Gegen den mutmaßlichen Täter, der am Freitag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit dem Auto in eine Menschenmenge gefahren ist, wurde Haftbefehl erlassen. Die Union fordert eine Sondersitzung des Innenausschusses.
Bisher gibt es fünf Tote und 211 Verletzte, nachdem Taleb A. am Freitag mit einem BMW in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast war. Unter den Verletzten sind Schwerverletzte. Der Schock und die Bereitschaft zu helfen sind groß in der Bevölkerung. Das Deutsche Rote Kreuz und das Universitätsklinikum teilen mit, dass die Sondertermine für Blutspenden am Montag bereits ausgebucht seien.
Wenige Tage vor Weihnachten strömen die Magdeburger noch immer zur Kirche in der Nähe des Geschehens, um Blumen niederzulegen und Kerzen anzuzünden. Unterdessen gehen die Ermittlungen weiter.
Rufe nach schneller Aufarbeitung
Auch Verunsicherung und Wut sind groß, nicht nur in Sachsen-Anhalt. Wie konnte es zu dem Anschlag kommen, auf dem zwar gut bewachten, aber offenbar nicht gut genug gesicherten Weihnachtsmarkt? Weshalb haben die Behörden nicht rechtzeitig reagiert? Warum haben sie Hinweise aus Saudi-Arabien ignoriert? Es lagen wohl mehrere Warnungen auf eine mögliche bevorstehene Tat des Mannes aus dem In- und Ausland vor, wie jetzt durch Recherchen mehrerer Medien und Informationen der Behörden zutage kommt.
Erinnungen an den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 werden wach und mit ihm die auch damals erhobenen Vorwürfe eines Behördenversagens.
Die Union drängt schnell auf eine Sondsersitzung des Innenausschusses noch in diesem Jahr. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Throm von der CDU, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser aufgefordert, persönlich zu den Fragen der Abgeordneten Stellung zu nehmen. Das seien die Behörden den Opfern schuldig, so Throm.
Den Behörden lagen Warnungen vor
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe schon im Sommer 2023 einen Hinweis zu dem mutmaßlichen Täter von Magdeburg bekommen, wie die Behörde selber mitteilt. Dabei habe es sich um einen Hinweis über Social-Media-Kanäle gehandelt. Da die Behörde aber keine Ermittlungsbehörde sei, habe man die hinweisgebende Person an die zuständigen Stellen verwiesen.
Auch das Bundeskriminalamt soll Hinweise auf den mutmaßlichen Täter von Magdeburg erhalten haben. Laut Behörden-Chef Holger Münch hat das BKA im November 2023 einen Tipp aus Saudi-Arabien bekommen. Daraufhin seien auch ein Verfahren und Ermittlungen eingeleitet worden. Allerdings seien die Hinweise zu vage für konkrete Maßnahmen gewesen.
Auch der Ältestenrat des Landtags in Sachsen-Anhalt soll sich zu einer Sondersitzung treffen, um über die Hintergründe der Tat zu sprechen - im Beisein der Ministerien für Inneres und Soziales, die für den Maßregelvollzug in Sachsen-Anhanlt zuständig ist. Taleb A. arbeitete zuletzt als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Maßregelvollzug in Bernburg.
Wie der Spiegel berichtet, habe Taleb A. der Behörden bereits 2013 mit einer terroristischen Tat gedroht. Damals sei es um einen Streit mit der Ärztekammer des Landes Mecklenburg-Vorpommern gegangen. Für seine Facharztausbildung habe es Streitigkeiten über die Anerkennung von Prüfungsleistungen gegeben. Er soll der Ärztekammer daraufhin mit Handlungen gedroht haben, "die international Beachtung finden würden". Unter anderem habe er den "Anschlag von Boston im April 2013" erwähnt.
Das hat Taleb A. gepostet - fühlte er sich "allein gelassen im Kampf gegen den Islam" ?
Seit März 2016 ist der mutmaßliche Täter von Magdeburg auf Twitter, inzwischen X, vertreten und hat dort mehr als 120.000 Posts veröffentlicht. Er nutzte die Plattform hauptsächlich zur Demonstration seiner Abkehr vom Islam.
Sein letzter Beitrag auf X besteht aus vier Videos mit teils sehr wirrem Inhalt und Vorwürfen gegenüber der deutschen Regierung, der Justiz und der Polizei. Der MDR fasst den Inhalt seiner Beiträge so zusammen: "Die Politik der offenen Grenzen, die von deutschen Linken vertreten werde, ziele demnach in Wahrheit auf die Islamisierung Europas ab. Sie öffnen ihre Grenzen für Islamisten, die illegal einreisen, doch sobald es um Ex-Muslime geht, die legal ankommen, unterziehen sie diese einer regelrechten Folter."
Taleb A. trat in den sozialen Netzwerken gegen das saudische Regime auf und unterstützte Frauen aus Saudi-Arabien bei der Asylsuche in Deutschland. Er vertrat die Meinung, dass Deutschland mit Saudi-Arabien kooperiere, um eine Islamisierung Europas zu erreichen.
Der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sagte gegenüber mehrerer Medien, dass Profil und Motivlage von Taleb A. sehr untypisch seien und zum jetztigen Ermittlungsstand noch zu diffus für eine Bewertung. Auch der Generalbundesanwalt sage noch nicht eindeutig, wie der Sachverhalt einzuordnen sei.
Taleb A. hat in der Vergangenheit islamfeindliche Einstellungen geäußert und sich auch mit rechtsextremen Plattformen beschäftigt. Er verübte womöglich einen Racheakt gegen seine neue Heimat Deutschland, die ihn in seinem Kampf gegen den Islam allein gelassen habe, wie er es beschreibt.