Aleksandra Dulkiewicz: Solidarität ist der Schlüssel zur Stadt

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Die Bürgermeisterin von Danzig, Aleksandra Dulkiewicz, spricht im Interview mit Euronews über ihre Stadt Danzig und die Gesellschaft in Polen.

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Die polnische Stadt Danzig erhält in diesem Jahr den Prinzessin-von-Asturien-Preis für Eintracht. Die Stadt wurde bei der Zeremonie in Oviedo von ihrer Bürgermeisterin Alexandra Dulkiewicz repräsentiert, die dieses Amt von ihrem Vorgänger Pawel Adamowicz übernahm. Er wurde im vergangenen Januar während einer öffentlichen Veranstaltung in Danzig von einem rechtsextremen Aktivisten erstochen.

Euronews: "Frau Dulkiewicz, wie hat sich Ihre Stadt nach dem tragischen Tod des ehemaligen Bürgermeisters Adamowicz erholt?"

Alexandra Dulkiewicz: "Es war keine einfache Zeit für die Bürger von Danzig, was natürlich verständlich ist. Wenn ich durch die Straßen gehe, sehe ich viele Menschen, die immer noch traurig sind, weil niemand versteht, warum das passiert ist. Herr Adamowicz war 20 Jahre Bürgermeister, 29 Jahre lang war er für die Stadt tätig, er war auch Mitglied im Stadtrat. Die meisten kennen die Stadt nicht ohne Bürgermeister Adamowicz. In emotionaler Hinsicht ist das also extrem schwierig. Aber was für mich persönlich und auch für die Familie das Wichtigste ist: Wir haben sehr schnell, schon einen Tag nach seinem Tod, ganz offen gesagt, dass wir nicht wollen, dass diese Tragödie politisch genutzt wird. Wir wollen nicht, dass diese Tragödie die Gesellschaft in Danzig und in Polen spaltet."

Euronews: "Das wäre meine zweite Frage: War dieses tragische Ereignis ein Wendepunkt für die polnische Gesellschaft insgesamt?"

Dulkiewicz: "Ich hatte gehofft, dass das etwas ändern könnte. Ich wollte wirklich, dass diese Tragödie die Menschen zusammenhält, dass dieses Tragische sich zu etwas Gutem wandelt, dass wieder eine Gemeinschaft aufgebaut wird. Vor allem, weil die letzten Worte des Bürgermeisters sich genau darum drehten: Wir sind gut, und wir wollen das Gute teilen. Wenn wir uns verändern wollen, müssen wir zunächst bei uns selbst anfangen, unsere Sprache verändern und wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Wir müssen versuchen, das Gute in uns zu finden – das, was uns zusammenbringen kann und nicht trennt."

Euronews: "Frau Dulkiewicz, glauben Sie nicht, dass es nicht nur ein Kommunikationsproblem ist, sondern auch ein politisches, ein strukturelles? Glauben Sie nicht, dass sich die Geschichte nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems zu schnell entwickelt hat und viele Menschen nicht mehr den Anschluss gefunden haben?"

Dulkiewicz: "Seit siebzig Jahren, seit Ende des Zweiten Weltkriegs waren wir nicht mehr in einer so guten Position. Meiner Meinung nach liegt die Verantwortung, eine Gesellschaft aufzubauen bei der Regierung. Es ist immer einfach, viele Menschen zusammenzubringen, wenn man einen Feind sucht. Das ist leider unser alltägliches Leben in Polen. Vor vier Jahren zum Beispiel waren die größten Feinde die Einwanderer, heute ist es die LGBT-Gemeinschaft."

Euronews: "Warum bekommen, Ihrer Meinung nach, die liberalen Ideen so viel Gegenwind von der konservativen Seite?"

Dulkiewicz: "Ich würde nicht sagen, dass die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit eine konservative Partei ist. Meiner Meinung nach ist das nicht richtig, denn ich selbst würde mich als eine liberale Konservative beschreiben. Ich vertraue den grundlegenden Werten, wie zum Beispiel der Menschenwürde."

Euronews: "Wo sehen Sie das Problem?"

Dulkiewicz: "Das Problem ist, dass es Politiker und Regierungsparteien gibt, die ausschließlich auf unsere Ängste bauen – das hat meiner Meinung nach nichts mit konservativen Werten zu tun. Aber es gibt beispielsweise viele Bischöfe, die sehr offen sind, im Sinne von echten Christen, die sich für andere Werte einsetzen."

Euronews: "Ich habe eine letzte Frage, bezüglich Ihrer Stadt und ihrem Symbol, den Lenin-Werften: Diese heißen heute Danzig-Werften und sind aus wirtschaftlichen Gründen geschrumpft - vor allem während der Übergangszeit, der Schocktherapie. War das eine große Belastung für Ihre Stadt und für Polen insgesamt?"

Dulkiewicz: "Nein, nicht wirklich, denn in der ganzen Welt und überall in Europa finden diese Umstrukturierungen in den Werften und den Produktionen statt. Leider wurde das Symbol der Werft in Danzig, die ja Lenin-Werft hieß, auch für politische Zwecke verwendet: Sie wurde von der polnischen Regierung gekauft. Früher war sie sehr wichtig, zum Beispiel beim Bau von Windrädern oder in der Stahlproduktion. Aber was noch wichtiger ist: Es gibt so viele private, kleinere Werften, die in Danzig und Umgebung sehr erfolgreich sind."

Euronews: "Eine allerletzte Frage: "Warum ist diese Auszeichnung, der Preis der Prinzessin von Asturien, für diese Stadt wichtig?"

Dulkiewicz: "Wir sind nicht nur eine symbolische, eine historische Stadt, sondern unsere tägliche Arbeit ist wichtig: unsere liberale Politik, die alle Menschen gleich behandelt, egal woher sie kommen, basierend auf Werten wie Solidarität, Freiheit und Menschenwürde. Und hier sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg."

Euronews: "Solidarität ist das Schlüsselwort für Ihre Stadt - Solidarnosc?"

Dulkiewicz: "Ja, das stimmt. Das bezieht sich nicht nur auf die Geschichte, sondern auch auf den Alltag. Ich hoffe, dass das die Lösung für unseren Alltag ist, für Polen und für Europa."

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