Fischereisektor: Frauen erobern Männerdomäne

Mit Unterstützung von The European Commission
Fischereisektor: Frauen erobern Männerdomäne
Von Denis Loctier
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In der Blue Economy stoßen Frauen zwar immer noch auf Barrieren, aber heute kämpfen immer mehr Frauen für ihre Rechte und Gleichstellung.

Wie in vielen anderen Bereichen stoßen Frauen auch in den Bereichen Fischerei und Aquakultur in Männerdomänen vor. Inzwischen spielen sie in der Blue Economy eine Schlüsselrolle. Aber noch zu oft wird ihre Arbeit nicht anerkannt und ist unterbezahlt. Begrenzte Berufswahl, ungerechte Lohnunterschiede - viele Frauen haben es schwer, sich in diesem von Männern dominierten Sektor durchzusetzen. Auf welche Barrieren stoßen sie? Das ist das Thema dieser Folge von Ocean. Dazu stellen wir ihnen inspirierende Geschichten vor: Wie Muschelsammlerinnen in Galicien die Gleichstellung der Geschlechter fördern und Frauen ihre eigene Thunfischfabrik gründen.

Im nordspanischen Galicien verdienen die Muschelsammlerinnen, die "Mariscadoras" mit den Meeresfrüchten aus den Sandbänken Galiciens rund 1000 Euro im Monat. Früher wurde diese Tätigkeit nicht als echte Arbeit anerkannt: Finanzielle Stabilität und Arbeitsrechte fehlten. 

"Schon immer haben Frauen Muscheln gesammelt, um ein bisschen extra Geld zu verdienen, um das Gehalt des Mannes aufzubessern. Aber heute ist es wirklich ein echter Job", erzählt María Rosa Vilán Blanco, Präsidentin des Mariscadoras-Verbandes, Arcadia Fischerinnung. "Es gab Frauen, die keine Sozialversicherung hatten. Wenn sie in Rente gingen, gab es Probleme, da ihre Arbeitsjahre nicht anerkannt wurden."

In den Neunziger Jahren begannen die Frauen, für ihre Rechte zu kämpfen

In den Neunziger Jahren begann sich die Situation zu ändern. Die Mariscadoras-Organisationen schlossen sich den Fischerzünften an: Sie wurden als Arbeitnehmerinnen des Fischerei-Sektors anerkannt, erhielten Rechtsschutz und soziale Sicherheit. Sie müssen strenge Quoten für die Bewirtschaftung der Bestände einhalten. Ihre Rechte verteidigen die Muschelsammlerinnen heute in einer starker nationalen Vereinigung, die über 30.000 Frauen in Spanien vertritt.

"Wir müssen für die gleichen Ruhestandsregeln kämpfen, wie sie die Fischer auf den Booten haben. Wir müssen dafür kämpfen, dass unsere Berufskrankheiten als solche anerkannt werden", so Rita Míguez de la Iglesia, Präsidentin der nationalen Vereinigung der Fischerinnen ANMUPESCA. "Und wir müssen darum kämpfen, in Entscheidungsgremien und Kommissionen vertreten zu sein, in denen es um unsere Arbeit geht."

Im Fischereisektor sind Frauen unsichtbar

In Europa und weltweit sind viele Frauen im Fischereisektor statistisch und rechtlich unsichtbar. Die Netzflickerinnen im Hafen von Vigo arbeiten im Freien, sitzen auf dem Betonboden, sie flicken Netze für sechs Euro pro Stunde. Sie werden aber nicht als Arbeitnehmerinnen des Fischereisektors anerkannt, haben nicht die gleichen Rechte:"Ich finde es unlogisch, dass Menschen, die im Büro arbeiten, vorzeitig in den Ruhestand gehen können, und wir nicht. Das ist nicht fair", beklagt die Netzflickerin  Manola Bamio. "Sie haben bequeme Arbeitsbedingungen, während wir unsere Gesundheit gefährden und bei Hitze und Kälte arbeiten. Wir haben das Risiko von Infektionen, schlechter Haltung, Probleme mit dem Rücken, dem Hals, unseren Händen. Wir haben all diese Gesundheitsprobleme, aber sie werden nicht anerkannt."

Dabei erobern immer mehr Frauen diesen Bereich, wie euronews-Reporter Denis Loctier weiß: 

"Laut Schätzungen arbeiten mehr als 100.000 Frauen in Europas Fischereisektor. Genaue Statistiken fehlen, aber nach den verfügbaren Daten stellen Frauen etwa 13 Prozent der Mitarbeiter in der Fischerei, ein Viertel der Arbeitskräfte in der Aquakultur und mehr als die Hälfte im Bereich der Verarbeitung von Meeresfrüchten."

Einbruch in die Männerdomäne

Schiffsbesatzungen bestehen fast ausschließlich aus Männern. Oft sind es die Frauen der Fischer, ihre Schwestern oder Töchter, die Netze reparieren, Boote reinigen oder Verwaltungsaufgaben übernehmen, vor allem in kleinen Unternehmen. Die Galicische Stiftung für Fischerei und Meeresfrüchte FUNDAMAR initiierte mit Unterstützung der EU mehrere Projekte, um gegen die Unsichtbarkeit von Frauen zu kämpfen und die Gleichstellung der Geschlechter in diesem Sektor zu fördern:

"Diese Unsichtbarkeit ist darauf zurückzuführen, dass die Arbeit von Frauen immer geringer geschätzt wurde. Während Männer auf See gingen, arbeiteten Frauen an Land", so FUNDAMAR-Generaldirektorin María Caldeiro. _"Ihre Arbeit war genauso notwendig wie die der Männer, aber sie wurde als etwas Ergänzendes angesehen und weder sozial noch wirtschaftlich anerkannt."

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Im Verarbeitungssektor verrichten Frauen oft einfache Arbeiten in Fabriken, die von Männern geführt oder sich in ihrem Besitz befinden. Aber diese Konservenfabrik im Norden Galiciens wurde von drei Frauen gegründet - mit Unterstützung von FARNET, einem lokalen Entwicklungsnetzwerk im Rahmen des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF).

Die Konservenfabrik, die auf nachhaltig gefischten Thunfisch in Olivenöl spezialisiert ist, wächst und hat eine neue Marke von Fertiggerichten eingeführt: 

"Ich bin eigentlich Innenarchitektin, aber durch den Arbeitsalltag in Galicien bin ich auf diesen Bereich gestoßen. Und aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit nach der Krise 2010 habe ich darüber nachgedacht, wie ich die bestehenden Arbeitsmöglichkeiten in meinen Beruf umwandeln könnte", so Nieves Medina, Mitbegründern, Currimar Konservenfabrik. "Das Wesentliche ist meiner Meinung nach, dass die Öffentlichkeit wahrnimmt, dass es Frauen gibt, die Muscheln sammeln, ein Boot steuern oder viel Gewicht auf dem Rücken tragen. Dass es Unternehmen gibt, die von Frauen gegründet und geleitet werden. Damit neue Frauengenerationen den Staffelstab übernehmen und durchstarten können."

Solche Erfolgsgeschichten sind inspirierend - aber es bedarf noch weiterer Anstrengungen, um die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen, das Lohngefälle zu verringern und andere geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Blue Economy zu beseitigen.

Journalist • Sabine Sans

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