Der Mensch kehrt zum Mond zurück - und mit ihm alte Rivalitäten und neue Ambitionen. Europa will mitreden, Deutschland vorne dabei sein. Für die Bundesrepublik könnte sich dabei eine historische Chance ergeben.
2027 sollen wieder Menschen auf dem Mond landen. Diese Rückkehr fällt in eine Phase wachsender geopolitischer Spannungen, die in vielerlei Hinsicht an den Kalten Krieg erinnert: Aufrüstung, neue Machtblöcke und zunehmende Spannungen zwischen Ost und West.
Wie schon früher ist der Weltraum dadurch erneut zur Bühne strategischer Konkurrenz geworden. Eine erneute Landung auf dem Mond steht dabei für weit mehr als wissenschaftlichen Fortschritt: Sie gilt als Ausdruck technologischer Führungsfähigkeit und geopolitischer Gestaltungsmacht im neuen Wettlauf um das All. Eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond verspricht Einfluss auf künftige Raumfahrtstandards, Fragen der Ressourcennutzung und internationale Kooperationen.
Entsprechend hoch sind die Ambitionen. Neben den USA und Europa treiben derzeit auch Russland und insbesondere China eigene Programme voran. In diesem Gefüge rückt die Europäische Union stärker ins Blickfeld. Nicht nur als Partner der USA, sondern zunehmend als eigenständiger Akteur im All.
Damit stellt sich eine neue Frage: Könnte dieses Rennen erstmals mit einem Deutschen auf dem Mond enden?
Amerikas Mondprogramm mit europäischer Handschrift
Die Rückkehr des Menschen zum Mond erfolgt im Rahmen des von der NASA geführten Artemis-Programm. Die Vereinigten Staaten geben dabei die Richtung vor, während internationale Partner - allen voran die Europäische Weltraumorganisation (ESA) - eine zentrale Rolle spielen.
Für die erste Jahreshälfte 2026 ist mit Artemis 2 eine bemannte Umrundung des Mondes geplant. Ein Jahr später sollen bei Artemis 3 erstmals seit 1972 wieder Astronauten auf der Mondoberfläche landen. Langfristig sieht das Programm zudem den Aufbau der Mondstation Gateway vor.
Europa ist dabei nicht nur politisch, sondern auch technologisch eingebunden. Ein Schlüsselbaustein der Missionen ist das Europäische Servicemodul der Orion-Raumschiffe, das im Auftrag der NASA von der ESA entwickelt und zu großen Teilen in Deutschland gebaut wird.
Diese Rolle könnte nun sogar mit einem Vortritt auf dem Mond honoriert werden: Der Chef der ESA, Josef Aschbacher, erklärte, er habe entschieden, dass die ersten Europäer auf einer künftigen Mondmission Astronauten deutscher, französischer und italienischer Nationalität sein sollen. Deutschland solle dabei den Anfang machen.
Gerst als Gagarin des 21. Jahrhunderts?
Hoffnungen auf ein Ticket zum Mond dürfen sich derzeit vier Deutsche machen. Nach heutigem Stand gelten Alexander Gerst und Matthias Maurer als aussichtsreichste Kandidaten. Der Geophysiker und Vulkanologe Gerst sowie der Materialforscher Maurer waren bereits auf der Internationalen Raumstation (ISS) im Einsatz und gehören zum aktiven Astronautenteam der Europäische Weltraumorganisation (ESA).
Besonders entscheidend für die Auswahl ist die Erfahrung: Für eine Mondmission kommen nach derzeitigen Kriterien nur Astronauten infrage, die bereits im All waren. Diese Voraussetzung erfüllen die beiden deutschen Reserve-Astronautinnen Amelie Schoenenwald, Biochemikerin, und Nicola Winter, bislang noch nicht.
Da es jedoch noch einige Jahre dauern könnte, bis eine konkrete Mondmission ansteht, ist nicht ausgeschlossen, dass auch sie bis dahin Weltraumerfahrung sammeln - und damit ebenfalls eine Chance haben.
Alexander Gerst zeigt sich in jedem Fall bereits jetzt offen für eine Mondmission. Auf die Frage, ob er sich einen Flug zum Mond vorstellen könne, antwortete er: "Selbstverständlich."
Für ihn haben diese Missionen zahlreiche Nutzen. Wer beim Mondprogramm eine aktive Rolle spiele, bleibe auch bei zentralen Zukunftstechnologien der Raumfahrt vorne mit dabei - etwa in der Erdbeobachtung, der Klimaforschung und bei der technologischen Autonomie Europas.
Ob ein deutscher Astronaut tatsächlich unter denen ist, die auch den Mond betreten, lässt sich laut Gerst jedoch derzeit noch nicht sagen. Voraussetzung dafür wäre jedenfalls nach seiner Einschätzug eine noch stärkere Beteiligung der ESA an den Bauteilen für die Missionen.
Europas streben nach Unabhängigkeit
Ein Europäer auf dem Mond hätte für Europa jedoch auch eine hohe symbolische Bedeutung. Trotz der engen Zusammenarbeit mit der NASA bleibt Europa in der Raumfahrt in vielen Bereichen abhängig von den USA. Zugleich verfolgt die Europäische Union das Ziel, technologisch eigenständiger zu werden.
Rückenwind erhält diese Strategie durch ein Rekordbudget für die Europäische Weltraumorganisation (ESA). Für die Jahre 2026 bis 2028 stellen die Mitgliedstaaten knapp 22,1 Milliarden Euro bereit. Ein Schwerpunkt liegt auf dem eigenständigen Zugang Europas zum All.
Deutschland will in diesem Rahmen seine Rolle definieren - als stärkste Wirtschaftsmacht Europas möglichst an vorderster Stelle. Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) spricht von Raumfahrt "Made in Germany". Dass ihr Ressort seit Beginn der neuen Legislaturperiode offiziell auch den Begriff Raumfahrt im Namen trägt, scheint kein Zufall zu sein.
Mit 5,1 Milliarden Euro ist Deutschland größter Beitragszahler der ESA. Investitionen in die Raumfahrt seien, so Bär, trotz knapper Haushaltsmittel notwendig - nicht nur als Zukunftsinvestition, sondern auch als Beitrag zu europäischer Souveränität und Sicherheit.
Konkurrenz im All
Denn auch andere Großmächte haben Ambitionen abseits der Erde. So auch Russland: Die staatliche Raumfahrtbehörde Roskosmos plant Milliardenausgaben und will künftig deutlich stärker als bislang private Investoren einbinden. Vorgesehen ist unter anderem der Aufbau eines eigenen Satelliten-Internetdienstes nach dem Vorbild von Starlink, der nach Angaben von Roskosmos-Chef Dmitri Bakanow 2027 starten soll.
Russlands Aussichten im neuen Wettlauf zum Mond gelten derzeit jedoch als begrenzt. Experten rechnen angesichts logistischer und finanzieller Probleme mit Verzögerungen. So wurde die Mondmission Luna-26 bereits auf das Jahr 2028 verschoben.
Deutlich dynamischer tritt dagegen China auf. Die Volksrepublik treibt ihr Raumfahrtprogramm mit hohem Tempo voran und positioniert sich zunehmend als strategischer Konkurrent der USA. Offizielles Ziel ist es, bis 2030 eine bemannte Mondmission zu starten, auch wenn Peking zu konkreten Zeitplänen bislang wenig preisgibt.
Ein symbolischer erster Schritt Richtung Mond
Was Deutschland betrifft, könnte die Reise zum Mond bereits 2026 beginnen - vorerst jedoch nicht direkt mit einem deutschen Astronauten. Die in Berlin lebende italienische Designerin Giulia Bona hat ein Maskottchen entworfen, das bei der Mission Artemis 2 der NASA ins All fliegen könnte.
Der Entwurf zeigt einen kleinen Astronauten auf der Schulter eines Giganten namens Orion – benannt nach der Raumkapsel der Mission und zugleich eine Anspielung auf die Mythologie, in der Orion mit der Göttin Artemis verbunden ist. Solche sogenannten Zero-G-Indikatoren haben Tradition: Bereits Juri Gagarin soll 1961 einen kleinen Glücksbringer mit ins All genommen haben.
Bona sagte, sie habe spontan an dem Wettbewerb teilgenommen. Dass ihr Entwurf es in die Endrunde geschafft habe, sei für sie eine "unerwartete Freude".
Nun hofft sie, beim Start von Artemis 2 im Livestream ihr Maskottchen zwischen den Astronauten schweben zu sehen - was zumindest ein symbolischer erster Schritt für Deutschland Richtung Mond wäre.