Sicherheit für Fischer: kleine Maßnahmen mit großer Wirkung

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Sicherheit für Fischer: kleine Maßnahmen mit großer Wirkung
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Von Denis LoctierSabine Sans
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Ocean hat in Italien recherchiert, wie man die Arbeit der Fischer sicherer machen kann.

Jedes Jahr sterben europäische Fischer auf See. Hunderte werden verletzt. Es ist viel riskanter, ein Fischer zu sein, als ein Polizist oder ein Feuerwehrmann. Die harten Arbeitsbedingungen führen zu Unfällen und chronischen Krankheiten. Welche Möglichkeiten gibt es, diesen Job sicherer zu machen? Ocean hat in Italien recherchiert.

Ein lauter wackliger Arbeitsplatz

Bei Tagesanbruch beginnt die Crew von Kapitän Davide Sanulli mit der Muschelernte auf der Adria vor der Küste der Region Emilia-Romagna in Italien. Es ist schon anstrengend, den Tag so früh zu beginnen - aber es wird noch schwieriger. Die Muscheln wachsen an langen Unterwassersträngen. Es braucht viel Kraft, um sie herauszuziehen.

"Es ist hart, aber ich beschwere mich nie - jeder Job hat seine Schwierigkeiten", meint Bootskapitän Davide Sanulli.

Die Maschinen helfen zwar, aber sie sind laut. Der Schlamm kommt immer wieder in die Augen und man muss sich vor den beweglichen Teilen in acht nehmen. Es ist eine laute, wacklige Betriebsstätte mitten auf dem Meer, mit wenig Zeit zum Ausruhen.

"Früher musste alles von Hand gemacht werden", erzählt der Kapitän. "Heute haben wir alle Maschinen. Die Technologie macht es einfacher für den Rücken - das ist ein Vorteil. Aber dadurch wurde die Arbeit auch viel hektischer."

Die Besatzung trägt Schutzhandschuhe, schwere Schürzen und Gummistiefel, die absichtlich zu groß sind - um sie schnell von den Füßen zu werfen, falls man versehentlich über Bord fällt. Auf einem Deck, das mit glitschigen Muscheln bedeckt ist, sind Stürze ein großes Risiko: "Man hat immer zu tun, und dann kann man leicht ausrutschen und ins Wasser fallen oder sich den Kopf stoßen", so Sanulli.

Fischer haben einen gefährlichen Beruf

Fischerei und Offshore-Aquakultur gehören nach wie vor zu den riskantesten Jobs. Auf fahrenden Trawlern können Fischer unbemerkt über Bord fallen und ertrinken. Schiffe kollidieren mit Treibgut und sinken. Allein im Jahr 2019 starben in europäischen Gewässern mindestens 16 Fischer und mehr als zweihundert wurden schwer verletzt.

Für den neunzehnjährigen Lorenzo Balestri ist die Muschelernte nur ein Sommerjob - er sagt, es wird gut bezahlt, aber nur wenige junge Leute entscheiden sich für diesen Beruf:

"Man sagt, es ist schwer, Fischer zu sein, und das stimmt tatsächlich", so der Fischer in Ausbildung. "Im Sommer muss man früh aufstehen, was bedeutet, früh ins Bett zu gehen - also keine Party-Nächte. Das ist ein Opfer, zu dem nicht viele junge Leute bereit sind."

Fischerinnen sind selten

Deswegen ist die Fischerei meist ein Job für Männer mittleren Alters. Ihre Ehefrauen werden oft als Hausfrauen dargestellt, die ängstlich auf die Rückkehr der Männer an Land warten. Tatsächlich spielen Frauen heute eine Schlüsselrolle in der Geschäftsverwaltung der Fischerei, bei der Verarbeitung und dem Verkauf des Fangs, zum Fischen aufs Meer hinausfahren sie fast nie - mit seltenen Ausnahmen.

"Ich bin Fischerin, die einzige Frau in Cesenatico und in der ganzen Emilia Romagna, die in der Schleppnetzfischerei arbeitet", erzählt Çiğdem Moçoşoğlu. "Für einen Mann ist es kein sehr harter Job. Es gibt Tage, an denen es schwer ist, an denen der Wellengang, das Wetter, die Baumstämme, die wir im Meer finden, anstrengend sind. Aber für eine Frau, die sich auch um das Haus und die Kinder kümmern muss, ist das der härteste Job überhaupt."

Çiğdem Moçoşoğlu hat zwei erwachsene Töchter, sie arbeitet auf einem kleinen Fischerboot. Vorschriften zu Arbeitsbedingungen lassen kleine Schiffe oft außer Acht - für größere Schiffe, die Wochen und Monate auf See verbringen, gibt es mehr Regeln. Aber laut den Fischern in Cesenatico kann selbst die harte Arbeit auf kleineren Schiffen die Gesundheit beeinträchtigen.

Fischer können ein Lied davon singen:

"Die Kälte, der Regen, die Belastung der Wirbelsäule und die Stunden - die Arbeitszeiten sind endlos", sagt ein Fischer in einer Bar.

"Man wird krank vor Knochenschmerzen; Ich, zum Beispiel, habe eine schwere Speiseröhrenentzündung...", erzählt ein weiterer Mann.

Und ein weiterer Fischer: "In Italien sind die meisten Boote alt, wir brauchen also einen echten Modernisierungsplan."

Ein vierter Mann meint: "Die Technologien sind eine große Hilfe, aber ihr Potenzial wird nicht voll ausgeschöpft. Es gibt Finanzierungsmöglichkeiten, aber die Leute kennen sie nicht oder akzeptieren die Kosten nicht."

Weltweite Überlegungen über Sicherheit in der Fischerei

Es gibt eine weltweite Diskussion darüber, wie man die Fischerei sicherer machen kann. Ein Teil der Lösung wird in einer strengeren Regulierung gesehen. In Europa gehören dazu eine Reihe von EU-Richtlinien und internationale Konventionen - allen voran das sogenannte Übereinkommen 188 über die Arbeit im Fischereisektor der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), das bisher nur von sieben EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde.

Ein weiteres Instrument ist die gezielte Förderung. Die EU unterstützt Schulungen und einige Schiffsmodifikationen, die die Sicherheit verbessern, ohne die Fangmengen zu erhöhen. Nach Angaben der regionalen Verwaltung sind Bootsmodernisierungen jedoch selten, da die Hälfte der Kosten der Schiffseigner tragen muss.

"Wir haben als Region Emilia-Romagna zweimal versucht, die Fischer zu ermutigen, ihre Ausrüstung zu verbessern, wir haben Treffen abgehalten, wir haben Werbeaktivitäten in der Region durchgeführt", erklärt Vittorio Elio Manduca, Leiter der Jagd- und Fischereidienste, Region Emilia-Romagna. "Aber trotz all dieser Bemühungen konnten wir viele nicht überzeugen, in die Sicherheit an Bord zu investieren. Sie sagen ja zu Schulungen, wollen aber keine materiellen Investitionen tätigen, und das ist leider ein Problem."

Kleine Verbesserungen, die einen großen Unterschied machen

Modernisierungen älterer Schiffe sind kostspielig und durch den Platzmangel an Bord begrenzt. Aber neue Schiffe können mit Blick auf eine höhere Sicherheit konstruiert werden.

Alberto Stefanini ist ein technischer Sicherheitsingenieur. Er inspiziert Fischerboote und achtet dabei auf kleine Verbesserungen, die einen großen Unterschied machen - Abdeckungen für bewegliche Seile, Sicherheit von Befestigungen, Höhe der Geländer - und auf Dinge wie Klimaanlagen, die die Arbeit komfortabler und damit sicherer machen.

"Die Gelassenheit und Geselligkeit der Besatzung helfen in vielerlei Hinsicht, mit der Ermüdung umzugehen, die diese Art von Tätigkeit mit sich bringt", meint der technische Sicherheitsingenieur der Region Emilia-Romagna. "Es wird immer weniger Verletzungen an Bord geben, sodass die Boote immer sicherer werden."

"Wenn Fischer aufs Meer hinausfahren, ist das Hauptziel, dass sie sicher zurückkommen. Alles andere ist unwichtig."
Massimo Bellavista
technischer Mitarbeiter der Emiglia-Romagna Coast FLAG.

Massimo Bellavista arbeitet mit Fischereikooperativen, Gewerkschaften und ihren EU-Gesprächspartnern zusammen, um die Arbeitsbedingungen an Bord mit regelmäßigen technischen Inspektionen und Sicherheitsschulungen zu verbessern.

"Wenn Fischer aufs Meer hinausfahren, ist das Hauptziel, dass sie sicher zurückkommen. Alles andere ist unwichtig", sagt der technische Mitarbeiter der Emiglia-Romagna Coast FLAG. "Es ist also extrem wichtig, die Regeln umzusetzen und zu befolgen. Italien ist ein wenig im Rückstand bei der Ratifizierung des Übereinkommens 188, aber wir arbeiten daran, und die Fischer müssen versuchen, diese Änderungen zu antizipieren und nicht zu warten, bis die strengeren Regeln verbindlich werden."

Aufrüsten für die Sicherheit

Sieben Stunden sind die vier Muschelzüchter auf See gewesen. Nachdem sie zwei Tonnen Muscheln geerntet haben, sind sie nun sichtlich müde. In den kommenden Monaten will der Kapitän die gesamte Ausrüstung aufrüsten, um ihre Arbeit einfacher und sicherer zu machen.

"Ich habe bereits einen Antrag für ein Umrüstungspaket in Höhe von 70.000 Euro gestellt, um das Boot zu modernisieren und alles zu verbessern - 50 Prozent davon werden von Europa finanziert", erzählt Bootskapitän Davide Sanulli.

Die Rückfahrt ist der erste Moment für die Crew, um sich auszuruhen und etwas zu essen. Ihr Tag ist noch nicht zu Ende: Zurück im Hafen müssen die Muscheln entladen und das Boot für die frühe Ausfahrt am nächsten Morgen vorbereitet werden.

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