Nach der Hochstufung als "gesichert rechtsextremistische Partei" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz will sich die AfD juristisch zur Wehr setzen. In Deutschland gab es positive, aber auch kritische Reaktionen. Die Debatte über ein Parteiverbot erhält neue Nahrung.
Die "Alternative für Deutschland" setzt sich gegen die Hochstufung des Verfassungsschutzes juristisch zur Wehr. Nach ARD-Informationen lässt sie das Bundesamt zunächst einmal abmahnen, da die Einstufung rechtswidrig sei.
An diesem Freitag Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte die AfD an diesem Freitag als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. 2021 war die Partei als Verdachtsfall eingestuft worden. Im Mai 2024 hatte sie erfolglos versucht, dies gerichtlich anzufechten. Bislang waren einzelne Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vom BfV schon als rechtsextremistische Organisationen eingestuft worden.
Der Verfassungsschutz sieht es nun als erwiesen an, dass die AfD als Gesamtpartei eine die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung aufweist und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist. Die Bewertung basiert auf zahlreichen Anhaltspunkten, die sich laut dem Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren "verdichtet" hätten. Berücksichtigt wurden demnach die Wahlkampfführung der Partei in den letzten drei Landtagswahlen, das Verhältnis zwischen der AfD und der gesichert rechtsextremistischen "Jungen Alternative" (JA) und der Wahlkampf für die vorgezogene Bundestagswahl in diesem Jahr.
AfD: Entscheidung politisch motiviert
Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei ein schwerer Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie, erklärten die AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla in einer Pressemitteilung: Die AfD würde als Oppositionspartei "öffentlich diskreditiert und kriminalisiert".
In aktuellen Umfragen führe sie als stärkste Kraft. "Die Bundesregierung ist nur noch vier Tage im Amt. Der Geheimdienst verfügt noch nicht einmal mehr über einen Präsidenten. Und die Einstufung als sog. ‚Verdachtsfall‘ ist nicht rechtskräftig abgeschlossen. Trotzdem wird die AfD als Oppositionspartei nun kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert. Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert."
Marc Bernhard, Sprecher der Landesgruppe Baden-Württemberg, bezeichnete den Versuch, die AfD erst "auszugrenzen und dann auszuschließen", als "verzweifelten Akt einer abgewählten Regierung", einen "Staatsstreich der SPD, der nicht funktionieren wird."
"Faesers undemokratischer Versuch, mit der AfD die Hälfte des bürgerlichen Lagers auszugrenzen, wird scheitern und die Genossen auch nicht retten", erklärte Bernhard. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte ihrerseits, dass auf das neue Gutachten des Verfassungsschutzes kein politischer Einfluss genommen worden sei und die Behörde eigenständig arbeite.
Die AfD-Abgeordnete Christin Brinker nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes "hochgefährlich". Dass der Inlandsgeheimdienst in die demokratische Meinungsbildung eingreife, sei nur in "autoritären Systemen" möglich. Auch die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch sieht die Demokratie in Gefahr. Eine abgewählte Regierung, die heute nur noch "kommissarisch" im Amt sei, "erklärt die Opposition zu einer extremistischen Gefahr für die Demokratie", teilte von Storch auf Facebook aus.
Bei den vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar war die AfD zweitstärkste Kraft geworden, seitdem legte sie in Umfragen weiter zu, aktuell steht sie in den meisten Umfragen bundesweit noch vor der CDU/CSU auf Platz eins.
Designierter Innenminister erwartet gerichtliche Überprüfung
Der bisherige Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, der neuer Innenminister werden soll geht davon aus, dass es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Einstufung kommen wird. "Unabhängig davon führt das Gutachten zwingend dazu, dass eine weitere Beobachtung der AfD stattfinden wird."
Der Jurist und Ex-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte gegenüber Euronews: "Der Kampf gegen die AfD ist ein politischer und kein verwaltungsrechtlicher. Ich hoffe trotzdem, dass das Gutachten sauber ausgearbeitet und belastbar ist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich wahrlich nicht immer mit Ruhm bekleckert in der Vergangenheit." Kubicki glaubt nach eigenen Worten nicht, dass die Entscheidung des BfV der Partei schaden werde.
Harte Kritik kam vom Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht an der Carl von Ossietzky- Universität Oldenburg, der ebenfalls politisches Kalkül der Innenministerin dahinter vermutet: "Der Vorgang ist skandalös. Der Verfassungsschutz fällt ein hartes Urteil, begründet es wenig plausibel und hält die angeblichen Belege für seine Einschätzung geheim", so Boehme-Neßler im Gespräch mit euronews. Der Verfassungsschutz dürfe zwar Unterlagen geheim halten, sich dann aber nicht in die Politik einmischen. Rechtlich hätte die Einschätzung keine Auswirkungen, für ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht würden andere Kriterien gelten.
Debatte um Verbotsverfahren neu entfacht
Die Hochstufung vom "Verdachtsfall" zum "gesichert rechtsextremistischen Fall" hat zur Folge, dass das BfV die Partei nun leichter überwachen, Ton- und Bildaufnahmen machen, Telefone abhören und sogar Informanten innerhalb der Partei einsetzen kann. Die neue Einschätzung gilt als möglicher erster Schritt hin zu einem Parteiverbot - was mehrere Politiker, darunter Mitglieder von CDU und Linke, gefordert hatten.
Zu solch einem möglichen Verbot äußerten sich der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Innenministerin an diesem Freitag zurückhaltend. Von mehreren Politikern und Prominenten wie der Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer wurde jedoch die Forderung nach einem Verbotsverfahren laut.
Mögliche Konsequenzen für AfD-Beamte?
Für Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst, die AfD-Mitglieder sind, könnte die neue Einstufung auf lange Sicht möglicherweise ebenfalls Auswirkungen haben: Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte gegenüber Euronews, "unsere Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssen die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten", und kündigte an, er wolle dies kurzfristig zum Thema der nächsten Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven machen. Er strebe ein einheitliches Vorgehen der Bundesländer an.
Die Hochstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei das Ergebnis einer weiteren Radikalisierung der Partei in den vergangenen Monaten. Die AfD trage auch Verantwortung für eine Verrohung der Debatte in unserem Land. Die veränderte Debattenkultur biete einen Nährboden für rechtsextrem motivierte Straftaten.