Fleischproduzent Tönnies: "Johlende Menge brüllte: 'Hängt ihn auf!'"

Fleischproduzent Tönnies (2018)
Fleischproduzent Tönnies (2018) Copyright Martin Meissner/AP
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Von Euronews mit dpa, WELT AM SONNTAG
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In einem Interview spricht Unternehmer und Ex-Schalke-Boss Clemens Tönnies über die Anfeindungen nach den Coronavirus-Infektionen in seinen Schlachthäusern.

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In den vergangenen Tagen war wieder ein Schlachthaus des Fleischfabrikanten Clemens Tönnies ein Coronavirus-Cluster. Mehr als 170 Beschäftigte in Weißenfels in Sachsen-Anhalt wurden positiv getestet. Im Interview mit WELT AM SONNTAG äußert sich der Firmenchef und Ex-Präsident des derzeit kriselnden Fußballclubs FC Schalke 04 Clemens Tönnies zu den Vorwürfen und Anfeindungen.

"Trotz größter Vorsichtsmaßnahmen bleibt es offenbar nicht aus, dass sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen während einer Pandemie infizieren. Aber die innerbetriebliche Ausbreitung des Virus, was erst einmal entscheidend ist, hat nicht stattgefunden“, sagte Tönnies in WELT AM SONNTAG. „In unseren Betrieben wird jeder zweimal wöchentlich getestet, Reiserückkehrer und Zerleger sogar dreimal, manche Arbeitsplätze viermal. Seit Wiedereröffnung haben wir über 200.000 Tests durchgeführt.“

Schlachthäuser sind offenbar wegen der Arbeit in der Kälte besonders vom Coronavirus betroffen, aber immer wieder werden auch die beengten Wohnverhältnisse der Beschäftigten, die oft aus Osteuropa kommen, kritisiert.

Im Interview sprach Deutschlands größter Fleischproduzent über die angespannte Stimmung - nachdem sich im Sommer im Landkreis Gütersloh im Hauptwerk mehr als 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infiziert hatten.

"Eine johlende Menge stand vor meinem Haus und brüllte: 'Hängt ihn auf!'"

Am schlimmsten war für Tönnies "dass eine Menge vor meinem Haus stand und gebrüllt hat: ‚Hängt ihn auf!‘“, sagte er im Interview mit WELT AM SONNTAG. "Ich selbst habe keine Angst gehabt, aber ich fürchtete um meine Familie."

Im gesamten Landkreis Gütersloh gab es nach dem Ausbruch in der Fleischfabrik einen Lockdown.

Tönnies zu Schalke: "Ich bin völlig raus"

Zu seinem angeschlagenen Ex-Club sagte der 64-Jährige: "Schalke war 26 Jahre mein Lebensinhalt, es waren Traumjahre mit sehr viel Verantwortung und unglaublichem Erfolg. Jetzt habe ich die Pflicht, mich noch intensiver um mein Unternehmen zu kümmern. Deswegen bin ich gegangen." Und auf die Frage, ob ihm der wahrscheinliche Abstieg weh tue, meinte er nur: "Ich drücke die Daumen, dass dies nicht geschieht. Ich bin völlig raus bei Schalke. Mehr gibt es nicht zu sagen."

Der Fußball-Bundesligist FC Schalke 04 hatte schon im Oktober klar gestellt, dass der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies keine "offizielle" und auch keine "inoffizielle" Funktion mehr im Verein hat. "Er zieht keine Fäden im Hintergrund und will das auch gar nicht", sagte Alexander Jobst, Vorstand Marketing, Vertrieb und Organisation, in einem Interview.

Beim 0:8 in München zu Saisonbeginn hatte Tönnies mit den Schalker Verantwortlichen zusammen auf der Tribüne der Allianz-Arena gesessen. Ein Bild, das Jobst später als "verheerend" bezeichnete.

Tönnies selbst hatte bereits im Herbst der "Welt" gesagt, dass er nach seinem Rücktritt von der Spitze im Aufsichtsrat am 30. Juni einen Schlussstrich unter sein persönliches Engagement im Verein gezogen habe und sich auf sein Fleischunternehmen konzentrieren wolle.

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