Michael O´Flaherty, Menschenrechtskommissar des Europarates, hat in einem Brief an Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) seine Sorge über den Umgang Deutschlands mit Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht.
Eher unangenehme Post aus Straßburg für Innenminister Alexander Dobrindt (CSU): Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Michael O´Flaherty, übt in einem Brief an den Minister Kritik am Umgang Deutschlands mit Demonstrationen und Kritik rund um Israels Vorgehen in Gaza.
Bereits am 6. Juni meldete sich O´Flaherty bei Dobrindt: "Ich schreibe aufgrund der im Kontext des Gaza-Konflikts durch deutsche Behörden getroffenen Maßnahmen, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken", so der Menschenrechtskommissar.
Im Fokus steht dabei der Umgang mit pro-palästinensischen Demonstrationen.
"Seit Februar 2025 haben die Berliner Behörden Beschränkungen für den Gebrauch der arabischen Sprache und kultureller Symbole bei Protesten verhängt. In einigen Fällen, wie zum Beispiel am 15. Mai 2025, wurden Demonstrationen auf statische Versammlungen beschränkt. Darüber hinaus wurden die Demonstranten Berichten zufolge sowohl online als auch persönlich überwacht und willkürlichen Polizeikontrollen unterzogen", erklärte O'Flaherty.
Der Kommissar äußerte sich auch besorgt über Berichte über unverhältnismäßige Polizeigewalt während dieser Veranstaltungen.
"Bei der Anwendung von Gewalt durch die Strafverfolgungsbehörden müssen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Rechtmäßigkeit, der Notwendigkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Vorsorge beachtet werden", sagte er.
Deutschland zwischen Kritik und Unterstützung
O'Flaherty forderte die deutschen Behörden auf, Vorfälle von übermäßiger Gewaltanwendung gründlich zu untersuchen und Beamte zur Rechenschaft zu ziehen, wenn ein Fehlverhalten festgestellt wird. Er wies darauf hin, dass Versuche der Polizei, Gedenkfeiern zum Nakba-Tag zu unterdrücken, der an die Vertreibung der Palästinenser im Jahr 1948 erinnert, besonders besorgniserregend seien.
Der irische Menschenrechtsanwalt wies ferner darauf hin, dass die Redefreiheit an einigen deutschen Universitäten und Kultureinrichtungen seiner Einschätzung nach zunehmend eingeschränkt zu werden scheint.
Er verwies auf Berichte über ausländische Staatsangehörige, denen aufgrund ihrer Beteiligung an Pro-Gaza-Protesten die Abschiebung droht.
"Ich bin besorgt über Anzeichen, dass die Arbeitsdefinition von Antisemitismus, die von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen wurde, von einigen deutschen Behörden in einer Weise interpretiert wird, die jedwede Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichsetzt", schrieb O'Flaherty.
Seit Beginn des Gaza-Konflikts sind die Spannungen hoch, es kommt immer wieder zu Zusammenstößen bei pro-palästinensischen Kundgebungen. Deutschland gilt als einer der wichtigsten außenpolitischen Partner Israels und hat dem Land im Krieg gegen die Hamas in Gaza immer wieder seine Unterstützung zugesagt.
Gleichzeitig mehrte sich in den vergangenen Monaten die Kritik am israelischen Vorgehen im Gebiet und der damit verbundenen katastrophalen humanitären Lage. Auch in der Bevölkerung nimmt die Ablehnung gegenüber der Strategie Israels laut einer aktuellen Allensbach-Umfrage zu.
Demnach hält eine klare Mehrheit von 65 Prozent der Deutschen die israelische Reaktion auf das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 nicht für angemessen.