Immer mehr junge Frauen werden Soldatin, auch ohne Wehrpflicht. Gute Bezahlung, klare Strukturen und neue Chancen machen die Bundeswehr auch für die 22-jährige Katharina attraktiv – trotz Herausforderungen wie Frauenquote, Ausbildung und harten Anforderungen.
Katharina Bayer will zur Bundeswehr. Im Tarnanzug mit Kameraden marschieren, Schießen lernen, unter freiem Himmel schlafen – die 22-Jährige aus der Nähe von Bamberg sieht darin genau das Richtige für sich.
„Ich war an einem Knackpunkt: Bei meinem Sport, Karate, stockte es, das Abitur gefiel mir nicht und mein Job auch nicht. Da dachte ich, die Bundeswehr könnte mir Struktur und neue Optionen geben", erklärt sie.
Insbesondere die Gebirgsjäger haben es Katharina angetan. Deren Aufgabe ist die Sicherung anspruchsvollen Geländes, wie etwa in den Bergen, und sie sind für den Kampf unter extremen Bedingungen ausgebildet, wie extremer Witterung oder arktischem Gelände. Auf ihrer Website wirbt die Bundeswehr mit markanten Fotos von Soldaten, die mit angeschnallten Ski, mit Stöcken und Gewehr in der Hand durch den Schnee ziehen.
Es wäre ein Job, bei dem Katharina ihre große Leidenschaft Karate zugutekommen würde. Denn Nahkampf ist bei der Bundeswehr seit einigen Jahren fester Bestandteil der Ausbildung. Die Möglichkeit die Karriere ein Jahr lang im Freiwilligen Wehrdienst zu testen ist ein weiterer Pluspunkt.
Lockmittel Gehalt und Werbung
Der Gedanke, Soldatin zu werden, kam Katharina, als sie Werbeplakate der Bundeswehr sah. Seit Längerem wirbt sie mit großen Kampagnen in sozialen Medien, auf Podcast-Plattformen, auf Plakatwänden. Vom Laufband ihres Fitnesscenters aus schaute sie, auf den Balkon eines Bundeswehr-Beratungscenters, eine etwas „klischeehafte“ Vorstellung, wie sie rückblickend lachend erzählt.
Von einem Freund hörte sie, wie glücklich er bei der Bundeswehr sei. Er lebt dort seinen beruflichen Traum als Feuerwehrmann aus. Katharina entschloss sich, zur Beratung zu gehen und war von der Offenheit angetan.
"Man konnte die Wahrheit über sich erzählen. Sonst sind Bewerbungsgespräche oft sehr gestellt. Es ging vor allem darum, was man kann und was nicht und wo die eigenen Interessen liegen."
Attraktiv war für Katharina außerdem das Gehalt. Als Tochter eines alleinerziehenden Vaters hätte eine normale Ausbildung die Familie finanziell belastet. Zudem hätte sie für eine Ausbildung auf dem Land, wo sie wohnt, einen Führerschein sowie ein Auto gebraucht.
Alles kein Problem bei der Bundeswehr: Aktuell verdienen freiwillig Wehrdienstleistende etwa 1900 Euro brutto. Auch der Führerschein kann unter bestimmten Bedingungen gemacht werden. Mit dem neuen Wehrdienst könnten es sogar 2600 Euro brutto werden, der Führerschein käme obendrauf.
Missstände und Frauenquote
Zusammenhalt, Stärke und Disziplin – das sind die Werte, für die die Bundeswehr in Katharinas Augen steht. Doch auch von schlechten Geschichten über Vergewaltigungen, sexuellen Missbrauch und Diskriminierung gegenüber Frauen hat sie gehört.
Abgeschreckt ist sie davon nicht. "Als Frau erlebt man sowas überall, auch in anderen Berufen oder im Kampfsport. Ich glaube, bei der Bundeswehr ist es allerdings nochmal ein wenig mehr. Ich könnte sagen, dass ich stattdessen lieber in einem Büro arbeite. Aber dann schütze ich mich eigentlich auch nicht, weil ich dann nicht meinem Traum folge", erklärt Katharina.
Die Zahl der Soldatinnen bei der Bundeswehr ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Mittlerweile leisten etwa 24.000 Frauen ihren Dienst. Der Frauenanteil liegt bei rund 13 %. "Rechnet man die Sanität raus, liegt er unter 10 Prozent. Die Bundeswehr verfehlt damit ihre selbst gesteckten Ziele, und das seit Jahren", sagte die damalige Wehrdienstbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl (SPD) 2024 dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Högl bemängelte außerdem den Mangel an Frauen in Führungspositionen. Nur drei Frauen haben einen Generalsrang, sie alle arbeiten im Sanitätsdienst. Auch sexuelle Übergriffe sowie ein Mangel an Duschen und Toiletten für Soldatinnen seien Probleme.
Mit dem neuen Wehrdienstmodell, das Anfang Dezember vom Bundestag verabschiedet werden soll, würden neben Männern auch Frauen einen Fragebogen für den Wehrdienst erhalten. Frauen müssten auf die Benachrichtigung allerdings nicht antworten, dennoch könnten so mehr Frauen dazu verleitet werden, in den Dienst einzutreten.
Katharina selbst steht der Wehrpflicht kritisch gegenüber. Statt junge Menschen zu zwingen, sollte die Bundeswehr eher ihr Konzept überarbeiten und so attraktiver werden, erklärt sie.
Altes Leiden macht den Traum zunichte
Auch von den Vorurteilen über Waffennarren oder Kriegsfanatikern bei der Bundeswehr lässt Katharina sich nicht beirren. "Wenn man jemandem erzählt, dass man zur Bundeswehr will, denken wirklich viele, dass du gleich in den Krieg ziehen oder den nächstbesten Nachbarn erschießen willst, obwohl das gar nicht so ist."
Gewalt ist für sie "wirklich die letzte Option". Das hätte sie auch beim Karate schon gelernt. An die Waffe würde sie sich trotzdem trauen. "Im schlimmsten Fall muss man jemanden erschießen, aber das muss man auch bei der Polizei."
Ihr Traum, Gebirgsjägerin bei der Bundeswehr zu werden, platzte am Ende allerdings. Wegen einer Krankheit, die Katharina vor etwa zehn Jahren hatte, wird sie für dienstuntauglich erklärt. Viele Berufszweige wären außerdem weggefallen, weil sie nicht riechen kann. "Wenn Soldaten gesucht werden, sollte das System aktualisiert werden", kritisiert Katharina.
Glücklich ist sie heute trotzdem. Mittlerweile macht sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau.