"Frauenquoten haben Viele zum Nachdenken gebracht"

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Im Gespräch mit Euronews erklärt Virginija Langbakk vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen, wo die europäischen Länder in Sachen Gleichberechtigung stehen.

Euronews:
Frau Langbakk – vielen Dank, dass Sie bei uns sind. Wir haben in unserem ersten Beitrag gesehen, dass strengere Gesetze und Bildung die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern. Ist einer der beiden Punkte wichtiger?

Virginija Langbakk:
_Gesetze sorgen für den Rahmen und die Grundlagen. Die Gleichberechtigung ist verknüpft mit den Rechten der Frauen und den Menschenrechten.

Wenn sie die rechtlichen Grundlagen haben, dann können sie besser kontrollieren. Sie können Regierungen zum Handeln bewegen oder gar zwingen, die sonst ohne Gesetze eher passiv wären.

Bildung hat mehr mit dem Kopf zu tun und Veränderungen in der Denkweise. Das ist ein längerer Prozess. Das muss übergehen in den Alltag und ins Berufsleben. Aber sowohl Gesetze und Bildung sind sehr wichtig für die Gleichberechtigung._

Euronews:
Was denken Sie über Frauenquoten?

Virginija Langbakk:
_Wir wissen noch wenig über die Auswirkungen in den Ländern, in denen diese Quoten eingeführt wurden. Was wir aber sehen ist, dass es zum Beispiel in Italien oder Slowenien große Fortschritte gegeben hat, als sie dort Frauenquoten in der Politik eingeführt haben.

Es gab viele Diskussionen. Die Quoten haben Viele zum Nachdenken gebracht. Ich weiß aber auch, dass einige Unternehmen lieber Strafen gezahlt haben, anstatt qualifizierte Frauen einzustellen. Sie haben Ausreden gesucht. Quoten haben die Menschen dazu gezwungen, ihre Situation zu überdenken. Wir erleben da Fortschritte._

Euronews:
Manche Beobachter sagen, Gleichberechtigung sei in skandinavischen Ländern leichter umzusetzen wegen der spezifischen Kultur und Geschichte.

Virginija Langbakk:
_Ich glaube nicht, dass die Geschichte der Faktor ist, der die besondere Situation in den nordeuropäischen Ländern ausmacht. Es gab die gleichen Herausforderungen: Frauen durften nicht arbeiten, hatten kein Wahlrecht und dann gab es den Weltkrieg. Auch das Bewusstsein der Frauen, Teil der Arbeitswelt zu sein, unterscheidet sich nicht von den anderen Ländern. Natürlich ist die Frauenbewegung ein wichtiger Faktor, doch die gibt es auch in anderen Ländern.

Die Art und Weise, wie die nordeuropäischen Länder die Gleichberechtigung erreicht haben, ist heute Vorbild für viele Mitgliedsstaaten der EU. Sie vollziehen die Entwicklung Skandinaviens nach, setzen dabei aber eigene Standards._

Euronews:
Was sind die wichtigsten Kämpfe, die noch gewonnen werden müssen, um Gleichberechtigung in der EU voranzubringen?

Virginija Langbakk:
_Der größte Bereich, in dem die Ungleichheit nicht ab- sondern sogar zunimmt, betrifft die Freizeit und die Familie. Da gibt es sehr große Unterschiede unter den Geschlechtern. Ein Drittel der Männer in den Ländern der Europäischen Union engagiert sich zuhause etwa eine Stunde am Tag. Der Rest macht gar nichts.

Dann haben wir bei den Renten immer noch eine Spaltung. Das ist die Folge der bisherigen Form und Bezahlung der Beschäftigten. Die Arbeit hat diese Spaltung bei den Renten hervorgerufen.

Ein anderer wichtiger Bereich, in dem sich etwas tun muss, ist die Gewalt gegen Frauen und die sexuellen Übergriffe._

Euronews:
Zum Schluss die Frage: Gibt es in der EU eine Art Spaltung – Nord, Süd, Ost, West – oder wäre das zu sehr vereinfacht?

Virginija Langbakk:
_Ja, das ist – glaube ich – doch etwas zu einfach, von einer solchen Spaltung zu sprechen. Bulgarien etwa ist Vorreiter, was die Zahl der Frauen in der Informations- und Kommunikationstechnik angeht.

Wenn Sie an Südeuropa denken… Spanien tut sehr viel im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen. Dort haben sie sehr viele Maßnahmen ergriffen. Italien hat einen großen Sprung gemacht, was Frauen in der Politik angeht._

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