Von Gysi zur Montagsdemo: Die Putin-Versteher

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Von Euronews
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Der Fraktionschef der Linken Gregor Gysi ist nach Russland gereist, um Gespräche über die Ukraine zu führen. In Moskau trifft Gregor Gysi den Präsidenten der russischen Staatsduma, Sergej Naryschkin. Naryschkin gehört zu den russischen Politikern, die von den USA und der EU mit Sanktionen belegt sind.

Macht Gregor Gysi mit seiner Reise auch Wahlkampf für seine Partei vor der Europawahl?

Auf dem Parteitag der Linken in Berlin am Wochenende hatte Gysi erklärt: «Unsere Stärke besteht darin, dass wir niemals einseitig an diesen Konflikt herangegangen sind. Alle anderen sind völlig einseitig». Die Linke leugne die Mitverantwortung Russlands nicht – sie weise aber darauf hin, dass auch Nato und EU Verantwortung trügen. «Die Differenziertheit ist das Entscheidende.»
Die Bundesregierung ist in die Reisepläne des Oppositionsführers eingeweiht. Ganz grundsätzlich – wie auch in diesem Einzelfall – gelte, «dass die deutschen Botschaften die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Rahmen der Möglichkeiten bei ihren Auslandsreisen unterstützen», hieß es am Sonntag im Auswärtigen Amt.

Zuvor hatte die Geburtstagsfeier von Altkanzler Gerhard Schröder in St. Petersburg für Aufsehen gesorgt, an der auch Russlands Präsident Wladimir Putin teilnahm und den Schröder mit einer herzlichen Umarmung begrüßte. Diese Feier hat der Sozialdemokrat und Ex-Bundeskanzler jetzt verteidigt: “Seit mehr als 14 Jahren begrüßen wir uns so”, schrieb Schröder in einem Interview mit DER WELT AM SONNTAG. Und im Schweizer Blick lautet der Titel:«Putin quasi ein Nazi, das finde ich absurd».
Gerhard Schröder arbeitet seit Jahren für die russische Pipeline-Gesellschaft North Stream. «Der russische Präsident ist keine Persona non grata», meinte Schröder, zugleich kritisierte er die Sanktionsdrohungen der EU und der USA gegen Russland in der Ukraine-Krise. Stattdessen plädierte er für Gespräche mit Moskau auf «Augenhöhe».

Doch die “Putin-Versteher” sind nicht auf die Linke und die Sozialdemokraten beschränkt.
An Schröders Geburtstagsparty nahm auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Philipp Mißfelder teil. Er musste sich für die Reise nach Moskau rechtfertigen und wurde von CDU-Fraktionschef Volker Kauder vor allem dafür gerügt, dass in der Partei niemand von dem Ausflug wusste.

Doch Verständnis für die Politik des russischen Präsidenten kommt im Internet vor allem aus dem rechten Lager und von Menschen, die gegen die traditionellen, ihrer Ansicht nach “gleichgeschalteten” Medien wettern. “Gleichgeschaltet”, das ist ein Begriff der Nazis – und an den Montagsdemos, die seit einigen Monaten in Berlin und anderen deutschen Städten stattfinden, nehmen auch Politiker der NPD teil oder der ehemalige Radio-Moderator Ken Jebsen. Der Deutsch-Iraner war 2011 wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien und Antisemitismus beim RBB rausgeworfen worden. Und Verschwörungen werden auch von den Teilnehmern der Montagsdemos vermutet, die in den sozialen Medien die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender verteufeln. Die Montagsdemo-Anhänger verteidigen Putin auch, weil er den Anti-Amerikanismus verkörpert.
Die Berliner Zeitung zitiert auch den Rapper Photon mit dem Songtext: „Die mächtige Zentralbank in Amerika / Hält die Welt im Würgegriff, bereits seit mehr als hundert Jahr’n. / Warum das keiner sah, ist doch sonnenklar: / Die FED lenkt Politik und Presse wie einen Avatar.“

Ursprünglich geht die Montagsdemo auf den Herbst 1989 zurück: Sie waren der Anfang vom Ende der DDR. Bis zu 400000 Menschen zogen damals gemeinsam über den Stadtring und machten ihrem Unmut über die gesellschaftliche Entwicklung der DDR Luft. Überwacht von DDR-Staatssicherheit und Polizei skandierten die friedlichen Demonstranten wieder und wieder «Wir sind das Volk».
An den Montagsdemos in Berlin nehmen jetzt meist mehrere hundert Menschen teil, doch man dürfe diese nicht unterschätzen, schreibt die Berliner Zeitung in einer Kolumne. Dem Engagement dieser Bewegung, die im Internet gegen westliche Politiker und Medien wettert und auch unsere facebook-Seite in Beschlag genommen hat, nach zu urteilen, besteht tatsächlich Sorge, weil sich diese Menschen von den Regierenden so gar nicht verstanden fühlen und auch digitalen Parallelwelt zu leben scheinen. Ob Wladimir Putin sie wirklich besser versteht?

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