Türken in Deutschland: "Da ist auch ein Hang zum Autoritären"

Danyal Bayaz
Danyal Bayaz Copyright © Stefan Kaminski
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Von Kirsten Ripper
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Vor der Abstimmung in der Türkei erklärt der deutsche Grünen-Abgeordnete Bayaz Danyal, was die Wählerinnen und Wähler vor Ort von denen in Deutschland unterscheidet.

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Der deutsche Abgeordnete der Grünen Danyal Bayaz (34) hat in Deutschland seine Stimme zur Wahl in der Türkei abgegeben. Er besitzt schon immer zwei Pässe, seine Mutter ist Deutsche, der Vater kommt aus der Türkei. Euronews hat mit Danyal Bayaz über die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gesprochen.

euronews: Was meinen Sie: was ist diesmal anders bei den Wahlen in der Türkei?

Danyal Bayaz: Es hat schon was von täglich grüßt das Murmeltier: Alle schauen gespannt und hoffnungsvoll auf die Wahlen, am Ende heißt der Sieger dann trotzdem immer: Erdogan. Dieses Mal ist es allerdings so, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Türkei verschlechtert hat. Das hat natürlich auch was mit der Politik in der Türkei zu tun, und das merken die Menschen.

euronews: Ist die Stimmung auch unter den türkischen Wählerinnen und Wählern in Deutschland anders als in den Jahren zuvor?

Danyal Bayaz: Die Stimmung ist polarisiert - ähnlich wie beim Referendum. Der Spalt geht mitten durch die türkische Community, durch Familien, durch Freundschaften. Immerhin konnten wir verhindern, dass türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden stattfindet. Ich denke diese Abwägung war richtig, um die Polarisierung nicht weiter zuzuspitzen.

euronews: Welches ist Ihrer Meinung nach das Hauptthema der Wählerinnen und Wähler in der Türkei? Und welches für die Wählerinnen und Wähler in Deutschland?

Danyal Bayaz: Die Hauptthemen für die Wählerinnen und Wähler in der Türkei sind zum einen klassische Themen wie wirtschaftliche Situation, Arbeitsplätze, Sicherheit. Natürlich wird aber auch um die rechtsstaatliche Verfassung des Landes und die Lage von Minderheiten gestritten. Für viele Auslandstürken sind diese Dinge ja eher sekundär. Für sie spielen Symbole noch stärker eine Rolle: Ist die Türkei ein großes Land? Wird sie angemessen und stolz durch die politische Führung nach außen repräsentiert. Da ist auch schon ein Hang zum Autoritären.

Zurück auf einen Weg von Freiheit und Demokratie

euronews: Was sollte sich Ihrer Meinung nach in der Türkei ändern?

Danyal Bayaz: Ich lebe in Deutschland, für mich ist wichtig, was hier passiert. Aber für die Menschen - insbesondere für diejenigen, die zu Unrecht in Haft sitzen - wünsche ich mir, dass das Land zurück auf einen Weg von Freiheit und Demokratie zurückfindet. Also Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Pressefreiheit. Die fundamentalen demokratischen Basics eben. Eine demokratische Türkei, das ist auch im Interesse der Bundesrepublik, gerade jetzt, wo der liberale Rechtsstaat auch in Europa in Bedrängnis ist.

euronews: Was halten Sie für das wahrscheinlichste Szenario nach der Wahl?

Danyal Bayaz: Gerade wegen der wirtschaftlich angespannten Situation sehen Beobachter die Möglichkeit einer Stichwahl voraus, was die Präsidentschaftswahl angeht. Allerdings würde es mich schon sehr überraschen, wenn ein Kandidat wie Ince von der CHP dann mehr Wähler mobilisieren kann als Erdogan. Da ist es wahrscheinlicher, dass Erdogan und seine AKP im Parlament die Mehrheit verlieren, da dieses Mal mehr Parteien die Chance haben über Wahlbündnisse ins Parlament zu kommen. Dann müsste aber auch erst einmal eine Mehrheit gefunden werden, was schwierig genug wird. Außerdem ist das Parlament ja seit dem Verfassungsreferendum geschwächt, die Macht konzentriert sich beim Staatspräsidenten. Und daher gilt erst Recht: Jede Stimme zählt.

Auf Twitter finden Sie Danyal Bayaz unter @DerDanyal

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