Körper und verstümmelte Gliedmaßen".

Eine Drohnenaufnahme der von Avaaz organisierten Straßeninstallation "Look Them in the Eyes" zu Ehren der Kinder von Gaza. Brüssel, Belgien, 25.06.2025.
Eine Drohnenaufnahme der von Avaaz organisierten Straßeninstallation "Look Them in the Eyes" zu Ehren der Kinder von Gaza. Brüssel, Belgien, 25.06.2025. Mister Drone

Tausende Kinder haben infolge der israelischen Bombardierung Gliedmaßen verloren. Im März sprach die UN-Hilfsorganisation OCHA von der "größtenAnzahl von Kinderamputierten in der modernen Geschichte".

Berichte aus Gaza: "Es gibt keine Säuglingsnahrung mehr"

Eine weitere große Gefahr für die Kinder im Gazastreifen ist die Zunahme der akuten Unterernährung, warnte Dr. Groom.

"Wir haben heute Morgen (Mittwoch) gehört, dass es keine Säuglingsnahrung mehr gibt. Wenn sie nicht dringend geliefert wird, wird die Sterblichkeitsrate unter Neugeborenen astronomisch hoch sein", sagte er Euronews.

Dr. Groom stellte fest, dass der Zugang zu medizinischer Ausrüstung und finanziellen Mitteln zunehmend eingeschränkt wurde, wobei sich die Situation nach der Schließung des Grenzübergangs Rafah mit Ägypten im Mai 2024 und seit Beginn der israelischen Blockade für humanitäre Hilfe am 2. März erheblich verschlechtert hat.

Der britisch-irische Chirurg berichtete, dass 47 Prozent der lebenswichtigen Medikamente und 65 Prozent der Verbrauchsgüter nicht mehr vorrätig sind.

"Unser Bargeld wurde von 2.800 Dollar (2.388 Euro) auf etwa 300 Dollar (256 Euro) gekürzt. Uns wurde ein Koffer zugestanden, der alle Lebensmittel für 28 Tage, unsere persönlichen Gegenstände, Wasser für vier Tage und keine Ausrüstung enthalten sollte. Man drohte uns mit dem Ausschluss, wenn wir irgendeine Ausrüstung mitbrachten, eine Schere, eine Nadel", sagte er.

Namensschilder bei der von Avaaz organisierten Straßeninstallation "Look Them in the Eyes" zu Ehren der Kinder von Gaza. Brüssel, Belgien, 25.06.2025.
Namensschilder bei der von Avaaz organisierten Straßeninstallation "Look Them in the Eyes" zu Ehren der Kinder von Gaza. Brüssel, Belgien, 25.06.2025. Evelyn Dom, Euronews.

Was die Ausrüstung betrifft, so sagte Dr. Groom gegenüber Euronews aus, dass die israelischen Streitkräfte bei der Übernahme von Krankenhäusern absichtlich wichtige Geräte zerstörten: "Im Al-Amal-Krankenhaus haben sie in der radiologischen Abteilung alle Kabel aller Ultraschallgeräte durchgeschnitten, die für schwangere Frauen und verletzte Patienten verwendet werden."

Neben dem gravierenden Mangel an Hilfsgütern und medizinischer Ausrüstung herrscht in Gaza auch ein kritischer Mangel an Ärzten und medizinischem Personal. Der Arzt sagte, dass er und seine Kollegen seit mehr als drei aufeinander folgenden Wochen jeden Tag Patienten behandeln, während unter normalen Bedingungen nur zwei oder drei Tage pro Woche zur Verfügung stehen.

Immer öfter werde freiwilligen Helfern die Einreise verweigert

Trotz der dringenden Notwendigkeit stellte Dr. Groom eine Zunahme der Einreiseverweigerungen durch Israel fest. Er sagte, dass ihm sowohl im Februar als auch im März die Einreise verweigert wurde, ohne jegliche Erklärung.

"Von fast 40 angemeldeten Personen wurde nur 19 der Zutritt gewährt. Und unter diesen 19 befand sich nur ein Arzt", sagte er Euronews.

Vergangenen Monat erklärte UNICEF, dass seit Oktober 2023 mehr als 50.000 Kinder im Gazastreifen getötet oder verletzt worden seien.

"Die Kinder in Gaza brauchen Schutz. Sie brauchen Nahrung, Wasser und Medizin. Sie brauchen einen Waffenstillstand. Vor allem aber brauchen sie sofortige, kollektive Maßnahmen, um den Krieg ein für alle Mal zu beenden", heißt es in der Erklärung des UN-Kinderhilfswerks.

Obwohl die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag beschlossen haben, dass sie sich nur darauf einigen können, die Diskussionen "über die Partnerschaft zwischen der EU und Israel fortzusetzen", sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas Anfang der Woche gegenüber Euronews, dass man sich einig sei, "Druck auf Israel auszuüben", um die Situation vor Ort zu verbessern und sicherzustellen, dass die notwendige humanitäre Hilfe die Menschen in Gaza erreicht.

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