Putin-Herausforderer: "Russland ist aufgewacht"

Putin-Herausforderer: "Russland ist aufgewacht"
Von Euronews
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Im russischen Präsidentschaftswahlkampf fällt ein Mann besonders auf: Michail Prochorow. Er ist der einzige unter den Kandidaten, der sich zum ersten Mal bewirbt. Außerdem ist der Milliardär der einzige unabhängige und parteilose Kandidat. Klare erste Frage also: Was treibt ihn, den erfolgreichen Geschäftsmann, in die Politik?

Michail Prochorow:

Jeder Mensch muss sich weiterentwickeln. Wer damit aufhört, kann sich zur Ruhe setzen. Wenn man erkennt, dass man als Geschäftsmann einiges erreicht hat und seinem Land auf diesem Gebiet nicht weiterhelfen kann, dann überlegt man, ob es andere Wege gibt, um das zu tun. Also habe ich mich der Politik zugewandt. Denn nur so kann man wirklich etwas für sein Land tun.

euronews:

Den Wahlkampf verbuchen Sie also eher unter Erfahrung? Manche sagen immerhin, das Ergebnis stehe ohnehin schon fest.

Michail Prochorow:

Hier muss ich Ihnen kategorisch widersprechen. Wir leben in einer sehr dynamischen Welt. Unsere Gesellschaft ist aufgewacht. Die Menschen denken sehr stark in politischen Kategorien. Die letzten Tage des Wahlkampfes können noch einige Überraschungen bereithalten.

euronews:

Wirtschaft und Politik – macht Ihnen der Fall Chodorkowski keine Angst?

Michail Prochorow:

Nein, macht er nicht. Das Land hat sich seither radikal verändert. Die Menschen sind nicht mehr bereit, ihre persönliche Freiheit und Sicherheit dem materiellen Reichtum zu opfern. Sie verlangen Respekt. Und den kann man nicht mit Geld kaufen.

euronews:

Sagen Sie uns kurz, wie sich Ihr Programm von den Programmen der anderen Kandidaten unterscheidet?

Michail Prochorow:

Grundlage der Politik müssen die Menschen sein, die Bürger. Die Politik darf nicht den Interessen des Staates dienen, sondern denen der Menschen; der Staat ist für die Menschen da. Außerdem bin ich der Ansicht, dass wir einen Binnenmarkt mit Europa schaffen müssen. Russland und Europa sind ohne einander in einer globalisierten Welt nicht wettbewerbsfähig. Und schließlich glaube ich fest daran, dass nur ein echter Manager, der bereits Erfahrung darin hat, große Unternehmen zu leiten, unser Land nach vorne bringen kann.

euronews:

Wenn es zu einer Stichwahl kommen sollte, an der Sie nicht als Kandidat teilnehmen – wen würden Sie unterstützen?

Michail Prochorow:

An so ein Szenario denke ich nicht einmal. Bei einer Stichwahl bin ich auf jeden Fall als Kandidat dabei.

euronews:

OK. Sie gehen also in die Stichwahl und verlieren. Bleiben Sie dann in der Politik, zum Beispiel als Minister, falls Ihnen das angeboten wird?

Michail Prochorow:

Ich werde definitiv keinen Posten im derzeitigen System annehmen, denn es ist sehr einseitig erlaubt keinen Wettbewerb. Sogar der Ministerpräsident hat im Grunde nur einen pro-forma-Posten als Stellvertreter des Kreml. Ich werde daher meine eigene Partei gründen.

euronews:

Dafür haben Sie jetzt sechs Jahre Zeit, dann sind wieder Wahlen.

Michail Prochorow:

Nicht unbedingt. Erstens sind fast jeden Monat oder jedes Jahr irgendwo Wahlen in den Regionen. Und dort können wir überall gewinnen. Außerdem denke ich, im derzeitigen Klima, in dem die Bürger der Politik derart misstrauen, wird sich das neue Parlament in Moskau nicht lange halten.

euronews:

Wollen Sie eine komplett neue Partei gründen oder schon bestehende politische Strukturen nutzen?

Michail Prochorow:

Ich werde die Partei komplett neu gründen, und zwar zusammen mit allen, die meine Werte teilen, etwa mit Bürgern, die Veränderungen wollen. Auf der Grundlage meines Programms wird die Partei dann durch die Ideen, die von den Bürgern kommen, immer weiter ausgebaut. Die Partei soll auf einer komplett neuartigen Basis stehen, auf einem Fundament aus verschiedenen Gruppen, wenn Sie so wollen. Bürger reichen ihre Ideen ein, und dann müssen sich die Gruppen mit diesem oder jenem Thema befassen. Wir müssen diesen Ansatz der Graswurzel-Aktivisten nutzen. Das macht bisher keine einzige Partei in Russland. Wir wollen genau so eine Partei gründen.

euronews:

Wird das eine eher rechte Partei sein?

Michail Prochorow:

Es wird eine effiziente Partei sein. Unser Land steht vor großen Herausforderungen, die wir so schnell wir möglich anpacken müssen. Wie das geht, steht in meinem Programm. Lassen wir also die Wähler entscheiden, ob sie die Partei für rechts oder links oder mittig halten. Ich gehe immer davon aus, was gerade zu tun ist. Und jetzt müssen wir eben dafür sorgen, dass die Menschen in Russland wohlhabend, erfolgreich und frei werden und begreifen, dass ihr Schicksal und das ihrer Kinder eng mit dem Wohl des Landes verknüpft ist.

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