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Wieder Neuwahlen in Portugal? Wie es so weit kam

Marcelo und Montenegro in Belém am Vorabend des Misstrauensantrags
Marcelo und Montenegro in Belém am Vorabend des Misstrauensantrags Copyright  AP Photo
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Von Joana Mourão Carvalho
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Das Parlament stimmt an diesem Dienstag über die Vertrauensfrage des Regierungschefs Luís Montenegro ab. Eine Ablehnung würde den Rücktritt der Regierung bedeuten. Der Staatspräsident der Republik hat schon Neuwahlen im Mai in Aussicht gestellt.

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Portugal befindet sich wieder einmal in einer politischen Krise - unerwartet ins Rollen gebracht durch einen Bericht, der das Familienunternehmen des konservativen Regierungschefs Luís Montenegro von der Sozialdemokratischen Partei mit einem potenziellen Interessenkonflikt in Verbindung brachte.

Zwei Misstrauensanträge binnen zwei Wochen, ein Ministerpräsident, der die Vertrauensfrage androht, und Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa erwägt für Mai Parlaments-Neuwahlen.

Auslöser für diese Entwicklung war die Enthüllung, dass das Familienunternehmen Montenegro 4.500 Euro von einer Kasino-Gruppe erhalten hatte, über deren Konzessionsverträge die Regierung in diesem Jahr zu entscheiden hat.

Nach einer anonymen Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft und dem Vorschlag der Opposition, eine parlamentarische Untersuchung durchzuführen, wollte Luís Montenegro, der eine Minderheitsregierung anführt, mit der Faust auf den Tisch hauen und erklärte, dass das Land eine politische Klärung brauche und dass "zwei Monate Instabilität besser sind als anderthalb Jahre Degradierung".

Wie kam es so weit?

Am 15. Februar berichtete die portugiesische Tageszeitung Correio da Manhã , dass die Frau und die Kinder von Luís Montenegro Teilhaber eines "Unternehmens für den Kauf und Verkauf von Immobilien", Spinumviva, seien. Nach Angaben der Zeitung wurde die letzte Änderung des Unternehmenszwecks, der sehr umfangreich ist, am 9. April 2024 vorgenommen, eine Woche nach dem Amtsantritt der Regierung Montenegro.

Das Unternehmen, dessen Haupttätigkeit die Beratung ist, das aber auch im An- und Verkauf von Immobilien, im Weinbau und in anderen beratenden, wissenschaftlichen, technischen und ähnlichen Bereichen tätig ist, war bis 2022 im Besitz von Luís Montenegro, seiner Frau und seinen beiden Kindern.

Der spätere Ministerpräsident war geschäftsführender Gesellschafter und hielt den größten Anteil, verließ Spinumviva jedoch einen Monat nach seiner Wahl zum Präsidenten der Sozialdemokratischen Partei im Jahr 2022. Sein Anteil wurde an seine Frau, die Mehrheitsaktionärin blieb, und seine beiden Kinder verteilt.

Da er jedoch in Erwerbsgemeinschaft verheiratet ist, könnte Montenegro weiterhin von den Gewinnen des Unternehmens profitieren. Und dieses könnte seinerseits wiederum von dem neuen Bodengesetz profitieren. Das neue Gesetz erleichtert die Umwandlung von ländlichem in städtisches Gebiet.

In seiner Antwort auf diese erste Meldung über den Fall bezeichnete der Regierungschef die Möglichkeit eines Interessenkonflikts als "absurd" und betonte, dass "kein Immobiliengeschäft im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung" des Bodenrechts "jemals Gegenstand der Tätigkeit des Unternehmens war, ist und sein wird".

Am folgenden Tag drohte der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Chega, André Ventura mit einem Misstrauensantrag gegen die Regierung, falls der Ministerpräsident nicht innerhalb von 24 Stunden den möglichen Interessenkonflikt gegenüber dem Land erklären würde. Das Ultimatum wurde ignoriert, auch nachdem Ventura die Frist bis zum nächsten Tag verlängert hatte. Das von Chega initiierte Misstrauensvotum am 21. Februar scheiterte schließlich an der Ablehnung der anderen Parteien, die unter anderem keine Neuwahlen provozieren wollten. In der Debatte über den Misstrauensantrag erläuterte Luís Montenegro zwar den Fall vor dem Parlament, weigerte sich aber trotz Aufforderung durch die Opposition, die Namen der Auftraggeber zu nennen, und zwar aus Gründen der "Geheimhaltung".

Fast eine Woche später enthüllte ein Bericht in der Correio da Manhã, dass Luís Montenegro während der vorletzten Regierung von António Costa der Anwalt der Hotel- und Casino-Kette Solverde bei Verhandlungen mit dem Staat war, die zu Ergänzungen der Konzessionsverträge für den Betrieb des Glücksspiels in den Casinos an der Algarve und in Espinho führten. Der Konzessionsvertrag läuft in diesem Jahr aus, und die Regierung von Montenegro entscheidet, wie es weitergehen soll.

Einen Tag später, am 28. Februar, berichtete die Wochenzeitung Expresso, dass Spinumviva seit Juli 2021 eine monatliche Gebühr von 4.500 Euro von der Solverde-Gruppe erhalte. Die Zeitung enthüllte, dass das Unternehmen "spezialisierte Dienstleistungen für die Einhaltung von Vorschriften und die Festlegung von Verfahren im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten" erbringt, was von der Solverde-Gruppe bestätigt wurde. Solverde weigerte sich jedoch zu sagen, wer genau die Dienstleistungen erbringt, die diesen Vertrag rechtfertigen.

Stunden später gab Luís Montenegro bekannt, dass er für Samstag, den 1. März, einen außerordentlichen Ministerrat einberufen hat. An diesem Tag werde er eine Erklärung vor dem Land abgeben und mit der Vertrauensfrage drohen, falls die Opposition sein Verhalten weiterhin in Frage stelle. Im Anschluss an Montenegros Erklärung, kündigte die oppositionelle Sozialistische Partei ihre Absicht an, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Familienunternehmen von Luís Montenegro vorzuschlagen.

Am 5. März erklärte Montenegro, er sei zur Vertrauensfrage bereit. Wenig später kündigte die Kommunistische Partei ihrerseits einen Misstrauensantrag an.

In der Zwischenzeit leitete die Anwaltskammer eine Untersuchung ein, und die Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, dass sie eine anonyme Beschwerde über den Fall prüfe. Berichte über Immobilienkäufe von Luís Montenegro und seinen Söhnen veranlassten den Regierungschef außerdem, eine Prüfung seiner Einkommenserklärungen zu verlangen.

Ablehnung des Vertrauensantrags öffnet die Tür für Neuwahlen

Am späten Mittwochnachmittag sagte Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, er wolle "die Debatte und die Abstimmung über den Vertrauensantrag abwarten", um zu verstehen, ob dieser angenommen oder abgelehnt werde. Er räumte jedoch ein, dass im Falle eines Regierungssturzes "der frühestmögliche Termin" für eine Neuwahl zwischen dem 11. und 18. Mai liege.

Am Donnerstag billigte der Ministerrat den Vertrauensantrag, der der Versammlung der Republik vorgelegt werden soll.

Chega-Chef André Ventura kündigte schon an, dass seine Partei, die drittstärkste Kraft im Parlament, Vertrauensantrag ablehnen werden. Der Generalsekretär der Sozialisten Partei, Pedro Nuno Santos, bestätigte dies auch für seine Partei und warf Luís Montenegro vor, er ziehe Wahlen einer Untersuchungskommission vor. Durch die Vorverlegung der Wahlen entzieht sich der Chef der Exekutive der Kontrolle des Parlaments.

Mit den Gegenstimmen der PS und der Chega würde die Vertrauensfrage mit einfacher Mehrheit zurückgewiesen, was den Rücktritt der Regierung zur Folge hätte. Damit wäre der Weg frei für die Neuwahl.

Die Entscheidung liegt jedoch bei Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa, der nach Anhörung aller Parteien entscheiden muss, ob er das Parlament auflöst und Neuwahlen ansetzt oder nicht. Die Debatte und Abstimmung über die Vertrauensfrage sollen am 11. März, stattfinden, ein Jahr und einen Tag nach der ebenfalls vorgezogenen Parlamentswahl 2024.

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