Luigi di Maio: "Die EZB muss das Schuldenmachen unterstützen"

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Von Giorgia Orlandi
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Der italienische Außenminister im Gespräch mit euronews über den "italienischen Weg" in Zeiten der Coronakrise.

Italien war das erste westliche Land, das mit einem Covid-19-Notstand konfrontiert war. Das Krisenmanagement wurde als "italienisches Modell" bezeichnet, es ist auch das Land, das den höchsten Preis bezahlt. Darüber spreche ich mit Italiens Außenminister Luigi Di Maio.

Euronews-Reporter Giorgia Orlandi:
Herr Minister, danke, dass Sie bei uns sind. Die Zahlen sind nicht ermutigend. Italien hat sich dafür entschieden, nicht den gleichen Weg zu gehen wie Südkorea bzw. China. Was geht schief?

Luigi di Maio, italienischer Außenminister:
Vor mehr als einer Woche hat Italien strengste Einschränkungs-Maßnahmen eingeführt, damit die Menschen zu Hause bleiben. Es sind die restriktivsten Maßnahmen, die ein Land der westlichen Welt, insbesondere in den europäischen Ländern, ergriffen hat, und es ist unser Ansatz, um so schnell wie möglich aus dieser Krise herauszukommen. Heute gibt es das "italienische Modell", in dem strengere Regeln als in allen anderen Ländern gelten. Diese Maßnahmen wenden wir im verfassungsrechtlichen Rahmen an, da die Bürger block iert und ihnen bestimmte Rechte und Grundfreiheiten verweigert werden.

Ist eine europäische Einheit noch möglich?

Euronews:
Herr Minister, man beobachtet ein geteiltes Europa bei der Bewältigung der Krise. Verschiedene Mitgliedsstaaten haben ihre eigenen Entscheidungen ohne Abstimmung getroffen. Wir haben die schrittweise Schließung der Grenzen innerhalb der Europäischen Union und die Aussetzung des Schengenraums erlebt. Einige bezeichnen das als den Beginn des Scheiterns Europas. Sind wir Ihrer Meinung nach an einen Punkt angelangt, an dem die europäische Einheit unmöglich erscheint?

Luigi di Maio:
Sicherlich bedeutet diese globale Krise eine große Verantwortung für die Europäische Union. Es ist eine entscheidende Zeit für die Europäische Union. Und wie immer, wenn wir mit unvorhergesehenen Herausforderungen konfrontiert werden, brauchen wir außerordentliche Maßnahmen. Es ist unmöglich, eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise wie die, die wir gerade erleben und die ganz Europa in eine Rezession stürzen wird, mit gewöhnlichen Mitteln zu bewältigen. Deshalb ist es sehr wichtig, und ich spreche im Namen Italiens, dass alle politischen Kräfte, auch diejenigen, die vielleicht versucht sind, die Europäische Union zu verlassen, heute Eurobonds fordern. Eurobonds sind eine große Chance für Europa, um zu zeigen, dass man auf eine Krise wie diese reagieren kann. Sicherlich gehen wir alle heute mit Eurobonds Risiken ein, aber wir könnten morgen große Chancen teilen. Wenn wir an einem Impfstoff arbeiten, der unsere Bevölkerungen für immer schützt, dann können wir es uns nicht leisten, das zu verzögern. Und wie können wir den Prozess beschleunigen, einen Impfstoff zu entwickeln? Mit einer großen internationalen Allianz für Impfstoffe. Wir können nicht zulassen, dass der Impfstoff einigen wenigen Menschen dient, er muss für alle sein.

Europa kann ohne Italien nicht existieren

Euronews:
Sie sprachen wirtschaftlichen Reaktionen an. Europa reagiert mit der 'EZB-Kur' einerseits mit einem 750-Milliarden-Euro-Plan, andererseits ist der Stabilitätspakt ausgesetzt worden. Sie haben die Eurobonds erwähnt. Was bedeuten diese Maßnahmen für Italien und wie wird das Land sie nutzen?

Luigi di Maio:
_Ich denke, dass die Aussetzung des Stabilitätspakts ein wichtiges Signal ist, dass Europa, die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die schwierige Situation verstanden haben, in der sich Italien befindet, in der wir aber alle stecken. Die Aussetzung des Stabilitätspakts muss die Unterstützung der Europäischen Zentralbank bei der Ausgabe von Staatsanleihen einschließen. Wir wollen auch die Formel befolgen, die Mario Draghi vor kurzem angedeutet hat: In Kriegszeiten - denn Italien ist derzeit mit einem unsichtbaren Feind, dem Virus, im Krieg -, müssen die Länder Schulden machen, um Investitionen zu tätigen. Und natürlich muss dieses Schuldenmachen von der Zentralbank unterstützt werden. Auf der Ebene der Europäischen Union ist es für niemanden von Vorteil, Italien, die zweitgrößte Produktionsstätte in Europa, in Schwierigkeiten zu sehen. Alle in der Europäischen Union müssen davon überzeugt werden, dass die Europäische Union ohne Italien nicht existieren kann. Der europäische Binnenmarkt kann nicht ohne die produktive Kraft und Kapazität unserer Unternehmer existieren.
_

Hilfe aus der ganzen Welt

Euronews:
Lassen Sie uns über China vor dem Ausbruch der Pandemie sprechen - Italien war ein wichtiger Partner für China in Europa. Dann hat die Angst vor der Ausbreitung des Virus in Italien zunächst die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern etwas abgekühlt. Aktuell sieht man, dass China bereit ist, medizinische Hilfe und medizinisches Personal zu schicken. Wie haben sich diese Beziehungen entwickelt, und ist das nur Propaganda oder ist diese Hilfe Chinas wirklich aufrichtig?

Luigi di Maio:
Schon vor dieser Krise haben wir China immer als Handelspartner betrachtet. Und unsere Beziehung zu China kann, wie wir bereits in der Vergangenheit gesagt haben, unsere geopolitische Position in unseren Bündnissen mit der NATO und den USA sowie auf europäischer Ebene nicht beeinflussen. Man kann in diesen Zeiten nicht daran denken, dass die Hilfe, die nicht nur von China kommt, Italien dazu bringen wird, seine geopolitische Position zu ändern. Wir sind Verbündete der USA, wir sind in der NATO und wir sind in der Europäischen Union. Historisch gesehen war der "italienische Weg" immer ein Verhalten Italiens als Brücke zwischen dem Westen und dem Osten mit guten Beziehungen zur ganzen Welt, und dank dieser Beziehungen gibt es überall auf der Welt Länder, die uns helfen.

Euronews:
Sie haben bereits über Russland gesprochen, das eine bedeutende Hilfsmission für Italien vorbereitet, was einige Zweifel hervorruft. Es gibt Stimmen, die sich Sorgen darüber machen, wie internationale Allianzen nach dem Ende der Pandemie aussehen könnten. Was ist Ihre Antwort darauf? Und was ist der wahre Zweck dieser russischen Mission?

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Luigi di Maio:**
Es gab ein Telefongespräch zwischen Ministerpräsident Conte und Präsident Putin. Die Russische Föderation hat Gesichtsmasken, Beatmungsgeräte sowie medizinisches Personal und Teams zur Desinfektion öffentlicher Gebäude und unserer Städte geschickt. Sie haben auf ihre eigene Art und Weise in einem Akt der Solidarität geholfen. Italien ist kein Land, das aufgrund der geleisteten Hilfe befürchten muss, dass es sich anderen Staaten unterwerfen muss. Wir sind in der G7, und wir haben viele Freunde in der Welt.

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