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EU weicht Verbrenner-Aus 2035 auf: Gefahr für Europas Klimaziele?

Vor dem Kanzleramt in Berlin parkt ein Luxus-Audi mit laufendem Motor. Abgase umhüllen ihn.
Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin steht ein Luxus-Audi mit laufendem Motor. Abgase umhüllen ihn. Copyright  AP Photo/Michael Sohn, File
Copyright AP Photo/Michael Sohn, File
Von Euronews Green mit AP
Zuerst veröffentlicht am
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Die EU hat das Verbrenner-Aus 2035 aufgeweicht. Das schürt Zweifel an den Klimazielen und am Tempo, mit dem sich E-Autos wirklich durchsetzen.

EU-Verantwortliche haben am Dienstag das ab 2035 geplante Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor aufgeweicht. Sie reagierten damit auf Druck von Regierungen und Autoherstellern.

Bislang schreibt EU-Recht vor, dass ab 2035 alle Neuwagen null CO2 ausstoßen müssen. Nach Druck aus einigen Mitgliedstaaten und der Autoindustrie wurde das Ziel nun abgeschwächt.

Die Kommission hat das Verbot gelockert. Ab 2035 müssen Hersteller demnach einen Zielwert von 90 Prozent bei Auspuffemissionen einhalten statt 100 Prozent.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Stéphane Séjourné, nannte den Plan eine „Rettungsleine“ für Europas Autoindustrie und betonte, die Klimaziele der EU blieben intakt.

Einige Mitgliedstaaten wie Italien und Deutschland drängten auf eine Rücknahme des Verbots. Andere verurteilten die zusätzliche „Flexibilität“ für Verbrenner.

Frankreichs Umweltministerin Monique Barbut sagte, ihr Land werde „alles in unserer Macht Stehende“ tun, um den Vorschlag zu stoppen, wenn die EU-Staaten darüber entscheiden.

Kritikerinnen und Kritiker warnen zudem, die Kehrtwende sende verwirrende Signale für Klimaziele und Hersteller.

Was bedeutet die Abschwächung für die EU-Emissionsziele?

Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, in dem die Treibhausgasemissionen in der EU in den vergangenen drei Jahrzehnten gestiegen sind. Nach Daten der Europäischen Umweltagentur entfallen etwas mehr als 60 Prozent der verkehrsbedingten Treibhausgase auf Pkw.

Nach Angaben der EU wird die Anpassung den Weg zur klimaneutralen Wirtschaft des 27-Staaten-Blocks bis 2050 nicht beeinträchtigen. Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte Euronews, es sei ein „kluger, vernünftiger Kompromiss für Klima und Wettbewerbsfähigkeit“.

Das bedeutet jedoch: Auch nach 2035 dürfen Hersteller in begrenztem Umfang weiter Fahrzeuge mit Emissionen verkaufen, darunter Plug-in-Hybride, E-Autos mit kleinem Verbrenner als Reichweitenverlängerer sowie Benziner und Diesel.

Dafür müssen sie die verbleibenden zehn Prozent der Emissionen dieser Fahrzeuge auf zwei Wegen ausgleichen. Erstens durch den Einsatz von in der EU produziertem, CO2-armem Stahl. Zweitens durch E-Fuels oder Biokraftstoffe, was nicht in ihrer Kontrolle liegt.

Séjourné sagte diese Woche in Straßburg vor Journalistinnen und Journalisten, „alle potenziellen zusätzlichen Emissionen müssen vollständig vorgelagert kompensiert werden“.

Reine Elektro- und Wasserstofffahrzeuge werden ebenfalls gefördert. Hersteller erhalten dafür „Supercredits“, wenn sie sie bauen.

Kleine, kompakte und erschwingliche E-Autos, die vor 2035 in der EU gebaut werden, könnten zum Beispiel als 1,3 Fahrzeuge zählen. So erreichen Firmen ihre Quoten leichter und vermeiden Strafzahlungen.

„Komplexität statt Klarheit“: Expertinnen und Experten für saubere Mobilität kritisieren den Schritt als verwirrend

Kritikerinnen und Kritiker sagen, die Rücknahme sei keine „Rettungsleine“, sondern verwirre eine Branche, die sich bereits auf das Null-Emissions-Ziel vorbereitet.

„Die EU hat sich für Komplexität statt Klarheit entschieden. Schnellere Pferde hätten den Aufstieg des Automobils nie aufgehalten“, sagt William Todts, Geschäftsführer des Thinktanks Transport & Environment (T&E) für saubere Mobilität.

„Jeder Euro, der in Plug-in-Hybride fließt, fehlt bei E-Autos, während China davonzieht. Am Verbrenner festzuhalten wird die europäischen Hersteller nicht wieder groß machen.“

T&E schätzt, dass 2035 bis zu 25 Prozent weniger batterieelektrische Fahrzeuge verkauft würden als unter dem bisherigen Ziel. Zudem könnten Gutschriften für fortschrittliche Biokraftstoffe und E-Fuels es Herstellern erlauben, weniger E-Autos zu verkaufen, im Tausch gegen Emissionsminderungen, die es in der Realität nicht gibt.

Bei fortschrittlichen Biokraftstoffen, die sich laut T&E nicht nachhaltig hochskalieren lassen, würde außerdem die Abhängigkeit Europas von Importen von Altspeiseöl und tierischen Fetten steigen. Diese Rohstoffe sind häufig betrugsanfällig.

Chris Heron, Generalsekretär des Branchenverbands E-Mobility Europe, ergänzt: „Zögern ist keine Strategie.“

„Die Regeln mitten im Spiel zu ändern, untergräbt das Vertrauen der Unternehmen, nachdem sie bereits investiert und Fabriken für einen 100-Prozent-Kurs gebaut haben.“

Ist ein Verbrenner-Verkaufsverbot ab 2035 „nicht mehr machbar“?

Ende August schrieben der Verband der Automobilzulieferer CLEPA und der Herstellerverband ACEA an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie erklärten, ein Emissionsziel von 100 Prozent für Pkw bis 2035 sei nicht mehr zu erreichen.

Die Unterzeichner betonten, sie stünden zum EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Gleichzeitig seien Hersteller im Binnenmarkt bei Batterien fast vollständig von Asien abhängig und kämpften mit US-Zöllen, höheren Produktionskosten und einer uneinheitlichen Ladeinfrastruktur.

„Die starren CO2-Ziele für Pkw und Transporter für 2030 und 2035 lassen sich in der heutigen Welt schlicht nicht mehr erfüllen“, schrieben sie. Gesetzliche Vorgaben und Strafen allein würden den Wandel nicht vorantreiben.

Auf der anderen Seite der Debatte unterschrieben Anfang des Monats mehr als 150 Spitzenkräfte der europäischen Elektroauto-Branche einen offenen Brief. Sie fordern die EU auf, am Ziel für 2035 festzuhalten. Mit Blick auf das Lobbying der Autoindustrie heißt es darin, man sei „zutiefst besorgt über jüngste Versuche, Ihre Ziele zu verwässern“.

Unterzeichnet haben unter anderem Führungskräfte von Volvo Cars und Polestar. Der Brief warnt, jede Verzögerung würde Europas Markt für E-Autos ausbremsen, Wettbewerbern anderswo Vorteile verschaffen und das Vertrauen von Investorinnen und Investoren untergraben.

Der weitere Einsatz von Übergangstechnologien wie Plug-in-Hybriden oder CO2-neutralen Kraftstoffen schaffe zudem Unsicherheit und bremse den Umstieg auf E-Autos, während chinesische Hersteller vorangehen.

„Jede Verzögerung in Europa vergrößert nur den Abstand zu China“, heißt es weiter.

Sowohl die EU als auch die USA kommen beim Umstieg auf E-Autos langsamer voran als China. Dort machten Batterie-Fahrzeuge im dritten Quartal 34 Prozent des Marktes aus. Das Wachstum wird durch staatliche Unterstützung und harten Wettbewerb unter chinesischen Herstellern befeuert, die erschwingliche Modelle bauen.

Ist die Elektrifizierung jetzt unvermeidlich?

Tristan Beucler, Branchenanalyst beim Thinktank Strategic Perspectives, sagt, die Elektrifizierung komme „mit oder ohne die EU“.

„Mit der Abschaffung eines klaren Industrie-Ziels schwächt die Kommission die Geschäftsgrundlage jener Firmen, die bereits in die Elektrifizierung investiert haben, und verlängert die Lebensdauer einer Technologie, die im nächsten Jahrzehnt keine Wettbewerbsfähigkeit mehr erreichen kann“, so Beucler.

Der Absatz reiner Batterie-Autos in Europa lag in den ersten zehn Monaten dieses Jahres um 26 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Ihr Anteil an den neuen Autoverkäufen stieg auf 16 Prozent.

Benziner und Diesel verlieren zwar an Boden, bleiben aber wichtig. Mit dem neuen Ziel von 90 Prozent erwartet die EU, dass nicht elektrische Fahrzeuge 2035 rund 30 bis 35 Prozent der Verkäufe ausmachen.

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