Ein digitaler "Ärzte-Lotse" soll zudem Praxen entlasten und Termine koordinieren. Die SPD sieht beim Rettungs- und Notfalldienst Einsparpotenzial.
Patienten könnten künftig bei jedem Arztbesuch eine sogenannte "Kontaktgebühr" von drei bis vier Euro zahlen – zumindest wenn es nach dem Vorsitzenden der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, geht. So könnten die Einnahmen der Krankenkassen erhöht werden, wie Gassen der Bild-Zeitung sagte. Die Gebühr müsse "sozial verträglich gestaltet werden, damit niemand überfordert wird."
Zusätzlich schlägt Gassen die Einführung eines digitalen "Ärzte-Lotsen" vor, der Patienten berät, Arztbesuche koordiniert und so unnötige Doppel- oder Dreifachbehandlungen vermeiden soll. Über die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116 117) könnte der Lotse erreichbar sein. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) spricht sich für höhere Eigenbeteiligungen aus: Krankenhausaufenthalte sollen nach ihrem Vorschlag von zehn auf 20 Euro pro Tag teurer werden. Patienten, die ohne telefonische Beratung ein Notfallzentrum aufsuchen, könnten künftig 30 bis 40 Euro zahlen.
Kritik von Hausärzten und SPD
Nicht alle sehen Gassens Vorschlag positiv: Hausärztin Nicola Buhlinger-Göpfarth, Ko-Vorsitzende des Hausärzteverbands, warnt vor hohen Belastungen für Patienten – insbesondere für chronisch Kranke, die häufig medizinische Betreuung benötigen. "Unserer Ansicht nach stabilisiert eine Gebühr für jeden Arztbesuch weder die Finanzen des Gesundheitssystems, noch wäre sie sozialverträglich", sagt Buhlinger-Göpfarth im Gespräch mit dem Spiegel. Sie erinnert daran, dass die Praxisgebühr in der Vergangenheit abgeschafft wurde, weil sie das System nicht entlastete und in den Praxen schwer umzusetzen war.
Buhlinger-Göpfarth kritisiert zudem, dass die Krankenkassenbeiträge bereits hoch sind: "Die Arbeitnehmenden zahlen aktuell je nach Krankenkasse etwa acht bis knapp zehn Prozent des Bruttolohns in die GKV ein. Dazu kommt noch mal der Arbeitgeberanteil in gleicher Höhe. Und jetzt sollen sie pro Arztkontakt noch einmal gesondert bezahlen?"
Als Alternative schlägt sie eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems vor: ein verbindliches Primärarztsystem, bei dem Patienten zuerst ihren Hausarzt aufsuchen und dieser bei Bedarf Spezialisten einbindet. Das System der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) könnte laut Gutachten des Sachverständigenrats aus 2024 Einsparungen von bis zu 20 Milliarden Euro pro Jahr durch weniger Krankenhausaufenthalte bringen.
Koalition plant milliardenschwere Einsparungen
Auch die Politik drängt auf Einsparungen: Politiker der schwarz-roten Koalition haben milliardenschwere Sparvorschläge für eine umfassende Gesundheitsreform angekündigt. Dazu gehören höhere Zuzahlungen für Patienten bei Arztbesuchen und Medikamenten.
Albert Stegemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sieht in einem Primärarztsystem großes Einsparpotenzial: Wenn Hausärzte als erste Anlaufstelle Patienten steuern und Facharztbesuche nur nach Überweisung erfolgen, könnten die Arztkontakte um zehn Prozent sinken – das würde bis zu fünf Milliarden Euro jährlich einsparen, wie er der Bild sagte.
SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis betont, dass Reformen gerecht verteilt werden müssen: "Jeder muss seinen Beitrag leisten: Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaunternehmen", erklärte er der Bild. Er sieht insbesondere im Rettungs- und Notfalldienst Einsparpotenzial: "Alleine die Reform des Rettungsdiensts würde Patientenströme effektiv steuern und könnte bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr einsparen."
Ziel der Bundesregierung ist, das Gesundheitssystem langfristig zu stabilisieren, steigende Kosten zu begrenzen und die Beiträge der Versicherten nicht weiter zu belasten. Dafür soll im neuen Jahr die gesetzliche Krankenkasse reformiert werden. Bis März soll eine Expertenkommission Vorschläge vorlegen.