Kanüle im Hals: Wie trächtige Islandstuten auf "Blutfarmen" angezapft werden

Auf einer "Blutfarm" in der Nähe von Selfoss, Südisland, wird einer Stute Blut abgenommen
Auf einer "Blutfarm" in der Nähe von Selfoss, Südisland, wird einer Stute Blut abgenommen Copyright Jeremie RICHARD / AFP
Von Euronews mit AFP
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Den trächtigen Stuten wird am Hals eine Kanüle gesetzt und Blut abgezapft - mehrere Liter pro Woche auf sogenannten "Blutfarmen".

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Die Szene mutet idyllisch an: Dutzende Islandpferde grasen friedlich auf der Weide. Das, was dann geschieht, erhitzt nicht nur bei Tierschützern die Gemüter: Den trächtigen Stuten wird am Hals eine Kanüle gesetzt und Blut abgezapft - mehrere Liter pro Woche auf einer sogenannten "Blutfarm" in Selfoss im Süden Islands. 

Die Tiere werden nur zu einem Zweck gezüchtet, um ein spezielles Hormon zu gewinnen, das in der Veterinärindustrie verwendet wird, das Schwangerschaftshormon PMSG. Es dient zur Verbesserung der Fruchtbarkeit von Masttieren, Kühen, Schafen oder Schweinen - um deren Zyklus zu synchronisieren.

Schockvideo zeigte Misshandlungen

Die "Blut"-Methode ist höchst umstritten, weil die halbwilden Stuten dabei in einer kleinen Box fixiert und zum Teil brutal behandelt werden. Seit ein Schockvideo vor einem Jahr Misshandlungen anprangerte, laufen Tierschutzorganisationen Sturm.

Rosa Lif Darradottir, Vizepräsidentin von Animal Welfare Iceland: "Finden Sie es in Ordnung, ein verängstigtes Pferd zu nehmen und ihm in den Nacken zu stechen, um ein Fruchtbarkeitsmedikament herzustellen, das das Leiden anderer Nutztiere vergrößert, finden Sie das in Ordnung? Ich denke, die meisten Menschen würden Nein sagen."

Das Video zeigte, wie Landarbeiter die Pferde mit Stöcken schlugen und stießen und Hunde zuschnappten, um die Pferde in die Box zu treiben. Nach der Blutabnahme wirkten die Tiere geschwächt. Einige brachen vor Erschöpfung zusammen, nachdem sie sich gegen die Fesseln in ihren Boxen gewehrt hatten.

Die Fixierung erfolgt zum Schutz der Tiere

Das Video hat für so viel Aufruhr gesorgt, dass Beteiligte von der Blutabnahme lieber anonym berichten. Ein von AP befragter Tierarzt erklärt, dass die Fixierung zum Schutz der Tiere erfolge. Das "ermöglicht es uns, die Vene genau zu sehen, denn wir müssen genau wissen, wo sie sich befindet."

Zunächst werde ein örtliches Betäubungsmittel verabreicht, dann eine große Nadel in die Halsvene injiziert. Nur ein zertifizierter Tierarzt sei befugt, den Eingriff vorzunehmen. 

Island ist eines der wenigen Länder weltweit - und das einzige in Europa - das diese umstrittene Praxis anwendet, neben Argentinien und Uruguay und in geringerem Maße auch Russland, der Mongolei und China.

Hersteller bangt vor allem um sein Image

Jeder trächtigen Stute werden in nur wenigen Minuten bis zu fünf Liter Blut abgenommen, und zwar wöchentlich über einen Zeitraum von acht Wochen. Die dabei entstehenden Fohlen landen in der Regel beim Schlachter. Die Blutentnahme, die von Ende Juli bis Anfang Oktober durchgeführt wird, ist profitabel.

Das Hormon wird von der isländischen Biotech-Gruppe Isteka, einem der Marktführer in Europa, verarbeitet. Das Schock-Video führte zu einem Shitstorm und polizeilichen Untersuchungen. Was einige Landwirte dazu bewegte, aus dem "Blutgeschäft" wieder auszusteigen. Der Hersteller bangt vor allem um sein Image .

Die Landwirte waren von dem Video schwer getroffen und schockiert", meint der Geschäftsführer des Unternehmens Arnthor Gudlaugsson. "Das Video war so gestaltet, dass es meiner Meinung nach eine zu negative Beschreibung des Prozesses darstellt." Auch wenn er zugesteht, dass es in einigen Passagen Hinweise auf schlechte Praktiken oder solche, die man verbessern könne, enthielt.

2021 gab es in Island 119 Blutfarmen und fast 5.400 Stuten, die ausschließlich zum Zweck der Blutspende gezüchtet wurden - eine Zahl, die sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht hat. Die Untersuchungen führten bislang zu keinem Verbot der Blutfarmen.

Seit August sind jedoch strengere Vorschriften in Kraft, die den Behörden mehr Befugnisse zur Überwachung der Branche und zur "Bewertung ihrer Zukunft" in den nächsten drei Jahren gibt.

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