Lettlands Regierungs-Chef wirbt für baldige Einführung des Euro

Lettlands Regierungs-Chef wirbt für baldige Einführung des Euro
Von Euronews
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Trotz der Krise in mehreren Ländern der Eurozone will Lettland den Euro bald auch bei sich einführen. Die Regierung von Valdis Dombrovskis hat nun in Brüssel einen offiziellen Antrag gestellt. Von den 27 EU-Staaten verwenden bislang erst 17 den Euro, darunter Lettlands nördlicher Nachbar Estland. Ab Januar 2014 soll der Euro auch in Riga rollen, wünscht sich Lettlands Regierungs-Chef Dombrovskis. Die Entscheidung über Lettlands Beitritt zur Währungs-Union wird die EU im Sommer fällen.

Hans von der Brelie, euronews:
Die Währungsunion durchlebt derzeit eine tiefe Krise. Weshalb möchte Lettland ausgerechnet JETZT den Euro einführen?

Valdis Dombrovskis:
Das Zieldatum, also Euro-Beitritt im Januar 2014, haben wir bereits vor mehreren Jahren festgelegt. Und da wir alle Maastricht-Kriterien erfüllen, können wir das nun auch umsetzen. Ich würde übrigens nicht sagen, dass die derzeitige Krise eine EURO-Krise ist. Wenn Sie sich den Euro einfach nur als Währung ansehen, dann sehen Sie, dass der Euro stabil ist, so wie der US-Dollar oder der japanische Yen oder andere Weltwährungen. Der Anteil der in Euro gehaltenen Weltwährungsreserven ist ebenfalls stabil: etwa ein Viertel der Weltwährungsreserven. In Wirklichkeit ist diese Krise keine Euro-Krise, sondern eine Finanz und Wirtschaftskrise in einigen einzelnen Staaten der Eurozone.”

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Zwischen 2008 und 2010 hat Lettland etwa ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung eingebüsst. Sie hätten in dieser Situation ja auch zum Mittel der Abwertung greifen können, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch Sie haben den Weg der Austeritätspolitik gewählt. Muss dafür nicht die Bevölkerung zahlen?

Valdis Dombrovskis
Währungs-Abwertung ist kein Lösungsmittel für unsere wirtschaftlichen Probleme, schliesslich sind wir eine kleine und offene Volkswirtschaft. Das bedeutet, dass im Falle einer Abwertung die Preise für die Energie-Importe wie auch für alle anderen Importgüter augenblicklich ansteigen würden. Und mit einer Abwertung verbundene eventuelle Wettbewerbsgewinne würden wir schnell wieder durch die darauf folgende Inflation verlieren. Und dann müssen Sie auch noch berücksichtigen, dass Abwertung an sich ein Budget-Defizit nicht aus der Welt schafft… Wir mussten also so oder so den Weg der Sparpolitik beschreiten. 2009 hatten wir ein Haushaltsdefizit von fast zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes, und das, obwohl wir die ersten Sparbeschlüsse bereits umgesetzt hatten. Heute ist unser Haushaltsdefizit auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesunken. Das ist ein ganz vernünftiges Niveau. Doch auf dieses vernünftige Niveau musste das Defizit erst einmal gebracht werden…”

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Die meisten Menschen hier in Lettland sind gegen den Euro. Warum haben Sie beschlossen, den Euro gegen den Willen des Volkes einzuführen?

Valdis Dombrovskis
Erstens: das wird uns helfen Auslandsinvestitionen anzuziehen, denn die Währungsrisiken und die damit einkalkulierten Risiko-Aufschläge werden reduziert. Aus demselben Grund denken wir, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone für niedrigere Zinssätze sorgen wird. Die Zinsen werden sowohl für die Staatsschulden wie auch für alle anderen Wirtschaftsakteure sinken. Zweitens werden dadurch die Transaktionskosten sinken: die Unternehmer geben hunderte von Millionen von Euro allein dafür aus, Lats in Euro und Euro in Lats umzutauschen, schliesslich ist der Euro ja bereits allgegenwärtig in unserem Wirtschaftsgeschehen: 80 Prozent aller Kredite werden in Euro aufgenommen, die Hälfte aller Sparguthaben sind in Euro. Und unsere Landeswährung, der Lats, ist sowieso an den Euro gekoppelt. Alles was mit dem Euro geschieht, geschieht deshalb auch mit dem Lats.”

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Mitgliedschaft in der Eurozone bedeutet ja auch Solidarität mit den anderen Euro-Ländern. Sind Sie bereit, für Krisen-Staaten wie Griechenland zu bezahlen?

Valdis Dombrovskis
Ja. Zunächst einmal: wir verstehen durchaus, dass der Eintritt in die Eurozone Mitgliedschaft in einer Solidaritätsgemeinschaft bedeutet. Wir beteiligen uns am Europäischen Stabilitätsmechanismus, wir sind hierzu bereit. Manche würden diesen Beitrag unter der Rublik “Ausgaben” bilanzieren, doch wir sehen das eher als eine Art Rückversicherungs-Mechanismus der auch uns eines Tages nützlich sein könnte. Doch selbst wenn man nur auf die Ausgabenseite schaut, überwiegen die Vorteile des Euro-Beitritts bei weitem die eventuellen Kosten.

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Wenn Sie Mitglied der Eurozone sind, wird ihre Stimme, Lettlands Stimme, an Gewicht gewinnen im Kreise ihrer Euro-Kollegen. Was kann man von Lettland lernen?

Valdis Dombrovskis
Dass man eine gewisse Balance halten sollte. In Lettland haben wir die Krise folgendermassen überwunden: Anpassungen im Staatshaushalt, um unsere Finanzlage zu stabilisieren. Dann: Massnahmen um die Wirtschaft anzukurbeln, das haben wir vorallem mit EU-Geldern gemacht und auch dadurch, dass wir den Verwaltungsaufwand gesenkt haben. Und schliesslich haben wir zusätzliche Sicherungen eingebaut, um die sozialen Folgekosten der Krise zu begrenzen. Das ist auch die Richtung, in die sich die europäisch Debatte bewegt: Ja, wir brauchen Anpassungen der Staatshaushalte, wir brauchen finanzielle Stabilität – doch gleichzeitig benötigen wir auch Wirtschaftswachstum, weshalb wir uns überlegen müssen, wie wir dieses Wachstum stimulieren können. Und wir dürfen die sozialen Probleme nicht ausser Acht lassen. – Und obwohl wir von allen 27 EU-Staaten derjenige sind, der den schärfsten Sparkurs steuerte, sind wir nun der Staat mit der europaweit am schnellsten wachsende Volkswirtschaft.”

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Überall in Europa haben Sparanstrengungen zu politischen Krisen geführt: in Bulgarien, Italien, in anderen EU-Staaten. Haben Sie als Anhänger eines harten Kurses nicht Angst um ihre Zukunft?”

Valdis Dombrovskis
Eigentlich betreiben wir hier in Lettland gar keine Austeritätspolitik mehr. Der Staatshaushalt 2013 ist das erste Budget mit steigenden Ausgaben für einige von uns als vorrangig eingestufte Bereiche. In meinen vier Jahren als Regierunschef habe ich bereits zwei Parlamentswahlen glücklich überstanden und trotz unserer Sparbeschlüsse bin ich immer noch im Amt. Wir sehen allerdings ganz klar die Grenzen der Austeritätspolitik. Sowas kann man nicht jahrelang durchziehen…”

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Was ist ihr stärkstes Argument um einen eingefleischten Euro-Gegner umzustimmen?”

Valdis Dombrovskis
Vom Eurobeitritt gehen positive Signale aus: Lettlands Finanzen und Wirtschaft sind stabil. Dadurch entsteht Wirtschaftswachstum.

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