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Merz-Besuch in Ankara: Differenzen mit Erdogan beim Thema Israel

Erdoğan und Merz vor ihrem Treffen im Präsidentenpalast in Ankara, 30. Oktober 2025.
Erdoğan und Merz vor ihrem Treffen im Präsidentenpalast in Ankara, 30. Oktober 2025. Copyright  AP Photo
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Von Euronews
Zuerst veröffentlicht am
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Bundeskanzler Merz hat bei seinem Besuch in Ankara die guten deutsch-türkischen Beziehungen hervorgehoben und einen Ausbau der Zusammenarbeit gefordert. In der Frage Israel und Gaza gab es deutliche Differenzen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) setzt auf einen Neustart im Verhältnis zur Türkei. Ziel ist eine strategische Partnerschaft nach Jahren offener Differenzen. Bei einem Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan standen unter anderem die Lage in Gaza, der Ukraine-Krieg, die Rüstungszusammenarbeit und Migrationsfragen auf der Agenda.

Zum Auftakt seines Antrittsbesuchs legte Merz am Morgen einen Kranz im Mausoleum des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk in Ankara nieder. Im Gedenkbuch schrieb er: "Seine Ideen wirken bis heute in der tief gewachsenen Freundschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkiye nach."

Bei der Pressekonferenz am Nachmittag gab es Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Gaza-Krieges. Während Merz sich deutlich auf die Seite Israels stellte, warf Erdoğan dem Land erneut "Völkermord" vor.

Israel habe trotz des Waffenstillstands erneut Ziele in Gaza angegriffen, erklärte Erdoğan. "Sie greifen Gaza nicht nur an, sondern waren stets darauf bedacht, Gaza mit Hunger und Genozid gefügig zu machen – und das dauert immer noch an."

Erdoğan: Kann Merz "leider nicht zustimmen"

Erdoğan reagierte damit auf eine Äußerung von Merz. Auf die Frage eines türkischen Journalisten zum Gaza-Krieg erklärte Merz, Israel sei ein Zufluchtsort für Millionen Jüdinnen und Juden geworden, viele von ihnen Überlebende des Holocaust. "Deswegen wird es immer so sein, dass Deutschland fest an der Seite des Staates Israel steht", betonte er.

Der Bundeskanzler sagte: "Israel hat von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht und es hätte nur einer einzigen Entscheidung bedurft, um auch die zahllosen unnötigen Opfer zu vermeiden. Die Hamas hätte die Geiseln früher freilassen sollen und die Waffen niederlegen müssen. Dann wäre dieser Krieg sofort zu Ende gewesen."

Erdogan sagte daraufhin, er könne Merz leider nicht zustimmen. Die Hamas habe keine Nuklearwaffen und keine Bomben, aber Israel verfüge über all diese Waffen und habe Gaza trotz des Waffenstillstands wieder bombardiert.

"Sie greifen Gaza nicht nur an, sondern waren stets darauf bedacht, Gaza mit Hunger und Genozid gefügig zu machen und das dauert immer noch an", sagte Erdoğan.

Vorher hatte Merz der Türkei eine engere Zusammenarbeit vorgeschlagen. "Als Deutsche und als Europäer sollten wir unsere strategischen Partnerschaften stärken. Dabei führt kein Weg an einer stabilen und intensiven Partnerschaft mit der Türkei vorbei", betonte er.

Merz würdigte die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei als "wertvoll" und "in einer einzigartigen Weise breit und tief". Dabei hob der Kanzler insbesondere die Rolle der Menschen hervor, die als sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren: "Ohne diese Menschen und ohne diese Familien hätte Deutschland vor 60 Jahren den wirtschaftlichen Aufschwung nicht so beginnen können, wie wir ihn begonnen haben."

"Die einzigartigen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei setzen sich fort", lobte Erdogan und kündigte an, das Handelsvolumen, das die 50-Milliarden-Euro-Marke geknackt hat, alsbald auf 60 Milliarden Euro zu erhöhen. "Wir sollten die Schwierigkeiten der Beschaffung von Waffen aufgrund der Situation hinter uns lassen."

Türkei "eng an der Seite der EU"

Der deutsche Bundeskanzler sicherte Erdogan deutsche Unterstützung bei der angestrebten EU-Mitgliedschaft der Türkei zu. "Ich sehe persönlich und die Bundesregierung sieht die Türkei eng an der Seite der Europäischen Union. Wir wollen den Weg nach Europa weiter ebnen."

Merz verwies zugleich auf die Kopenhagener Kriterien für einen EU-Beitritt und erklärte:

"Der Weg in die EU ist einer, der über die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien führt. In der Türkei sind Entscheidungen getroffen worden, die dem noch nicht entsprechen", sagt Merz. Er wolle, dass die Türkei eine wichtige Rolle in der EU spiele, auch jetzt schon. "Ich habe aber meine Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass die Standards der Rechtsprechung noch nicht dem entsprechen, was wir in der EU wollen. Aber das ist Gegenstand der Gespräche."

Kurz vor dem Besuch des Kanzlers war ein neuer Haftbefehl gegen den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister erlassen worden.

Abgeordnete der SPD hatten von Merz vor der Reise ein klares Signal an Ankara gefordert. "Wenn man sich anschaut, was in der Türkei aktuell passiert, dann glaube ich, dass man hinter verschlossenen Türen den türkischen Präsidenten ganz deutlich darauf hinweisen muss, dass das nicht geht, was er macht", sagte der SPD-Politiker und Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft, Macit Karaahmetoglu der Nachrichtenagentur AFP.

Den Erwerb von Eurofighter-Kampfflugzeugen durch die Türkei wertete der Kanzler als Beitrag zur Sicherheit aller NATO-Partner. "Deutschland und die Türkei teilen als NATO-Partner gemeinsame Sicherheitsinteressen. In Ankara wie in Berlin ist man sich einig: Russlands militante Revisionen bedrohen die gesamte euro-atlantische Sicherheit", betonte Merz.

Bei einem Besuch des britischen Premierministers Keir Starmer in Ankara war am Montag eine Vereinbarung über den Kauf von 20 Eurofightern im Wert von 9,1 Milliarden Euro unterzeichnet worden.

Die Türkei plant den Erwerb von insgesamt 40 dieser Kampfflugzeuge. Unter der Ampel-Regierung hatte Deutschland die Lieferung der Jets an die Türkei noch blockiert.

Charlotte Merz, Ehefrau des CDU-Politikers, begleitete ihn nach Ankara. Die Einladung hatte Emine Erdogan, die Frau des türkischen Präsidenten, bereits im Juni beim Essen des niederländischen Königspaars anlässlich des NATO-Gipfels ausgesprochen.

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