Wie Europa Menschenrechte verletzt - 10 Beispiele

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Von Alexandra Leistner
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Die UN-Menschenrechtscharta wird in diesem Jahr 70 Jahre alt - wo stehen wir in Europa heute?

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"Der Kampf um Menschenrechte wird niemals, an keinem Ort und zu keinem Zeitpunkt gewonnen werden", so der Tenor eines neuen Berichts zur Menschenrechtslage.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erinnert darin, "Menschenrechte sind nicht selbstverständlich" und prangert eine zunehmende "Politik der Dämonisierung" an.

Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass Menschen sich zum Protest versammeln, ihre Regierungen kritisieren, in Alter und Krankheit sozial abgesichert sind, dass Kinder saubere Luft atmen und dass junge Menschen nach ihrer Ausbildung eine Arbeit finden.

In dem 400-Seiten schweren Dokument sind zahlreiche Vergehen gegen die universellen Menschenrechte weltweit gelistet. In Europa ist die Lage allgemein besser als in anderen Teilen der Welt - doch auch dort werden täglich Menschenrechte verletzt. Durch...

1. Sparpolitik

Amnesty International nimmt die Auswirkungen der Sparpolitik seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 unter die Lupe. Von den strengen Sparmaßnahmen seien grundlegende Menschenrechte wie Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit oder Wohnen betroffen. Das betreffe unter anderem Griechenland, Serbien, Spanien und Großbritannien.

2. Behandlung von Einwanderern und Flüchtlingen

Der Zustrom von Migranten und Flüchtlingen hat sich fast halbiert, auch dank der Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Libyen und der Türkei. Diese Politik stelle jedoch die Rechte von Flüchtlingen und Einwanderern in Frage. Die NGO kritisiert, dass die europäischen Staaten die Abkommen über die Umverteilung von Flüchtlingen nicht eingehalten haben. Die Länder am Mittelmeer - vor allem Griechenland und Italien - seien immer noch überfüllt sind.

Amnesty weist auch auf willkürliche Kürzungen der Asylrechte und Zwangsdeportationen hin.

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Flüchtlinge in Serbien leben unter "unmenschlichen" BedingungenAmnesty International

3. Sicherheits- und Anti-Terror-Maßnahmen

Laut Amnesty wenden europäische Länder unverhältnismäßige und diskriminierende Rechtsvorschriften im Namen der Terrorismusbekämpfung an. Die Richtlinie zur Bekämpfung des Terrorismus sei sehr weit gefasst und von den EU-Mitgliedsstaaten zweideutig angewandt.

Auch Gesetze, die eine Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren zulassen, sind laut der NGO weit verbreitet. Dazu sei es unter anderem in Bayern gekommen.

4. Frauenrechte

Die weltweiten Auswirkungen der #MeToo-Bewegung, in deren Zug Frauen sexuellen Missbrauch und Belästigung anprangern, zeige, dass Frauenrechte in ganz Europa weiterhin eingeschränkt werden.

Auch der Zugang zu legalen Abtreibung, vor allem in Malta, aber auch in Irland, Nordirland und Polen sei besorgniserregend.

In Norwegen oder Schweden gebe es Defizite im Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt.

5. Rechte von LGBT

Der Bericht verurteilt Verhaftungen und Gesetzgebung in Osteuropa (Aserbaidschan, Georgien, Usbekistan), begrüßt aber auch einige Fortschritte, etwa in Russland.

Amnesty erinnert daran, dass es immer noch 35 Länder gibt, die eine Diagnose der psychischen Gesundheit von Transsexuellen fordern, die eine Operation zur Geschlechtsumwandlung beantragen.

6. Minderheiten

Diskriminierung ist laut Amnesty eines der häufigsten Probleme in Westeuropa.

Die Slowakei und Ungarn praktizierten einen "Staatsrassismus" gegenüber Roma, der auch von der Europäischen Kommission angeprangert wurde. Italien wird für seine Behandlung der Roma-Gemeinde gelobt.

Diskriminierung von Muslimen: Amnesty kritisiert unter anderem Gesetze, die die Vollverschleierung im öffentlichen Raum verbieten.

7. Versammlungsfreiheit

Zum wiederholten Mal weisen die Menschenrechtler auf die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Osteuropa, Russland, Kirgisistan, Weißrussland hin. In Westeuropa weisen sie auf Einschränkungen des Demonstrationsrechts in Deutschland, Frankreich, Polen oder Spanien hin. Sie prangern auch die übermäßige Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten an.

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Die Unterdrückung des Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens schließt die Sektion und verurteilt die "unnötige und unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten" und die Verletzungen, die sie erlitten haben.

Reuters
Polizei und Demonstranten in KatalonienReuters

8. Restriktive Gesetze

Amnesty verurteilt, dass es immer mehr Gesetze gebe, die darauf abzielen, die Handlungsfreiheit von Aktivisten und NGOs einzuschränken. Neben Russland und Ungarn werden hier auch Polen, Moldawien und die Ukraine genannt.

9. Recht auf freie Meinungsäußerung

In Russland, Weißrussland, Tadschikistan, Kasachstan, Aserbaidschan oder Usbekistan gebe es die größte "Zensur" - mit Dutzenden von politischen Gefangenen. Zudem wird die Türkei hier mehrfach erwähnt und an die mehr als 100 Journalisten, die noch immer im Gefängnis sitzen, erinnert.

10. Hassrede und Populismus

Ohne ihm ein eigenes Kapitel zu widmen, warnt der Bericht vor der europaweiten Nutzung von Terrorismus, Einwanderung, wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Schaffung eines ausführlichen Hass-Diskurses. "In Österreich, Frankreich, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden versuchten einige Kandidaten, soziale und wirtschaftliche Ängste in Angst und Schuld zu verwandeln, insbesondere gegen Einwanderer, Flüchtlinge und religiöse Minderheiten."

Amnesty lobt aber auch, dass 2017 die Bereitschaft der Menschen, für ihre Rechte und für die Werte zu kämpfen, zugenommen habe. "Neue und schwere Bedrohungen haben dem Geist des Protests Sauerstoff gegeben."

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