Im Vorfeld seiner Israel-Reise sprach Merz mit Mahmoud Abbas über den US-Friedensplan und fordert Reformen in der palästinensischen Führung. Ziel bleibe eine verhandelte Lösung für mehr Sicherheit in der Region.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat am Samstag mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, telefoniert. Wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte, verlief das Gespräch in freundlicher Atmosphäre.
Merz bekräftigte demnach die deutsche Unterstützung für den Friedensplan von US-Präsident Trump und würdigte die kooperative Haltung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Zugleich drängte er auf dringend notwendige Reformen, um der Behörde eine konstruktive Rolle in einer möglichen Nachkriegsordnung zu ermöglichen. Ziel bleibe eine verhandelte Zweistaatenlösung, die langfristig Sicherheit für Israelis und Palästinenser schaffen könne.
Verspäteter Antrittsbesuch
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beginnt an diesem Wochenende seine Antrittsreisen nach Israel und Jordanien. Erste Station ist die jordanische Hauptstadt Amman, wo er König Abdullah II. trifft. Am Abend wird Merz in Jerusalem vom israelischen Präsidenten Izchak Herzog empfangen, gefolgt von Gesprächen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag. Geplant sind zudem Treffen mit zivilgesellschaftlichen Vertretern sowie ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem – ein fester Bestandteil deutscher Antrittsbesuche in Israel. Merz will außerdem freigelassene Geiseln der Hamas sowie Angehörige der Getöteten treffen.
Der Besuch in Israel fällt vergleichsweise spät aus. Während Angela Merkel und Olaf Scholz bereits wenige Monate nach Amtsantritt reisten, kommt Merz erst nach rund sieben MonatenHintergrund ist der Gaza-Krieg, der durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde, bei dem nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet und Hunderte als Geiseln verschleppt wurden.
Die darauffolgende israelische Militäroffensive im Gazastreifen forderte nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde rund 70.000 Opfer - eine neue Schätzung des Max-Planck-Instituts zählt derweil sogar bis zu 126.000 Tote in Gaza. Die anhaltenden Kämpfe und die angespannte Sicherheitslage hatten diplomatische Reisen in die Region lange Zeit faktisch ausgeschlossen.
Seit dem 10. Oktober gilt jedoch offiziell eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. in dieser Phase hatten bereits Bildungsministerin Karin Prien und Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) Israel besucht.
Israel und die Hamas werfen sich derzeit jedoch gegenseitig vor, die Waffenruhe im Gazastreifen zu verletzen.
Nach Darstellung der Hamas hat die israelische Armee die sogenannte "gelbe Linie", hinter die sich die Truppen im Rahmen der Vereinbarung zurückziehen sollten, weiter nach Westen verlegt. Ende November kamen zudem nach Angaben örtlicher Krankenhäuser bei erneuten israelischen Angriffen mehr als 20 Menschen ums Leben, mehr als 50 weitere wurden verletzt.
US-Friedensplan im Zentrum
Im Mittelpunkt der Gespräche dürfte die Stabilisierung dieser nun seit fast zwei Monaten bestehenden Waffenruhe im Gazastreifen stehen sowie die Bemühungen, in eine zweite Phase des Friedensprozesses einzutreten. Diese sieht unter anderem die Entwaffnung der Hamas und eine internationale Friedenstruppe vor. Ob und in welchem Umfang Deutschland sich daran beteiligen könnte, lässt die Bundesregierung bislang offen.
Auch rüstungspolitische Fragen dürften eine Rolle spielen. Vor zwei Wochen wurde das zeitweise verhängte Teil-Embargo für Rüstungsexporte nach Israel aufgehoben, das die bilateralen Beziehungen deutlich belastet hatte. Israel hofft nun wieder auf genehmigte Lieferungen aus Deutschland - darunter Getriebe für Merkava-Panzer.
Streit um Hilfszahlungen an die Palästinenserbehörde
Neben möglichen Unterstützungszusagen für Israel wird auf der Reise auch die finanzielle Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) eine zentrale Rolle spielen. Deutschland und die EU helfen der PA seit Jahren dabei, grundlegende staatliche Strukturen in Verwaltung, Bildung und Gesundheit zu sichern - ein wichtiger Bestandteil der internationalen Bemühungen um Stabilisierung und politische Perspektiven.
Diese Hilfen stehen nun verstärkt unter Druck, weil weiterhin Zweifel bestehen, ob die PA ihre umstrittenen Unterstützungsprogramme für Gefangene und Familien getöteter Attentäter, die sogenannten "Märtyrer-Zahlungen", tatsächlich beendet hat.
Israel und EU-Experten gehen davon aus, dass diese Zahlungen fortgeführt werden. Israel spricht von dreistelligen Millionensummen und hat der EU entsprechende Erkenntnisse vorgelegt.
Brisant ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die EU 1,6 Milliarden Euro für den Wiederaufbau Gazas zugesagt hat und Deutschland zusätzlich 30 Millionen Euro plant. Beide Seiten betonen jedoch, dass ihre Hilfen strengen Kontrollen unterliegen und nicht in diese Programme fließen dürfen.
Die EU bestätigte zuletzt dennoch eine Zahlung nach dem alten System - genau jene Form der Unterstützung, die die PA eigentlich eingestellt haben wollte. Israelische Dienste gehen zudem von weiteren Kanälen aus, über die Gelder fließen könnten. Die PA bestreitet dies offiziell, verweist aber zugleich auf ihre politische Verpflichtung gegenüber Familien von Gefangenen und Getöteten.
Nun drängt die EU auf umfassende Aufklärung und bindet zusätzliche Hilfen an Reformen des palästinensischen Sozialsystems. Deutschland will reguläre Zahlungen erst dann wieder aufnehmen, wenn alle offenen Fragen geklärt sind.
Merz vor Balanceakt
Für Merz wird der Besuch damit zu einem diplomatischen Balanceakt: In Jerusalem dürfte auch die deutsche Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde zur Sprache kommen - ebenso wie die Vorwürfe, ein Teil der Hilfsgelder könne in umstrittene Programme geflossen sein.
Zugleich bleibt offen, wie die Bundesregierung mit dem internationalen Haftbefehl gegen Ministerpräsident Netanjahu umgehen will. Merz hatte nach Amtsantritt signalisiert, einem Besuch Netanjahus in Deutschland grundsätzlich offen gegenüberzustehen, die praktische Umsetzung dieser Haltung ist jedoch weiterhin ungeklärt.