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Verstößt die Beschlagnahme eingefrorener russischer Vermögenswerte gegen internationales Recht?

Eine Straße in Moskau.
Eine Straße in Moskau. Copyright  AP
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Von Estelle Nilsson-Julien
Zuerst veröffentlicht am
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In der EU häufen sich die Forderungen, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu beschlagnahmen und zur Unterstützung der Ukraine zu verwenden. Doch wäre das überhaupt legal?

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In der Europäischen Union ist man sich uneinig, ob die geschätzten 210 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Vermögenswerten beschlagnahmt werden können, um das ukrainische Militär zu unterstützen und beim Wiederaufbau des Landes zu helfen.

Während Russland diese Pläne als "Diebstahl" bezeichnet hat, prüfen die europäischen Regierungen, die die ukrainischen Kriegsanstrengungen unterstützen, ob ein solcher Schritt nach internationalem Recht tatsächlich zulässig wäre.

Die Gesamtsumme der von der EU, den USA und anderen Verbündeten eingefrorenen Vermögenswerte, seit Russland seine umfassende Invasion in der Ukraine begonnen hat, wird auf 274 Milliarden Euro geschätzt.

Die Vermögenswerte gehören der russischen Zentralbank und wurden ursprünglich als kurzfristige Staatsanleihen gehalten, die als staatliche Reserven in internationaler Währung dienten. Die Anleihen sind inzwischen fällig geworden und häufen sich in Form von Bargeld an.

Der größte Teil der Vermögenswerte, 183 Milliarden Euro, wird bei Euroclear, einer belgischen Clearingstelle für Finanztransaktionen, gehalten.

Die Gemengelage wird dadurch verkompliziert, dass Zentralbankguthaben, die sich im Ausland befinden, nach internationalem Recht der Gerichtsbarkeit entzogen sind.

"Ein Gerichtsbeschluss, der der Regierung befiehlt, die Vermögenswerte Russlands zu beschlagnahmen, wäre nach internationalem Recht und nach nationalem Recht, das internationales Recht einbezieht, illegal", erklärt Federico Luco Pasini, Professor für Finanzrecht an der Universität Durham, gegenüber Euronews.

Aber es gibt andere Möglichkeiten. "Wenn es eine Entscheidung der Regierung gibt, die Vermögenswerte zu beschlagnahmen, könnte dieses Problem möglicherweise umgangen werden", so Pasini.

Ein nationales Gericht kann also zwar keine Entscheidung zur Beschlagnahme von Vermögenswerten treffen, ein Regierungsdekret oder eine Verordnung der Europäischen Kommission könnte dies jedoch.

Die einzige legale Option: "eine Gegenmaßnahme"

Darüber hinaus können russische Vermögenswerte nach internationalem Recht nur dann rechtmäßig beschlagnahmt werden, wenn es sich um eine "Gegenmaßnahme" handelt.

Gegenmaßnahmen sind Mechanismen, die von Staaten als Reaktion auf einen Verstoß gegen das Völkerrecht durch einen anderen Staat ergriffen werden. Sie müssen zeitlich begrenzt und reversibel sein, und in der Rechtswissenschaft herrscht Uneinigkeit, ob die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte diese Bedingungen erfüllt.

"Eine Gegenmaßnahme wird ergriffen, um die Einhaltung der Vorschriften zu erreichen, sie ist keine Vergeltungsmaßnahme", sagt Pasini gegenüber Euronews. "Das bedeutet, dass Russland die Möglichkeit haben sollte, zu sagen: 'Es tut mir leid, ich werde alles wiedergutmachen. Ich werde Schadenersatz zahlen und dann lasst ihr mein Vermögen in Ruhe und rührt es nicht an'", erklärt er weiter.

Beschlagnahme von Zinsen ist legal

Obwohl sie die russischen Vermögenswerte nicht vollständig beschlagnahmt, sondern lediglich eingefroren haben, haben die EU-Mitgliedstaaten im Mai 2024 damit begonnen, die Zinsen aus den Vermögenswerten zu beschlagnahmen, um die militärischen Anstrengungen der Ukraine zu finanzieren.

"Dies ist legal, da die Rechtsprechung bestätigt, dass die Veräußerung von Zinsen die Anforderungen an eine Gegenmaßnahme erfüllt", so Pasini gegenüber Euronews.

Rechtswissenschaftlern zufolge ist die Beschlagnahme von Zinsen praktikabel, da der Verlust von Zinsen und Gewinnen in der Regel reversibel ist.

Wer würde eine Beschlagnahme unterstützen?

Zu den EU-Ländern, die die Beschlagnahme eingefrorener russischer Vermögenswerte unterstützen, gehören die Tschechische Republik, Estland und Polen. Erst letzten Monat schlug der polnische Ministerpräsident Donald Tusk in einem Posting auf X vor: "Lasst uns unsere Hilfe für die Ukraine aus den eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanzieren."

Aber Frankreich, Deutschland und Belgien haben sich alle gegen eine vollständige Beschlagnahme ausgesprochen. Der französische Europaminister Benjamin Haddad sagte letzten Monat vor dem französischen Parlament, dass "die reine und einfache Beschlagnahme dieser Vermögenswerte ein zu großes finanzielles Risiko für die Eurozone, für die Europäische Zentralbank darstellen würde".

Die Gegner der Beschlagnahme befürchten, dass Länder und Investoren davon abgehalten werden könnten, künftig europäische Finanzinstitute zu nutzen, weil sie befürchten, dass ihr eigenes Vermögen beschlagnahmt werden könnte. Sie argumentieren, dass dies die Stärke des Euro als internationale Währung für staatliche Reserven untergraben würde.

Es wird auch befürchtet, dass Länder wie China und Saudi-Arabien ihre europäischen Anleihen verkaufen könnten.

Letztlich, so Pasini, sei eines der Haupthindernisse für die Befürworter einer Beschlagnahme die Tatsache, dass "die Regierungen keinen Präzedenzfall schaffen wollen, insbesondere die Europäische Kommission".

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