Im Rahmen eines Trends, der den Medien zunehmend Kopfzerbrechen bereitet, verbreiten prorussische Akteure Propaganda über gefälschte Nachrichtenkanäle und geben sich als echte Journalisten aus.
Gefälschte Behauptungen, erfundene Zitate und ungenaue Berichterstattung können die Glaubwürdigkeit eines Journalisten und in manchen Fällen sogar seine Karriere zerstören. Aber was passiert, wenn ein Journalist seinen Namen und sein Foto auf einer Geschichte findet, die er gar nicht geschrieben hat?
Dies gibt es immer häufiger durch Kampagnen, die von pro-russischen Desinformationsakteuren durchgeführt werden. Einige von ihnen gehören zur Operation Storm-1516, einer russischen Propagandagruppe, die im Internet Fake News über die Ukraine und den Westen verbreitet.
Im Rahmen dieser Strategie wird die Arbeit seriöser Nachrichtensender - von Euronews über die BBC bis hin zu ABC News - nachgeahmt, und auch die Namen von Journalisten werden gestohlen.
Ein Journalist, der in den Mittelpunkt einer solchen Kampagne geriet, ist Romain Fiaschetti, ein Reporter aus Südfrankreich.
Im Juni erhielt er eine unerwartete Facebook-Anfrage - von der er annahm, dass es sich um Spam handelte - von einem Gynäkologen aus Paris.
"Haben Sie diesen Artikel veröffentlicht?", wurde er in der Nachricht gefragt - mit einem Link zu einem Artikel und einem Video, die am 25. Juni veröffentlicht wurde. Darin wurde behauptet, dass Orano - ein französisches Atommüllunternehmen - heimlich armenische Beamte besteche, damit sie Frankreichs nuklearen Abfall übernehmen.
"Ich habe meinen Namen und mein Konterfei in der Schlagzeile des Artikels gesehen, aber ich habe ihn nie geschrieben", sagte Fiaschetti, Journalist des französischen Unterhaltungsmagazins Public, dem Team von Euronews The Cube.
Der Fake News zufolge hatte das französische Unternehmen im Juni mit der Verbringung von Giftmüll nach Armenien begonnen, nachdem es Geld an eine Stiftung überwiesen hatte, die von Anna Hakobyan, der Ehefrau des armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinian, geleitet wurde.
Diese Behauptungen sind jedoch falsch: Das französische Recht verbietet das Verbringen von Abfällen ins Ausland, und sowohl die armenischen Behörden als auch Orano haben die Vorwürfe zurückgewiesen.
Der Artikel wurde auf der inzwischen eingestellten Website CourrierFrance24 veröffentlicht. Obwohl es schwierig ist, den genauen Ursprung der Website zu ermitteln - und wer genau sie eingerichtet hat - wurden die Behauptungen von aserbaidschanischen Medien sowie einer Reihe von pro-russischen Konten in sozialen Medien weiterverbreitet, von denen einige mit Storm-1516 verbunden sind.
Die Veröffentlichung von Artikeln auf Scheinnachrichtenkanälenwie CourrierFrance24 ist Teil einer kalkulierten Strategie, die darin besteht, einen vermeintlichen Enthüllungsartikel inmitten einer Reihe legitim aussehender Artikel zu platzieren.
Außerdem täuschen sie Glaubwürdigkeit vor, indem sie Namen annehmen, die denen seriöser Nachrichtenorganisationen ähneln: CourrierFrance24 ist eine Kombination aus Courrier International, einem Medium, das Artikel aus Hunderten internationalen Zeitungen übersetzt und veröffentlicht, und France 24, dem internationalen Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frankreich.
"Die ursprüngliche Website enthielt fünf oder sechs Seiten mit Artikeln, die meinen Namen trugen", so Fiaschetti, "und auch die Namen von zwei meiner Kollegen waren gefälscht. Als ich versuchte, eine E-Mail an die Website von CourrierFrance24 zu schicken, kam meine Nachricht sofort zurück."
In den darauffolgenden Tagen erhielt Fiaschetti Nachrichten von aserbaidschanischen Journalisten, die ihm zu einer "ausgezeichneten Untersuchung" gratulierten, wie sie es nannten.
"Ich hatte Angst, dass ich Drohungen von Leuten erhalten könnte, die über diese Geschichte verärgert waren", erklärte Fiaschetti. "Ich habe in den sozialen Medien Stellungnahmen veröffentlicht, um die Leute darauf hinzuweisen, dass der Artikel nicht von mir stammte. Ich habe bei der Polizei eine Anzeige wegen Identitätsdiebstahls erstattet, aber ich weiß nicht, ob das etwas gebracht hat."
"Ich habe vor ein paar Jahren einige Artikel über Putin und seine Frau geschrieben, aber das ist nicht mein Hauptbereich, also ich verstehe nicht, warum ich".
Fake News organisiert wie PR
Die von pro-russischen Akteuren angewandten Desinformationstechniken sind nach Ansicht von Experten weniger komplex, als man annehmen könnte.
"Die Menschen stellen sich russische oder andere Beeinflussungsoperationen oft als etwas sehr Kompliziertes und Aufwändiges vor, aber meistens sind sie sehr manuell und werden von Unternehmen durchgeführt, die mit PR-Firmen vergleichbar sind", sagt Guillaume Kuster, Gründer von CheckFirst - einem finnischen Softwareunternehmen, das Desinformations- und ausländische Beeinflussungsoperationen verfolgt - im Gespräch mit The Cube.
"Es gibt eine Reihe von Diensten und Agenturen, mit denen man für 10 oder 12 Dollar pro Monat Kampagnen durchführen kann", so Kuster.
Eine weitere Journalistin, die sich fragte, "warum ich", ist die freiberufliche Kulturreporterin Helen Brown, die für eine Reihe von Publikationen schreibt, darunter für die britische Zeitung The Telegraph.
Brown war erstaunt, als sie auf X eine Nachricht von einem AFP-Journalisten erhielt, der Fakten überprüfte und einen Link zu einer Geschichte lieferte, in der behauptet wurde, dass ein Mitarbeiter des ukrainischen Antikorruptionsbüros mit Beweisen für die angebliche Verwicklung von Präsident Wolodymyr Selenskyj in ein 1,2 Milliarden Euro schweres Veruntreuungsgeschäft mit Luxusimmobilien nach Europa geflohen sei.
Die Geschichte wurde auf einer Website namens "London Telegraph" veröffentlicht und einer Journalistin namens "Charlotte Davies" zugeschrieben. Neben Davies' Namen stand jedoch das Foto von Helen Brown - sehr zu ihrem Entsetzen.
"Ich habe das Gefühl, dass man als Journalistin sein Profil veröffentlichen muss, aber so sehr mir die Veröffentlichung meines Fotos und meiner Identität im Internet auch Glaubwürdigkeit verleiht, so sehr habe ich doch gemerkt, dass es auch manipuliert werden kann, um eine falsche Identität zu schaffen", sagt Brown in einem Interview.
"Ich bin keine Politik-Korrespondentin, also war es nicht allzu schlimm, ich bin eine Kulturjournalistin", erklärt Brown. "Hätten sie jedoch mein Profil benutzt, um schädliche Gerüchte über einen Popstar in die Welt zu setzen, wäre das für mich rufschädigender gewesen."
In anderen Fällen sind diejenigen, die direkt an der Bekämpfung der Verbreitung pro-russischer Desinformationen arbeiten, tatsächlich die Hauptzielscheibe für Identitätsklau.
Gegen Identitätsklau zu Wehr setzen
Radu Dumitrescu ist ein rumänischer Journalist, der für Romania Insider über Politik, einschließlich Wahlbeeinflussung in Rumänien und Moldawien, berichtet.
Vor diesem Hintergrund war er überrascht, dass sein Name mit einer Geschichte über genau die Art von Propaganda in Verbindung gebracht wurde, die er zu entschlüsseln versucht.
Die im Mai veröffentlichte Geschichte, die immer noch online ist, trug seinen Namen und verbreitete die falsche Behauptung, Maia Sandu habe 2,6 Millionen Dollar an USAID-Geldern veruntreut. Dies reiht sich in eine lange Liste von Korruptionsvorwürfen ein, die Sandu vor den Wahlen in Moldau im September zum Ziel hatten.
"Ich weiß, dass solche Dinge passieren, aber man erwartet nie, dass es einen selbst trifft", sagte Dumitrescu zu The Cube, "ich halte mich nicht für eine so wichtige Stimme in der rumänischen Medienlandschaft, aber vielleicht ist das ein Grund, warum ich ausgewählt wurde."
"Leider haben wir noch keine rechtlichen Schritte unternommen, um die Website zu entfernen; unser Team ist klein. Wir haben nicht wirklich die Ressourcen, um einen Rechtsstreit zu beginnen oder so lange aufrechtzuerhalten, aber wir werden es wahrscheinlich tun, wenn es weitergeht oder sich wiederholt", sagte Dumitrescu.
Diese Propagandataktik, die Erzählung umzudrehen oder zu ändern, wird immer wieder angewandt.
So entdeckte beispielsweise Benoit Viktine, ehemaliger Moskau-Korrespondent der französischen Zeitung Le Monde, seinen Namen unter einem Artikel, in dem behauptet wurde, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe ein Vermögen für einen Luxus-Kriegsbunker ausgegeben, um sich auf den Dritten Weltkrieg vorzubereiten.
Der Artikel wurde auf einer Website namens "brutinfo[.]fr" veröffentlicht - ein Name, der die echte französische Nachrichtenplattform "Brut" imitiert.
Obwohl Viktine noch nie eine derartige Geschichte über Macron geschrieben hat, hatte er zuvor über den Bunker berichtet, in dem Wladimir Putin während der COVID-19-Pandemie Zuflucht gesucht hat.
Für Kuster ist es wichtig, dass Journalisten und Medienunternehmen Maßnahmen ergreifen, wenn ihre Identitäten übernommen oder nachgemacht werden.
"Journalisten sollten die Plattformen darüber informieren, dass ihr Name oder der Name ihrer Organisation unrechtmäßig verwendet wurde", sagte er. "Viele Journalisten denken, gegen wen kämpfen wir eigentlich?"
"Die EU-Verordnung über digitale Dienste schreibt jedoch vor, dass die Plattformen über Melde- und Aktionsverfahren verfügen müssen", erklärt Kuster. "Diese Maßnahmen sind Instrumente, mit denen wir versuchen, diese Propagandaaktionen zu bremsen."