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Wehrdienst 2.0: Ab Januar 2026 erfasst Deutschland seine Jugend digital

Rekruten der Bundeswehr am 4. September 2025 an einer Vereidigungszeremonie vor dem Landtag von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf
Rekruten der Bundeswehr am 4. September 2025 an einer Vereidigungszeremonie vor dem Landtag von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf Copyright  Martin Meissner/Copyright 2025 The AP. All rights reserved.
Copyright Martin Meissner/Copyright 2025 The AP. All rights reserved.
Von Johanna Urbancik
Zuerst veröffentlicht am
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Im Januar wird der Jahrgang 2008 einen digitalen Fragebogen der Bundeswehr erhalten. Die Bundeswehr soll mithilfe des neuen Wehrdienst-Modells wachsen.

Der Bundesrat hat heute dem Gesetz zur Einführung des neuen modernen Wehrdienstes zugestimmt. Ab Januar erhalten alle Männer und Frauen des Jahrgangs 2008 und jünger im Alter von 18 Jahren einen digitalen Fragebogen.

Darin geht es unter anderem um die grundsätzliche Bereitschaft zum Dienst und den Gesundheitszustand. Für Männer ist eine Antwort verpflichtend, für Frauen freiwillig.

Die Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt und ist bis heute in Artikel 12a des Grundgesetzes verankert. Um eine Änderung des Modelles vorzunehmen, wie beispielsweise einen Wehrdienst für Männer und Frauen, würde die Regierung eine zweidrittel Mehrheit. Mit der aktuellen Aufstellung des Bundestags würde diese Mehrheit nicht Zustandekommen, da sowohl die Linke und die AfD das Wehrdienstmodell ablehnen.

Ab dem 1. Juli 2027 sollen dann alle Männer eines Jahrgangs zur Musterung einbestellt werden. Bis dahin ist eine schrittweise Umsetzung vorgesehen, da bislang die Kapazitäten fehlen, um jährlich rund 300.000 18-jährige Männer vollständig zu erfassen.

Mit dem Wehrdienst soll die Bundeswehr bis 2035 deutlich vergrößert werden: von derzeit rund 183.000 auf 255.000 bis 270.000 aktive Soldatinnen und Soldaten. Zusätzlich sollen etwa 200.000 Reservisten aufgebaut werden.

Was sagen junge Menschen?

Laut einer YouGov-Umfrage vom Sommer steigt die Ablehnung gegen einen verpflichtenden Wehrdienst bei jüngeren Befragten. Die Zustimmung hingegen wächst im Alter. Dennoch unterstützt eine knappe Mehrheit der Befragten (59 Prozent) die Wehrdienst-Reform mit verpflichtendem Dienst – besonders Union-Wähler mit 80 Prozent.

Wähler der Linken- und Grünen lehnen einen Pflichtdienst überwiegend ab. Lediglich 28 Prozent der Befragten wären im Ernstfall selbst bereit, in der Bundeswehr zu dienen.

Anfang Dezember wurde deswegen zu einem Deutschlandweiten Schulstreik gegen die Wehrpflicht aufgerufen. Bei der Demo in Berlin erklärt ein 23-jähriger Berufsschüler, er habe "keinen Bock im Krieg zu sterben, für irgendwelche Profitinteressen oder den deutschen Staat". Er möchte seine Zukunft selber bestimmen, weswegen er gegen eine Wehrpflicht demonstriert.

Die Bundeswehr ist als Verteidigungs- und Parlamentsarmee auf die Landesverteidigung ausgerichtet und zugleich fest der Kontrolle des Bundestages unterstellt, der über Einsätze, Haushalt und mithilfe des Wehrbeauftragten die demokratische Aufsicht über die Streitkräfte ausübt.

Schulstreik gegen die Wehrpflicht am 5. Dezember 2025 in Berlin
Schulstreik gegen die Wehrpflicht am 5. Dezember 2025 in Berlin Johanna Urbancik / Euronews

Auch dass der Wehrdienst freiwillig bleibt, glaubt er nicht. "Man kann verweigern, bis sie Leute brauchen und Leute einziehen", erklärt der 23-jährige und verweist auf aktuelle Kriege, in denen man ihm zufolge sehen würde, "dass die Leute teilweise auch von der Straße eingesammelt werden."

In Deutschland hat man das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, das kein Gnadenrecht, sondern ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht ist. Wer sich auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung beruft, muss einen schriftlichen Antrag stellen und seine persönliche Gewissensentscheidung ausführlich begründen.

Wird der Antrag anerkannt, ist der Betroffene vom Wehrdienst befreit und muss im Spannungs- oder Verteidigungsfall stattdessen einen zivilen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr leisten. Während des laufenden Verfahrens darf eine Einberufung zum Wehrdienst grundsätzlich nicht erfolgen, erst nach einer endgültigen Ablehnung wäre sie wieder möglich.

"Es ist verständlich, dass Menschen, die nur ein friedliches Leben kennen, nicht zum Dienen bereit sind"

In der Ukraine wurde die Wehrpflicht sowie eine teilweise Mobilisierung aufgrund des Krieges im Donbas 2014 wiedereingeführt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj plante vor der großangelegten russischen Invasion eine Reform des Militärsystems, die die Wehrpflicht in der Ukraine bis zum 1. Januar 2024 abschaffen sollte. Aufgrund des russischen Angriffskrieges ist das jedoch bis heute nicht zustande gekommen.

Im Gegenteil: die Rekrutierung ist seit 2022 ein wichtiger Bestandteil der ukrainischen Selbstverteidigung. Bis vor wenigen Monaten durften Männer ab dem 18. Lebensjahr das Land ohne Genehmigung nicht mehr verlassen. Eingezogen werden sie vorerst ab dem 25. Lebensjahr.

Rekruten der 3. ukrainischen Sturmbrigade am 16. Juli 2025 vor dem Training auf dem Polygon in der Region Kyjiw, Ukraine
Rekruten der 3. ukrainischen Sturmbrigade am 16. Juli 2025 vor dem Training auf dem Polygon in der Region Kyjiw, Ukraine Evgeniy Maloletka/Copyright 2025 The AP. All rights reserved

Ein ukrainischer Soldat namens Andrii erklärt im Gespräch mit Euronews, dass es für ihn jedoch verständlich ist, dass Menschen, die "nur ein friedliches Leben kennen, nicht zum Dienen bereit sind" und stimmt zu, dass es eine Einschränkung persönlicher Freiheit und Zeit ist. "Die Menschen im Westen führen allerdings keinen Krieg mit einem starken Gegner", merkt er an.

Als Kind wollte Andrii Astronaut werden. Am Ende entschied er sich jedoch für eine Karriere in den Unternehmensbereichen ukrainischer Tochtergeselschaften von europäischen Banken bevor er eine Kaffeeröstung- und vertrieb gegründet hatte.

Als Russland seine großangelegte Invasion im Februar 2022 startete und Andrii bemerkte, dass das ganze Land unter Beschuss stand, entschied er sich, den ukrainischen Streitkräften beizutreten. "Ich verlor aufgrund militärischer russischer Aggression zwei Freunde", erzählt er, "einen in Cherson, einen in Kyjiw."

Dieser Verlust motiviert Andrii, sein Land zu verteidigen.

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