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Bis 2050 fast 19 Millionen Krebstote - wie Deutschland gegensteuert

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Krankenhausbetten Copyright  Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved.
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Von Sonja Issel
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Weltweit droht die Zahl der Krebstoten bis 2050 dramatisch anzusteigen. In Deutschland zeigt sich dagegen ein differenzierteres Bild: Warum die Sterberaten hier sinken, welche Rolle Deutschland bei der Forschung spielt und was jeder Einzelne selbst tun kann.

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Die Zahl der Krebstoten dürfte weltweit bis zur Mitte des Jahrhunderts deutlich steigen. Das geht aus einer Studie hervor, die im US-Fachjournal The Lancet erschienen ist. Als Hauptursachen nennen die Forschenden das Wachstum der Weltbevölkerung sowie die Alterung vieler Gesellschaften.

Demnach könnten im Jahr 2050 rund 18,6 Millionen Menschen jährlich an Krebs sterben - ein Anstieg um etwa 75 Prozent im Vergleich zu 2023. Auch die Zahl der Neuerkrankungen wird laut Analyse stark wachsen: von 18,5 Millionen Fällen im Jahr 2023 auf voraussichtlich 30,5 Millionen im Jahr 2050, was einem Zuwachs von 61 Prozent entspricht.

Besonders stark betroffen sein werden Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Dort entfielen bereits heute mehr als die Hälfte der Krebsneuerkrankungen und zwei Drittel der Todesfälle. Grundlage der Untersuchung sind Daten aus 204 Staaten zu insgesamt 47 Krebsarten.

"Krebs trägt schon heute erheblich zur weltweiten Krankheitslast bei, und unsere Studie zeigt eine deutliche Zunahme in den kommenden Jahrzehnten - vor allem in Ländern mit begrenzten Ressourcen", erklärte Forscherin Lisa Force von der University of Washington, die an der Untersuchung mitarbeitete.

Während die Studie weltweit vor einem deutlichen Anstieg der Krebsbelastung warnt, fällt das Bild in Deutschland etwas differenzierter aus. Zwar nimmt auch hier die Zahl der Erkrankungen zu, doch die Sterberaten sind rückläufig.

Der Blick nach Deutschland

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bleibt Krebs in Deutschland auch weiterhin eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen. Im Jahr 2023 wurden rund 1,44 Millionen Patienten wegen einer Krebserkrankung stationär behandelt - ein Plus von 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, allerdings noch immer unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019. Damit war Krebs der fünfthäufigste Grund für eine Krankenhausaufnahme und Ursache für etwa jeden zwölften stationären Aufenthalt.

Besonders betroffen sind ältere Menschen: Mehr als die Hälfte aller stationären Krebspatienten war 2023 zwischen 60 und 79 Jahre alt, was unter anderem auch die Alterung der Bevölkerung widerspiegelt. Am häufigsten wurden Erkrankungen an Lungenkrebs (12 %), Darmkrebs (10 %) und Brustkrebs (9 %) behandelt.

Insgesamt starben 2023 in Deutschland rund 230.300 Menschen an den Folgen einer Krebserkrankung - gut zehn Prozent mehr als 2003.

Gleichzeitig machen die Zahlen deutlich, dass Prävention und medizinischer Fortschritt Wirkung zeigen: Vor allem in den jüngeren Altersgruppen ist die Zahl der Krebstoten in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich zurückgegangen.

Die Gesetzliche Krebsfrüherkennung

In Deutschland ist die Krebsfrüherkennung deshalb gesetzlich verankert. Das sogenannte Krebs-Screening-Programm, geregelt im Sozialgesetzbuch (SGB V) und durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt, umfasst laut Informationen des Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Untersuchungen auf fünf Krebsarten: Brustkrebs, Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hautkrebs und Prostatakrebs. Ziel ist es, Tumoren oder Vorstufen möglichst früh zu entdecken und so die Sterblichkeit zu senken.

Welche Untersuchungen konkret vorgesehen sind, hängt vom Geschlecht und Alter der Versicherten ab. Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit werden im aktuell (Stand: April 2025) folgende Früherkennungsuntersuchungen von den gesetzlichen Kassen erstattet:

  • Gebärmutterhalskrebs: Für Frauen ab 20 Jahren jährliche Untersuchung; 20–34 Jahre zusätzlich jährlicher Abstrich; ab 35 alle 3 Jahre HPV-Test plus Pap-Abstrich (Ko-Testung).
  • Brustkrebs: Für Frauen ab 30 Jahren jährliche Tastuntersuchung; 50–75 Jahre alle 2 Jahre Mammographie-Screening.
  • Prostatakrebs: Für Männer ab 45 Jahren jährliche Tastuntersuchung (Prostata, äußeres Genital, Lymphknoten).
  • Hautkrebs: Für alle Geschlechter ab 35 Jahren alle 2 Jahre Untersuchung der gesamten Haut.
  • Darmkrebs: Für alle Geschlechter ab 50 Jahren Wahlmöglichkeit: Darmspiegelung (wiederholbar nach 10 Jahren) oder alle 2 Jahre Stuhltest auf verborgenes Blut.

Dieses gesetzliche Früherkennungsprogramm richtet sich an Menschen ohne erhöhtes Krebsrisiko. Wer ein höheres Risiko hat - etwa aufgrund von Krebserkrankungen in der Familie oder einer eigenen Vorerkrankung - sollte sich ärztlich zu zusätzlichen Möglichkeiten der Früherkennung beraten lassen. Auch wer Beschwerden hat, die auf eine Krebserkrankung hindeuten, sollte zum Arzt gehen.

Ein besonderes Risiko entsteht jedoch nicht nur durch genetische Faktoren. Auch Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel oder ungesunde Ernährung erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, lassen sich jedoch durch bewusste Prävention beeinflussen.

Lebensstil als Faktor – rund 40 Prozent aller Krebserkrankungen wären vermeidbar

Nach den Berechnungen der Lancet-Studie waren 2023 rund 42 Prozent der Krebstodesfälle auf vermeidbare Risikofaktoren wie etwa Rauchen, ungesunde Ernährung, hohen Blutzucker oder Alkoholmissbrauch zurückzuführen.

Auch eine Untersuchung der American Cancer Society kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Demnach gelten rund 40 Prozent aller Krebserkrankungen als vermeidbar, vor allem durch einen gesunden Lebensstil. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) betont, dass diese Daten auf Deutschland übertragbar sind.

Tabakkonsum ist dabei der wichtigste vermeidbare Auslöser für Krebs. In Deutschland sind mehr als 80 Prozent der Lungenkrebsfälle darauf zurückzuführen. Tabakrauch verursacht nach Angaben der International Agency for Research on Cancer (IARC) mindestens 20 Krebsarten, darunter auch Blasen-, Nieren- und Brustkrebs. Forschungen zeigen: Raucher sterben im Schnitt zehn Jahre früher als Nichtraucher. Jede Zigarette verkürzt das Leben um rund 20 Minuten. Zwar ist die Raucherquote seit den 1980er-Jahren gesunken, doch rund ein Fünftel der Erwachsenen greift immer noch regelmäßig zur Zigarette.

Übergewicht ist der zweitgrößte beeinflussbare Risikofaktor. Erhöhtes Körpergewicht steht in Verbindung mit mindestens 13 Krebsarten, darunter Darm-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Je stärker das Übergewicht, desto höher das Risiko. In Deutschland sind laut Deutscher Adipositas-Gesellschaft derzeit zwei Drittel der Männer und jede zweite Frau übergewichtig.

Alkohol ist laut Forschenden mindestens ebenso krebserregend wie Tabak. Entscheidend ist hier die konsumierte Menge, nicht die Form des Getränks. Schon kleine Mengen erhöhen das Risiko für Leber-, Darm- oder Brustkrebs, weil das Abbauprodukt Acetaldehyd die DNA schädigt. Eine „sichere“ Trinkmenge gibt es also nicht.

Auch Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, übermäßige UV-Strahlung und bestimmte Virusinfektionen - etwa durch humane Papillomviren (HPV) - tragen zur Krebsentstehung bei. Schutz bieten laut Experten daher Bewegung, ausgewogene Ernährung, Sonnenschutz und Impfungen.

Fachleute wie Claudia Baldus, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, sehen in Deutschland großen Nachholbedarf bei der Präventionspolitik. Viele Menschen seien sich der Risiken von Übergewicht, Alkohol oder UV-Strahlung zu wenig bewusst. Im Interview mit der ARD forderte sie deshalb mehr Aufklärung in Schulen, eine konsequentere Tabak- und Alkoholbesteuerung sowie breitere Präventionsprogramme: "Nur mit mehr Information und klaren Handlungsempfehlungen lässt sich die Krebssterblichkeit langfristig deutlich senken."

Forschung: Europaweite Initiative

Krebsmedizin bedeutet jedoch nicht nur Vorsorge und Früherkennung - auch bei der Behandlung wird weltweit intensiv geforscht. Ziel ist es, Therapien wirksamer, individueller und zugleich verträglicher zu machen. Deutschland ist dabei stark involviert.

So Beispielsweise auf europäischer Ebene im Rahmen der sogenannten "European Joint Action EUCanScreen", die 2024 gestartet ist und bis 2028 läuft. Das Projekt soll bestehende Screening-Programme für Brust-, Gebärmutterhals- und Darmkrebs europaweit verbessern und prüft zusätzlich neue Verfahren für Lungen-, Prostata- und Magenkrebs. Im Mittelpunkt stehen neben der Verringerung der Krankheitslast auch der gleichberechtigte Zugang und eine höhere Qualität der Programme in allen Mitgliedstaaten.

An EUCanScreen beteiligen sich 29 Länder - darunter 25 EU-Staaten sowie Norwegen, Island, die Ukraine und Moldawien. Koordiniert wird das Projekt von der Universität Lettland.

In Deutschland übernimmt das Robert Koch-Institut die übergeordnete Koordination. Weitere deutsche Partner sind die Deutsche Krebsgesellschaft (mit einem Fokus auf die Früherkennung bei Menschen mit geistiger Behinderung), das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie sowie die Berlin Medical School, die an neuen Screening-Ansätzen für Prostata- und Lungenkrebs arbeiten.

mRNA-Impfstoffe: Hoffnungsträger gegen Krebs?

Zu den wohl größten Hoffnungsträgern zählt die mRNA-Technologie, die während der Corona-Pandemie weltbekannt wurde. Tumorimmunologe Niels Halama vom Deutschen Krebsforschungszentrum bezeichnet sie im Deutschlandfunk als "revolutionären Fortschritt" in der Krebsmedizin. Personalisierte Impfstoffe könnten künftig gegen unterschiedlichste Tumorarten eingesetzt werden. Erste Anwendungen erwartet Halama bereits in den kommenden zwei bis drei Jahren - zunächst beim schwarzen Hautkrebs, in Kombination mit bestehenden Therapien.

Noch ist in der Onkologie kein mRNA-Präparat zugelassen. Unternehmen wie Biontech aus Mainz arbeiten jedoch an mehreren Wirkstoffen, die sich aktuell in Phase-2-Studien befinden. Bis zu einer möglichen Zulassung sind weitere klinische Prüfungen nötig. Dennoch gilt die Technologie als hoch aussichtsreich: mRNA-Impfstoffe lassen sich individuell anpassen und könnten künftig bei einer Vielzahl von Krebserkrankungen eingesetzt werden.

Prävention und Forschung jetzt entscheidend

Die Lancet-Studie macht deutlich, dass die Zahl der Krebstoten bis 2050 vor allem in Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen massiv steigen könnte. Zwar waren 2023 rund 42 Prozent der Todesfälle auf vermeidbare Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunde Ernährung, hohen Blutzucker oder Alkohol zurückzuführen. Da jedoch mehr als die Hälfte der Fälle nicht darauf zurückging, betonen die Autoren zusätzlich die Bedeutung von Früherkennung und wirksamen Therapien.

Während die USA ihre staatliche Förderung für mRNA-Forschung jüngst gestrichen haben, ist Deutschland in diesem Bereich stark involviert - von der Grundlagenforschung am DKFZ bis zu klinischen Studien bei Biontech.

Ob die düstere Prognose der Lancet-Studie Realität wird, hängt also auch davon ab, wie konsequent Staaten wie Deutschland Prävention, Früherkennung und Forschung vorantreiben.

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