"Wenn Trump gewinnt, dann gnade uns Gott": Die Folgen der US-Wahl

"Wenn Trump gewinnt, dann gnade uns Gott": Die Folgen der US-Wahl
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Wir haben mit Alexander Stubb, Pascal Lamy und Ken Loach über die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA, über Europa, die Weltwirtschaft und über soziale Ungerechtigkeit gesprochen.

Die Präsidentschaftswahl in den USA bestimmt dieser Tage die Schlagzeilen. Wie wird sich die Welt verändern, wenn Trump oder Clinton ins Weiße Haus einziehen? In dieser Spezialausgabe von “Global Conversation” haben wir darüber gesprochen, welche Bedeutung die Wahl für Europa hat – ein traditionell enger Verbündeter der Vereinigten Staaten. Wir haben drei sehr interessante Gäste interviewt: Der ehemalige finnische Ministerpräsident Alexander Stubb hat einen geopolitischen Blick auf die Wahl, der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation Pascal Lamy einen wirtschaftlichen. Über die kulturellen Auswirkungen sprachen wir mit dem Regisseur Ken Loach.

Alexander Stubb: “Trump bedeutet Ärger”

Isabelle Kumar, euronews
Herr Stubb, welche außenpolitischen Prioritäten sollte der oder die nächste Präsidentin aus europäischer Sicht haben?

Alexander Stubb
Wenn ich das mit zwei Begriffen beschreiben sollte, würde ich sagen: Die US-Außenpolitik sollte engagiert und international ausgerichtet sein. Für uns Europäer ist es wichtig, dass die USA sich in Europa, im Nahen Osten, in Asien, Afrika, überall engagieren. Wir brauchen enge Verbündete. Es ist wichtig, dass die Vereinigten Staaten und die EU Seite an Seite stehen.

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Wie würde die Präsidentschaft von Donald Trump aussehen, wie die von Hillary Clinton?

Alexander Stubb
Nun, die eine wäre engagiert, die andere nicht. Ich kenne Hillary Clinton persönlich, als sie Außenministerin war, war ich im gleichen Amt. Ihr außenpolitisches Wissen und ihr Engagement haben mich sehr beeindruckt. Wahrscheinlich würde sie noch mehr Engagement zeigen als Präsident Obama. Donald Trump kenne ich nicht, aber was man von ihm hört ist, dass Mauern gebaut werden, dass es protektionistische Maßnahmen geben wird, mehr Nationalismus, dass amerikanische Truppen abgezogen werden. Also, ganz ehrlich, wenn er das wahr macht, dann bedeutet das aus europäischer Sicht Ärger.

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Europa hat bisher im Wahlkampf keine große Rolle gespielt, wenn überhaupt, kam das Thema in den Debatten vor. Können wir also nur spekulieren, oder was ist Ihre Einschätzung?

Alexander Stubb
Sollte Hillary Clinton Präsidentin werden, werden sich die USA sehr viel mehr engagieren. Sie werden nicht aus der NATO austreten, sie werden wahrscheinlich auch keine Truppen aus Europa abziehen. Sie werden Europa als engen Verbündeten betrachten, als Partner in den Verhandlungen zum Nahen Osten, zu Syrien und im Kampf gegen Terrorismus. Mit Donald Trump würde das ganze System einen Schock bekommen. In Europa verfolgt man sehr genau, was in den USA passiert. Trumps Rhetorik wird die Menschen verschrecken. Diese Art von Rhetorik kennen wir auch hier in Europa, aber Donald Trump spielt schon in seiner eigenen Liga.

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Sie haben die NATO erwähnt. Donald Trump hat die Existenzberechtigung des Bündnis in Frage gestellt. Denken Sie, dass Europa angesichts dessen eine eigene Streitmacht benötigt?

Alexander Stubb
Ich bin fest davon überzeugt, dass Europa an seiner eigenen Verteidigungspolitik arbeiten muss, keine Frage. Aber Sie dürfen nicht vergessen, das 22 der 28 EU-Mitgliedsstaaten in der NATO sind. 94 bis 95 Prozent der Bevölkerung in der EU ist Teil der NATO und das wird auch in naher Zukunft das Fundament bleiben. Ich kann die Amerikaner verstehen, die sagen, dass es Zeit wird, sich weniger zu engagieren, aber ich glaube, dass es im amerikanischen Interesse ist, sich weiter stark in der NATO zu engagieren, vor allem im Hinblick auf Russland oder den Krieg in Syrien.

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Sie haben das Thema Russland angeschnitten, das für Finnland sehr wichtig ist, schließlich haben Sie eine lange gemeinsame Grenze. Die Beziehungen zu Russland sind denkbar schlecht. Sollten wir im Verhältnis zu Moskau, zu Präsident Wladimir Putin, noch einmal ganz von vorn anfangen?

Alexander Stubb
Ja, definitiv. Wir haben uns ungefähr von 1991 bis 2000 eingebildet, Russland könnte eine normale und engagierte Demokratie innerhalb der internationalen Gemeinschaft werden. Aber wir haben mit dem Krieg in Georgien 2008 und besonders mit der Ukrainekrise gesehen, dass dies nicht der Fall ist. Russland ist mit seinem Einsatz in Syrien zurück am internationalen Verhandlungstisch. Auch wenn wir das gemeinsame Vorgehen mit Präsident Assad in Aleppo stark verurteilen, ist dem Westen, Europa und den Vereinigten Staaten klar, dass es ohne Russland keine Lösung in Syrien geben kann. Je eher wir auf Neustart gehen und mit Russland auf einen gemeinsamen Nenner kommen, desto besser. Gleichzeitig sollten wir uns in der Außenpolitik an bestimmte Prinzipien halten.

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Denken Sie, dass Hillary Clinton in der Lage wäre, diesen Neustart einzuleiten, vor ein paar Jahren hat sie das bereits versucht. Donald Trump auf der anderen Seite sagt, er habe eine gute Beziehung zu Putin. Unabhängig davon, ob das stimmt: Vielleicht wäre er eher dazu in der Lage, diese Beziehung auf neue Füße zu stellen?

Alexander Stubb
Ich glaube nicht, dass das so ist. Vergessen Sie nicht, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow zur selben Zeit in diesem Amt war wie Hillary Clinton. Die beiden kennen sich also gut. Russland kennt also das derzeitige US-Personal. Wenn Russland Stabilität und Kontinuität in der Außenpolitik möchte und in gewisser Weise auch glaubwürdiges Engagement, dann sollten sie Hillary Clinton pushen. Wenn sie nach Instabilität und Unsicherheit in der Welt streben, dann ist Donald Trump der Richtige. Ich denke, dass auch die Russen wissen, dass sein Wahlsieg diese Auswirkungen hätte.

Die geopolitische Sicht

Alexander Stubb

  • Ministerpräsident von Finnland 2014-2015
  • War Finanzminister, Minister für Europäische Angelegenheiten und Außenhandel, Außenminister
  • Autor mehrerer Bücher über die EU
  • Begeisterter Sportler, hat an mehreren Ironman-Wettbewerben teilgenommen

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Sprechen wir über den sogenannten Islamischen Staat. Wer kann die Terroristen Ihrer Einschätzung nach besser bekämpfen? Donald Trump oder Hillary Clinton?

Alexander Stubb
Nun, in meiner früheren Funktion als Ministerpräsident hätte ich gesagt, wir kommen mit jedem klar. Aber es liegt auf der Hand, dass Clinton die sehr viel sicherere Alternative ist. Trump schießt rhetorisch scharf gegen Terrorismus, aber es reicht nicht, nur zu sagen ‘ich werde ISIS zerstören’, man muss auch sagen, wie man dies tun will und wie man sich engagieren will. Dafür braucht man diplomatische Fähigkeiten und davon hab ich bisher bei Donald Trump ehrlich gesagt nicht viel gesehen.

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Und zum Schluss: Wer würde Europa an der Spitze der Vereinigten Staaten zu einem sichereren Ort machen, wäre das Donald Trump oder Hillary Clinton?

Alexander Stubb
Da spreche ich mich definitiv für Clinton aus. Sie ist nicht nur berechenbarer, sie hat auch viel Erfahrung. Außerdem hat sie meiner Einschätzung nach die richtigen Werte, wenn es darum geht, die liberale Demokratie, Marktwirtschaft und auch die Globalisierung zu verteidigen. Wenn ich als Finne wählen könnte, würde ich ganz sicher für Clinton stimmen. Aber da habe ich keinen Einfluss, ich werde nur davon beeinflusst. Letztendlich müssen die Amerikaner entscheiden.

Pascal Lamy: “Trump lebt nicht in der realen Welt”

Welche Auswirkungen wird ein neuer Präsident auf die Weltwirtschaft haben? Darüber haben wir mit dem früheren EU-Kommissar und Ex-Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, gesprochen. Einen Präsidenten Trump sieht der französische Wirtschaftsfachmann kritisch. Hillary Clinton dagegen bescheinigt er mehr Realitätssinn.

Isabelle Kumar, euronews
Oft heißt es, Wahlen würden wegen wirtschaftlicher Fragen gewonnen oder verloren. Donald Trump und Hillary Clinton sind sich nur selten einig. Aber beide scheinen der Globalisierung gegenüber zumindest skeptisch zu sein. Glauben Sie, dass wir mit dem nächsten US-Präsidenten, wer auch immer das sein mag, in eine protektionistischere Zeit eintreten werden?

Pascal Lamy
Ich denke, Trump wäre protektionistisch und Clinton wäre weniger handelsorientiert als ihre Vorgänger. Bei Trump wäre es also ein aktiver Protektionismus, wo Zölle, Handelsbarrieren, Mauern und so weiter hochgezogen werden. Clinton andererseits wäre wahrscheinlich etwas passiver, mehr wie Obama und definitiv weniger handelsorientiert als Bill Clinton.

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Sollte es bei beiden Kandidaten diesen Rückzug auf eine mehr oder weniger protektionistische Politik geben, welchen Einfluss hätte das dann auf Europa?

Pascal Lamy
Ich denke, vor allem gäbe es bei mehr Protektionismus oder weniger Handelsoffenheit weniger Wachstum für die US-Wirtschaft und damit weniger Wachstum für die Weltwirtschaft, weniger Wachstum für Europas Wirtschaft. Ich habe keine Zweifel daran, dass ein durch Protektionismus verlangsamter Handel das wirtschaftliche Ergebnis für alle verschlechtern würde, was ja übrigens auch für China oder Afrika oder Indonesien gilt, bedenkt man die enorme Bedeutung der US-Wirtschaft für die Weltwirtschaft.

euronews
Schauen wir uns einmal Hillary Clinton und Donald Trump an. Ganz allgemein gesprochen heißt es, Hillary Clinton stehe für Kontinuität, und wir wissen ja, dass die Märkte Vorhersehbarkeit schätzen. Donald Trump bedeutet Veränderung. Aber Trump soll ja auch ein gerissener und erfolgreicher Geschäftsmann sein, daher dürfte er in Sachen US-Wirtschaft gegenüber Clinton im Vorteil sein.

Pascal Lamy
Gute Geschäftsleute sind nicht automatisch gute Unterhändler in Handelsfragen, und umgekehrt. Ich persönlich glaube, wenn Trump gewählt werden sollte, dann werden ihn das System, die US-Verfassung, das Verhältnis zum Kongress, die Vereinbarungen, die die USA auf internationaler Ebene unterzeichnet haben, speziell mit der WTO, davon abhalten, zwei Drittel dessen umzusetzen, was er vorhat. Wenn man US-Präsident wird, muss man sich auch hin und wieder benehmen.

Die wirtschaftliche Sicht

Pascal Lamy

  • WTO-Generaldirektor von 2005 bis 2013
  • EU-Handelskommissar von 1999 bis 2004
  • Mitglied der Parti Socialiste in Frankreich
  • “Präsident Emeritus” des proeuropäischen Jacques Delors Institute

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Schauen wir uns ein paar Details an. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, TTIP. Dieses Abkommen steckt in ziemlichen Schwierigkeiten, es ist auf beiden Seiten des Atlantiks ausgesprochen unbeliebt. Und es sieht nicht so aus, als könnte Präsident Obama es vor Ende seiner Amtszeit noch durchbringen. Glauben Sie, TTIP würde von beiden Kandidaten, Trump und Clinton, fallengelassen werden?

Pascal Lamy
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass TTIP sterben wird. Es wird einfach noch einige Zeit dauern.

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Das gilt für beide Kandidaten?

Pascal Lamy
Ja, natürlich. Seit ich mit dem Verlassen der WTO im Jahr 2013 meine Redefreiheit zurückgewonnen habe, sage ich, dass diejenigen, die glauben, das wäre alles leicht und könnte schnell durchgezogen werden, etwas geraucht haben müssen. Es ist alles hochkomplex, es ist enorm umfangreich, und so zu tun, als könnte man das alles in kurzer Zeit durchziehen, ist reine Einbildung.

euronews
Und was ist mit der Ausrichtung nach Fernost? Als Hillary Clinton Außenministerin war, gehörte sie zu denen, die diese Ausrichtung speziell beim Handel, speziell in Richtung China, vertraten, und das sahen viele als Abkehr von Europa. Donald Trump hat China scharf kritisiert. Könnte also Europa letztlich davon profitieren, wenn Trump Präsident werden würde?

Pascal Lamy
Ich denke, das ist etwas für Tischreden. Was in Wirklichkeit in der Wirtschaft, im Handel zählt, sind Größe, Gewicht, Zahlen. Die Tatsache, dass sich die Weltwirtschaft viel stärker nach Asien verlagert hat, wird sich nicht ändern. Wenn überhaupt, wird es in den kommenden zehn, zwanzig Jahren, mehr und mehr Asien und weniger Europa geben – und übrigens auch weniger USA. Die nächste Welle wird dann Afrika sein. Es wird dann mehr und mehr Afrika und immer weniger Asien geben. Das wird sich nicht ändern.

euronews
Ich möchte, dass Sie mir jeweils einen herausstechenden, gewichtigen Punkt nennen, warum Sie, wenn Sie in den USA wählen würden, aus wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus Donald Trump, beziehungsweise Hillary Clinton, wählen würden.

Pascal Lamy
Das ist eine schwierige Frage. Und zwar deshalb, weil ich Trump zuhöre, ich lese seine Tweets, und das ergibt alles keinen Sinn. Ich glaube, dass er weder für Europa noch für den Rest der Welt gut wäre.

euronews
Also gibt es gar nichts, dem Sie zumindest ansatzweise etwas abgewinnen können?

Pascal Lamy
Seine wirtschaftspolitische Realität gleicht dem Reality-TV. Es ist eine andere Welt, eine Fantasiewelt. Es ist eine ausgedachte Welt, es ist nicht die reale Welt. Ich denke, Hillary Clinton steht viel mehr in der realen Welt. Und es besteht wohl für Europa, die Welt, die USA kein Zweifel daran, dass sie eine sicherere Wahl wäre.

Ken Loach: “Clinton wird die Interessen des Kapitals durchdrücken”

Um über die möglichen sozialen Auswirkungen der US-Wahlen zu sprechen, haben wir den britischen Regisseur Ken Loach getroffen. Er sagt, dass das Wirtschaftssystem, das wir derzeit haben, nicht funktioniert. Es schaffe Ungleichheiten und treibe Menschen in die Armut. Eine Präsidentin Clinton hält er für eine schlechte Wahl. Einen Präsidenten Trump für eine noch schlechtere.

Efi Koutsokosta, euronews
Herr Loach, Ihr jüngster Film “I, Daniel Blake”, handelt vom Kampf eines Mannes um Sozialleistungen. Warum haben Sie dieses Thema jetzt ausgesucht und wie nah ist es an der Realität in Europa und den USA?

Ken Loach
Der Protagonist im Film hatte einen Herzinfarkt, er kann nicht arbeiten, er ist zu krank. Doch der Staat sagt ihm, dass er arbeiten müsse, um das Geld zu verdienen, das er zum Leben braucht. Es geht darum, was ihm und einer Frau, die er trifft und die in ähnlichen Umständen steckt wie er, widerfährt. Es ist eine komplizierte Geschichte. Was uns interessierte, ist der Umstand, dass dies zeigt, dass derzeit ein Wirtschaftssystem existiert, das keine Menschenwürde kennt, das Millionen Menschen in vielen Ländern die Teilhabe am Leben verweigert. Es gibt Massenarbeitslosigkeit, massenhafte Unterbeschäftigung, wo Menschen auf staatliche Hilfe angewiesen sind, selbst wenn sie arbeiten, da ihre Gehälter so niedrig sind oder sie nur zwei Tage die Woche arbeiten können. Wir sind in einem Wirtschaftssystem gefangen, das nicht funktioniert.

euronews
Hat dieses System für die ärmsten Menschen der Gesellschaft seine Grenze erreicht?

Ken Loach
Wer weiß, wie tief sie die Menschen noch hinabtreiben können. Sie treiben die Menschen ja immer weiter hinab. Das nennen wir Neoliberalismus, nicht wahr? Es hat Griechenland zerstört, es hat das Leben vieler Menschen zerstört, während das Big Business weiterhin unreguliert ist und wir groteske Ungleichheit sehen.

euronews
Wenn wir uns die jüngsten Zahlen großer Organisationen wie der OECD anschauen, sehen wir, dass es eine große Lücke zwischen den Ärmsten und den Reichsten gibt, und diese Lücke hat sich in den vergangenen Jahren noch vergrößert. Es gab Krisen in den USA und Europa, und die normalen Menschen haben den Preis gezahlt, während der reichste und kleinste Teil noch reicher wurde. Was lief da schief?

Ken Loach
Für sie ist es ja richtig gelaufen, denn es ist ihr System, es ist das, was sie wollen. Das ist die Logik großer Unternehmen, sie wollen unbegrenzte Macht, sie wollen die Arbeitskosten senken. Sie holen das Rohmaterial so billig, wie sie nur können, und sie werden miteinander um Marktanteile kämpfen. Der Lohn für sie ist riesig, aber auch die Kosten für die Arbeiterklasse sind riesig. Aber ihr System funktioniert nicht schlecht, sondern genauso, wie es funktionieren soll. Ich denke, wir können das nur ändern, wenn wir das Wirtschaftssystem komplett ändern.

Die soziale Sicht

Ken Loach

  • Mehrfach ausgezeichneter britischer Regisseur
  • Bekannt für seinen provokativen sozialkritischen Realismus
  • Loach ist seit gut 50 Jahren im Filmgeschäft
  • Erhielt seine zweite Goldene Palme für sein jüngstes Werk “I, Daniel Blake”.

euronews
Was ist mit Rassismus, mit Diskriminierung? Wir sehen Bewegungen wie Black Lives Matter in den USA, andererseits gibt es den ersten afroamerikanischen Präsidenten in der Geschichte, und dennoch hat die Polizeigewalt gegen Schwarze zugenommen.

Ken Loach
Menschen verhalten sich rassistisch und Rassismus nimmt zu, wenn die Menschen verzweifelt sind. Gegenseitiges Wohlwollen existiert dann, wenn die Menschen stark sind. Es heißt ja, Großzügigkeit ist Stärke, die man teilen kann. Und Menschen sind großzügig und tolerant zueinander, sie kooperieren, wenn sie darauf vertrauen können, dass sie in Sicherheit sind, wenn sie keine Angst um die Zukunft haben müssen. Man braucht also ein Wirtschaftssystem, das genau das leistet, das Sicherheit bietet. Normalerweise wollen wir als gute Nachbarn zusammen leben, nicht wahr? Wenn du zu wenig Milch hast, kommst du rüber und leihst dir welche. Oder, wenn ich mich ausgeschlossen habe, klettere ich durch dein Fenster, um dann in meine Wohnung zu gelangen. Wir sind gute Nachbarn. Aber wenn Menschen wütend sind, wenn sie sich voneinander entfremden, wenn sie Sorgen haben, dann sinkt die Großzügigkeit.

euronews
Die Präsidentschaftswahl in den US steht kurz bevor. Welche Folgen wird die Wahl Ihrer Ansicht nach für Europa haben?

Ken Loach
Sollte Hillary Clinton gewinnen, wird es weitergehen wie bisher. Business as usual. Es wäre eine abgebrühte, wirtschaftsorientierte Regierung. Wenn Trump gewinnt, dann gnade uns Gott. Dann können wir nur noch in Deckung gehen. Die Vorstellung, dass dieser Mann seine Finger auch nur in der Nähe der Atomwaffen hat, ist der Stoff für Albträume. Aber ein Sieg Clintons wäre auch keine gute Nachricht, denn sie wird die Interessen des amerikanischen Kapitals weiter durchdrücken.

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