Wohin steuert die katholische Kirche?

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Von Euronews
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Wer wird knapp acht Jahre nach Joseph Ratzinger als Papst auf den Balkon heraustreten?
Für Katholiken derzeit die Frage aller Fragen. Denn ihre Kirche steckt in der Krise, dass ist nicht mehr zu übersehen. Vom Charisma eines Oberhauptes, das alle Mängel überstrahlt, ist nach dem Tode von Johannes Paul II. nicht mehr viel geblieben. Seine 27 Jahre auf dem “Heiligen Stuhl” sind längst Geschichte. Kanpp acht Jahre nach der Wahl des Theologieprofessors Ratzinger ist weltweit von einer “Glaubenskrise” die Rede. Und das, nach dem Pontifikat jenes Kandinals, der zuvor als Präfekt der Glaubenskongregation für die “reine Lehre” zuständig war. Als Papst hatte er sich eine “Neu-Evangelisierung” Europas auf die Fahnen geschrieben. Schließlich sind nicht nur in den atheistisch geprägten kommunistischen Staaten viele Gläubige von Fahne der Kirche gegangen. Skandale von “Vatileaks” bis zu den nicht enden wollenden Enthüllungen über sexuellen Mißbrauch durch katholische Geistliche haben in einer von immer schneller werdenden Informationen geprägten westlichen Welt der Kirche viele ihrer Schäfchen vertrieben. Dazu kamen dann die Vertuschungsversuche, als in der machtbewußten Amtskirche gar zu viele Mächtige lieber vertuschen wollten als Schuld zu bekennen und den Opfern beizustehen. Nein, so wollten und wollen die meisten Katholiken ihre Kirche nicht. Und viele, die der 2000 Jahre alten Institution keine Reformfähigkeit mehr zutrauen, sind gegangen. Zu lange haben sie “als Kirche von unten” oder in anderen Formen versucht, ihren Glauben der veränderten Zeit gemäß zu leben. Aber die katholische Amtskirche hat sie alle zurückgestoßen – die nach einer Scheidung neu verheirateten Paare, die Homosexuellen, die Frauen, die selber entscheiden wollen, wann sie ein Kind austragen, die vielen Aidsopfer, denen Kondome viel leid erspart hätten – und auch die eigenen zum Zölibat gezwungenen Priester. Dabei sind inzwischen laut Umfragen weit mehr als zwei Drittel der Katholiken weltweit dafür, den männlichen Geistlichen ein normales Mannesleben ohne Zölibat zu erlauben und auch Frauen zum Priesteramt zuzulassen. Beim Welttreffen der katholischen Jugend in Madrid vor zwei jahren waren solche Meinungen nicht mehr zu überhören. Eine Kirche, die sich dazu taub stellt, verliert ihre Jugend. Und wie ist es mit der eigenen Erneuerung ? Da gab es vor 50 Jahren das berühmte “II. vatikanische Konzil”, das etwa die nur in Latein gelesene Messe zugunsten der jeweiligen Landessprache veränderte. Aber Papst Benedikt XVI. machte da wieder einen halben Schritt zurück. Und viele der vor 50 Jahren beschlossenen Neuerungen sind immer noch nicht umgesetzt.
Für Benedikt XVI. war es noch zu früh für ein “III. vatikanisches Konzil”. Sein Nachfolger könnte das unter Umständen anders sehen. Oder auch erst einmal aufarbeiten, was da seit 50 Jahren an nützlichen Ideen in der Schublade liegt.

Die Kirche der Zukunft – Interview mit Vatikan-Insider Giacomo Galeazzi

euronews: Will die Kirche einen jungen Papst oder nicht?

Giacomo Galeazzi: “Ein gutes Beispiel ist Karol Woytila, der mit 58 Jahren zum Papst gewählt worden ist und mehr als ein Vierteljahrhundert im Amt blieb. Benedikts Verzicht hat gezeigt, dass die Kirche starke und strenge Energien braucht. Jugend ist also kein Ausschluß mehr. Aber wichtiger wird eher die Orientierung sein, die Fähigkeit zu regieren und auch die Fähigkeit zu kommunizieren.

euronews: Was sind die Herausforderungen für die katholische Kirche, um die Gläubigen zurückzugewinnen?

Giacomo Galeazzi: “Viele sagen, dass Benedikt XVI im Vatikan eine Art Ministerium für die Neuevangelisierung geschaffen habe. Dazu muss man sagen, dass seit Jahrhunderten Missionare aus dem Westen in die Dritte Welt gingen und der Vatikan deshalb schon lange Ausgangspunkt für eine Neuevangelisierung ist. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, nicht nur in den Dialog mit anderen Religionen zu treten, sondern auch mit Agnostikern, die eine Existenz Gottes für nicht gesichert halten. Benedikt XVI hat erkannt, dass dies ein neues Feld der Auseinandersetzung für die Kirche ist. Und er selbst sagte, es ist besser, ein Agnostiker zu sein, der Fragen stellt, als einen falschen Glauben zu haben. In diesem Sinne kann der neue Papst mit der Neuevangelisierung eine wichtige Rolle spielen bei der Frage, ob das Christentum in Europa in Zukunft noch eine große Bedeutung hat oder nicht.”

euronews: Wie sehr wiegt die Last der zahlreichen Skandale, die zuletzt aufgedeckt wurden, inwieweit beeinflußt das die Suche nach einem neuen Papst?

Giacomo Galeazzi: “Zu den letzten Amtshandlungen seines Pontifikats gehörte, dass Joseph Rartzinger Joseph den drei Kardinälen, die sich u.a. mit den Datensätzen aus dem sogenannten “Vatileaks”-Skandal beschäftigten, erlaubt hat, bei der Generalkongregation andere Kardinäle über die Ergebnisse ihrer Untersuchung. zu informieren. Der Text wird an den nächsten Papst weiter gegeben, aber die Kardinäle können direkt lernen von den Ermittlern, die die Erhebungen über “Vatileaks” und durchgeführt haben. Ich denke, es ist eine sehr wichtige Sache. Das ist auch der Grund, warum viele Mitglieder der Kurie so schnell wie möglich mit dem Konklave beginnen wollen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Kardinäle außerhalb der Kurie verstehen, was wirklich geschehen ist im Fall “Vatileaks”. Umso mehr werden sie dagegen angehen, dass ein Mitglied der Kurie der nächste Papst wird. Man sollte daran denken, dass es dann vielleicht doch nicht die Favoriten sein werden, die jetzt genannt werden, sondern vielleicht doch eher ein Aussenseiter wie damals 1978 Karol Woytila, als zum ersten Mal seit 500 Jahren ein nicht-italienischer Papst gewählt wurde.”

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