Real Economy untersucht, wie unsere Haushaltseinkommen und Volkswirtschaften durch unsere Immobilien beeinflusst werden.
Wussten Sie, dass europaweit die Immobilienpreise im vergangenen Jahr um 4,5% gestiegen sind?
Doch das Ihnen und mir zur Verfügung stehende Geld ist annährend im selben Maß gestiegen. Angesichts niedriger Zinsen und relativ einfacher Kreditvergabebedingungen im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren - sollten wir uns fragen, wie unsere Haushaltseinkommen und Volkswirtschaften durch unsere Immobilien beeinflusst werden.
Immobilienkauf, ein Crash-Kurs
Mike und Natalia haben sich eine Immobilie gekauft. Sie haben eine feste Anstellung und sichere Einkommen. Die Wirtschaft wächst, die Zinsen sind niedrig und Banken geben Kredite. Steigende Immobilienpreise bedeuten auch, dass der Marktwert ihres Hauses steigt.
Aber sollten die Preise fallen, wird ihre Investition weniger wert sein: sie haben mehr Schulden, als ihr Haus wert ist. Besitzen die Banken ihres Landes viele Hypotheken, werden die hinterlegten Sicherheiten weniger wert sein. Das bedeutet, dass die Banken dann auch weniger Geld für die gesamte Wirtschaft zur Verfügung stellen können.
Das Paar wird mehr von seinem Gehalt dafür aufwenden, den Kredit abzuzahlen und wird weniger Geld für andere Dinge haben. Sollten es ihnen nicht gelingen, den Marktwert für ihr Haus zu steigern, wird Mikes Job Mikes in Gefahr sein, denn auch die Bauindustrie wird langsamer wachsen.
Wenn Natalia nichts mehr für andere Waren und Dienstleistungen ausgibt, müssen Firmen wie die, in der sie angestellt ist, Stellen abbauen, um die Umsatzeinbußen aufzufangen. Jobverlust für einen oder beide heißt, dass Mike und Natalia sich ihr Haus nicht länger leisten können.
Sanierung des Immobilienmarktes in Schweden
Wenn die Häuserpreise bis Ende letzten Jahres - wie in Schweden - ständig steigen, dann ist die Sorge groß, dass diese Häuser überbewertet sind und dass das den Haushalten unnötige Lasten aufbürdet, Schulden abzuzahlen. Inzwischen steigen Immobilienpreise in ganz Europa, aber wie in Portugal und Irland erholen sie sich nach einem steilen Fall.
Guillaume Desjardins wollte herausfinden, was passiert, wenn ein Land wie Schweden korrigierend eingreift.
Guillaume Desjardins, Euronews : "Seit der Subprime-Krise vor zehn Jahren müssen die Banken ihre Mindestreserven erhöhen, um das Bankensystem zu stärken. Aber Menschen, die davon träumen, den Schlüssel zu einem neuen gemütlichen Heim zu bekommen, erschweren sie den Zugang zu Krediten."
In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise schneller gestiegen als die Löhne, und Haushalte mussten sich verschulden. Teilweise sind die Schulden sehr hoch, wie hier in Schweden, wo mehr als ein Drittel aller Haushalte Schulden in Höhe der Verdienste von 4 ½ Jahren abzahlen muss.
Felix Hasselberg ist Immobilienverkäufer in Schweden, er sagt: "Es gab einige Vorschriften, die es beispielsweise erschwert haben, einen Kredit zu bekommen. Die neue Verordnung trat am 1. März 2018 in Kraft. Wir haben seither gesehen, dass größere Haushalte, also häufig Familien mit mehreren Kindern, stärker davon betroffen sind. Für sie ist es schwerer, größere Wohnungen zu kaufen."
Schweden hat kürzlich Schritte zur Sanierung seines Immobilienmarktes unternommen. Ein potentieller Käufer einer Immobilie muss jetzt Eigenkapital von mindestens 15 Prozent des Kaufpreises nachweisen und jedes Jahr einenTeil des Darlehens zurückzahlen. Auch die Banken haben begonnen, Immobilienkrediten bei ihren Risikoberechnungen ein höheres Gewicht eingeräumt. Ein Rettungsring, um das Risiko für die Wirtschaft zu verringern.
Tatsächlich kann eine hohe Verschuldung für die bescheidensten Haushalte, aber auch für andere eine schwere Bürde sein. Wer einen Kredit abstottert, hat weniger Geld zur Verfügung.
Guillaume Desjardins erklärt die Situation in Schweden: "In den letzten Jahren haben hohe Immobilienpreise und eine große Schuldenlast die Budgets schwedischer Haushalte belastet und den Zugang zur eigenen Immobilie erschwert. Das hatte auch Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft."
Gefahrenfalle: Übermäßige Immobilienschulden, überbewertete Immobilien
Jens Magnusson ist Wirtschaftswissenschaftler an der Skandinavischen Privatbank (SEB), er erklärt: "Das wird nachhaltig sein, solange die Zinsen niedrig sind. Doch was passiert, wenn sie steigen? Was natürlich passieren wird, ist, dass viele Haushalte sich bei anderen Dingen einschränken müssen, bei Restaurantsbesuchen oder Urlaub. Sie werden sparen müssen, um die höheren Zinsen zahlen zu können. Aber ein paar Haushalte werden sicher auch in größere Schwierigkeiten kommen und sie werden dann ihre Häuser verkaufen müssen. Aber soweit wird es vermutlich nicht kommen."
Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB), hat Schweden und auch sieben andere Länder der Europäischen Union auf zwei Gefahren hingewiesen, denen sie ausgesetzt sind: übermäßige Immobilienschulden und überbewertete Immobilien.
Ein Erschütterung des Immobilienmarktes kann sich auf die gesamte Wirtschaft auswirken. Sie träfe die Mittelklasse und einkommensschwache Gruppen am härtesten. Im französischen Lyon treffen wir auf Cédric van Styvendael, er ist Präsident von "Housing Europe".
Maithreyi Seetharaman, Euronews: "Wir haben Sie um eine Objekt gebeten, das Europas Immobilienmarkt widerspiegelt - was haben Sie uns mitgebracht?"
Cédric van Styvendael erklärt: "Ich habe zwei mitgebracht: Entschuldigen Sie, dass ich die Vorgabe nicht respektiert habe. Das erste sind Schlüssel - denn sie stehen für das, was jeder europäische Bürger will und sucht. Wohnen in Europa ist für alle europäischen Bürger von entscheidender Bedeutung, zunehmend finden sie keine Immobilie, die zu ihren Ressourcen, zu ihrer beruflichen oder familiären Situation passt. Sozialer Wohnungsbau und seine Akteure leiden unter einem schlechten Image. Vor einem Jahr hat sich in den Niederlanden, genauer in Amsterdam, ein Team zusammengefunden, das ein 'Festival für soziales Wohnen' veranstalten wollte, um all seine Facetten, und seine Vorteile für unsere Wirtschaft aufzuzeigen. Ich freue mich, Ihnen nun mitteilen zu können, dass es 2019 in der Metropole Grand Lyon stattfinden wird."
Maithreyi Seetharaman, Euronews: "Was bereitet Ihnen mehr Sorgen? Dass die Immobilien überbewertet sind oder dass die Verschuldung der Haushalte so hoch ist?"
Cédric van Styvendael: "Das Problem in Europa ist, dass die Immobilienpreise viel schneller gestiegen sind als die Einkommen der Bürger. Einer von zehn Europäern gibt 40 Prozent seiner Ressourcen für Wohnraum aus. Das ist zeigt, dass Sie zu viel Geld in Wohnungen investieren, und das ist äußerst alarmierend. Und das zweite Element, das uns beunruhigt, ist, dass diese Rate für die ärmsten Haushalte noch stärker steigt."
Kreditzugangsbedingungen helfen den reichsten Bürgern
Maithreyi Seetharaman, Euronews: "Glauben Sie, dass die geltenden Bankenvorschriften ausreichen, um die Probleme zu lösen?"
Cédric van Styvendael: "Die Situation ist ziemlich paradox - beispielsweise der Zugang zu Bankkrediten. Die Zinssätze sind in der Tat niedrig und diese niedrigen Zinssätze verstärken die Preiserhöhung. Gleichzeitig sind die Anforderungen, die die Bank an potentielle Käufe stellt, sehr streng. Am Ende helfen diese Situation Kreditzugangsbedingungen den reichsten, nicht den ärmsten Bürgern, weil dieses billige Geld für diejenigen, die es am meisten brauchen, nicht zugänglich ist. Das betrifft besonders junge- und am stärksten gefährdeten Haushalte."
Maithreyi Seetharaman, Euronews: "Wie sehen Sie die Situation hier in Frankreich im Vergleich zu anderen Teilen Europas? Außerhalb von Paris sind die Immobilienpreise mehr oder weniger ins Stocken geraten..."
Cédric van Styvendael: "Sie haben Recht, im Durchschnitt sind die Preise in Frankreich ziemlich stabil, aber das Problem in Europa ist die Kluft zwischen attraktiven Gebieten, den großen europäischen Metropolen und den weniger attraktiven Regionen."
"Ich nenne Ihnen eine Zahl: Wir sind hier in Lyon, in dieser Metropole ist der Preis für Wohnraum zwischen 2010 und 2015 um 69% gestiegen, das ist enorm. Wir erreichen wieder jährliche Steigerungsraten für den Wohnungsbau wie 2009. Das ist also ein Beispiel dafür, dass da wieder das Gleiche passieren könnte, wenn wir nicht vorsichtig sind, wenn wir keine Regulierungsmechanismen umsetzen, um eine neue Immobilienblase zu vermeiden."
Maithreyi Seetharaman, Euronews: "Cédric, vielen Dank für diese Informationen und danke fürs Zuschauen. Bis zum nächsten Mal."