Syrienkonflikt: einmal Richtung Krieg und zurück

Syrienkonflikt: einmal Richtung Krieg und zurück
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Präsident Obama in seiner jüngsten Rede an die Nation: “Was vor zwei Jahren als friedlicher Protest gegen das Unterdrückungsregime des Baschar al-Assad begann, hat sich zu einem brutalen Bürgerkrieg gewandelt. Seit Assads Regierung am 21. August mehr als tausend Menschen, darunter Hunderte von Kindern, durch Gas töten ließ, hat sich die Lage grundlegend verändert.”

Zwei Jahre lang hat die Welt untätig zugesehen. Das könnte dieser 21. August ändern. Für die USA ist die berühmte “rote Linie” überschritten. Die Rhetorik wird zunehmend von kriegerischen Tönen bestimmt. Die USA, Großbritannien und Frankreich sind dabei besonders laut.

US-Außenminister Kerry betonte, wenn man einen Mörder wie Baschar al-Assad, der seine eigenen Bürger mit Gas töten lässt, ungestraft gewähren lasse, obwohl USA und UN “Nein” gesagt hatten, dann werde der nicht aufhören, die Entschlossenheit des Westens herauszufordern. Auch Frankreichs Präsident Hollande sagt in nie gehörter Härte, das Chemiewaffen-Massaker von Damaskus dürfte nicht ohne Antwort bleiben und Frankreich sei bereit, jene zu bestrafen, die den Befehl gaben zum Gaseinsatz gegen Unschuldige.

Der britische Premier Cameron will sichergestellt sehen, dass die Welt solche fürchterlichen Szenen, wie man sie aus Damaskus gesehen habe, verhindern kann. Und der amerikanische Präsident, von dem die Warnung mit der “roten Linie” stammt, droht mit einem Militärschlag. Das amerikanische Militär sei vorbereitet, der Präsident könne jederzeit den Befehl geben.

Dann regt sich allerdings Widerstand, nicht nur im UN-Sicherheitsrat, wo sich Russland nach wie vor schützend vor seinen Verbündeten in Syrien stellt. Auch die Parlamente der drei kriegsentschlossenen Staats- und Regierungschefs bremsen die schon bereitstehende Kriegsmaschinerie. Also schwenkt der US-Außenminister um auf: “Der Konflikt in Syrien verlangt eine politische Lösung. Es gibt keine militärische.” Und dem britischen Premier bleibt nach einer stürmischen Parlamentssitzung gar nichts anderes übrig, als sich gegen eine britische Beteiligung an einem Militärschlag auszusprechen.

Also wird auch der französische Präsident vorsichtiger und betont:“Die Lösung muss politischer – nicht militärischer Art – sein. Wohl aber kann eine Militäraktion eine politische Lösung beschleunigen.” 15 Tage Weltpolitik, in denen die Mächtigen zur Vorsicht gedrängt werden. Auch der amerikanische Präsident findet zwei Wochen nach seiner Brandrede ganz andere Worte.

Interview mit Martha Raddatz von ABC News

Nial O’Reilly, euronews
Der Syrien-Konflikt hat Präsident Barack Obama vor seine bisher wohl schwierigste außenpolitische Aufgabe gestellt. Wir wollen nun mit Martha Raddatz von ABC News in Washington darüber sprechen, wie Obama mit dieser Aufgabe umgegangen ist. Vor zwei Wochen schien es, als sei ein Militärschlag gegen Syrien die einzig mögliche Option für die Obama-Regierung. Jetzt spricht er wieder über eine diplomatische Lösung. Das ist ein ziemlicher Richtungswechsel von einem Präsidenten. Hat ihn das zu Hause, aber auch international, geschwächt, und wenn ja, wie sehr?

Martha Raddatz, ABC News
Dieser jüngste diplomatische Vorstoß rettet den Präsidenten wohl vor einer Niederlage im Kongress, und dann wären seine Hände wirklich gebunden, was eventuelle militärische Schritte in Syrien angeht. Obamas Rede von vergangener Nacht, in der er um Aufschub warb, zielte also nicht nur darauf ab, der Diplomatie eine Chance zu geben, sondern es ging schlicht darum, dass er vom Kongress sehr wahrscheinlich keine Zustimmung erhalten hätte, und wahrscheinlich nicht einmal im Senat.

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Was genau hat Obama der Nation gesagt, was war die Kernaussage, was wollte er rüberbringen?

Martha Raddatz
Was der Präsident ganz klar sagen wollte war, dass die Option eines Militärschlags seiner Meinung weiter auf dem Tisch sein sollte. Ich habe gedacht, das war eine Rede, die er auch eine Woche früher hätte halten können, außer gegen Ende, als er über diplomatische Bemühungen sprach und es war sicherlich eine Überraschung, dass er den Kongress bat, die Abstimmung zu verschieben.

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Wenn die Diplomatie am Ende in Syrien fehlschlägt, wie schwer wäre es dann für Obama, erneut um Unterstützung für einen Militäreinsatz zu werben?

Martha Raddatz
Ich denke, es würde sehr schwer sein, und die meisten Leute, mit denen ich gesprochen habe, denken genauso. Was man unter dem Strich nun hat, ist ein Aufschub um einige Wochen, womöglich Monate, und vielleicht führen die USA auch überhaupt keinen Militärschlag aus. Ich denke, die Menschen vergessen die Bilder, sie vergessen, was passiert ist. Ich denke, es wäre sehr sehr schwierig für den Präsidenten, die Nation hinter sich zu versammeln, wenn die Diplomatie fehlschlägt.

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Der russische Vorschlag zu den Chemiewaffen und Syriens Zustimmung dazu waren recht schnelle Entwicklungen, die das Weiße Haus recht unvermittelt erwischt haben. Wurde die Obama-Regierung hier von Russland überlistet?

Martha Raddatz
Sie haben es ja gehört, der Präsident hat in einer Reihe von Interviews gesagt, dass er darüber mit Russlands Präsident Putin schon zu einer früheren Gelegenheit gesprochen habe. Ich denke, das war also keine große Überraschung für das Weiße Haus. Aber ich denke, alle waren sehr dankbar dafür, dass es passiert ist, denn was Obama ja im Kern wollte, ist, Assad davon abzuhalten, chemische Waffen einzusetzen. Und wenn das auf diplomatischem Wege geschieht, dann haben sie es bereits geschafft. Was jetzt wohl kommt, sind wochenlange Verhandlungen. Ich weiß, dass das Weiße Haus will, dass das alles vorbei ist. Sie wollen keine endlosen Verhandlungen. Sie wollen einen ernsthaften Vorschlag, sie wollen sehen, was Syrien tut, wie sie dort in den nächsten ein, zwei Wochen reagieren.

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