Lithium-Abbau in Portugal: Chance oder Umweltfrevel?

Lithium-Abbau in Portugal: Chance oder Umweltfrevel?
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Von Bryan Carter, Sabine Sans
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Bislang wird das Leichtmetall in kleinen Mengen für die Keramik-Industrie abgebaut. Das soll sich jedoch ändern, denn die weltweite Nachfrage wächst beständig und Portugals Regierung sieht eine große Chance, das Land mit dem Abbau aus der Krise zu führen.

**Laut Studien hat Portugal die größten Lithiumvorkommen in Europa. Bislang wird das Leichtmetall in relativ kleinen Mengen für die Keramik-Industrie abgebaut. Das soll sich jedoch ändern, denn die weltweite Nachfrage wächst beständig und Portugals Regierung sieht eine große Chance, das Land mit dem Abbau aus der Krise zu führen. Lithium ist in Batterien für Elektronikgeräte und vor allem in den Akkus der E-Autos. Aktuell werden 56 Prozent des verkauften Lithiums in der Batterieproduktion gebraucht. Tendenz steigend. Unter anderem die Hügel im Norden Portugals sind reich an Lithium, einem wichtigen Bestandteil für wiederaufladbare Batterien. Wie stehen Einheimische zu einem Abbau des Leichtmetalls und was wären die Umweltauswirkungen? Eine Unreported-Europe-Reportage ist diesen Fragen nachgegangen. **

Widerstand gegen Lithium-Abbau in der Barroso-Region

In der abgelegenen Barroso-Region im Norden Portugals sorgt sich Schäfer Paulo Pires um seine Tiere und seinen Lebensunterhalt. Die reichen Weidegründe sind bedroht, denn unter den Hügeln liegen große Lithium-Vorkommen, die bald über Tagebau ausgebeutet werden sollen:

"Ich bin gegen die Mine", sagt der Schafhirte. "Sie wird nichts Gutes bringen. Deshalb bin ich dagegen. Es geht gegen alles, was ich mein ganzes Leben lang getan habe und weiterhin tun werde, nämlich als Hirte bei meinen Schafen zu sein."

In diesen Bergen liegt einer der Schlüssel für Europas Energiewende zur CO2-Neutralität, denn Lithium ist für die Batterien von Elektrofahrzeugen und die Speicherung erneuerbarer Energien unerlässlich.

Das seltene Metall wurde in etwa 10 verschiedenen Gebieten in ganz Portugal entdeckt. In dem friedlichen Dorf Covas do Barroso könnte bald die größte Mine ihrer Art in Westeuropa stehen. 200.000 Tonnen des lithiumreichen Gesteins könnten pro Jahr aus diesen Bergen geschürft werden. Doch der Lithiumabbau stößt auf heftigen Widerstand.

Zwei Viehzüchter gehören zu den Bergbaugegnern: Laut ihnen bringt der Tagebau nur Abholzung, Staub, Lärm und Umweltverschmutzung. Mit Petitionen, Online-Kampagnen und Protesten in ganz Portugal haben sie die Unterstützung Tausender Menschen im Land gewonnen.

"Es ist unser gutes Recht, das Vorhaben stoppen zu wollen", meint Landwirt Nelson Gomes. "Wir sind bereit, bis zum Ende zu kämpfen. Wir haben gezeigt, dass wir gute Gründe haben. Wir sind dabei, weil wir diese Lebensweise bewahren wollen."

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"Nein zur Mine, ja zum Leben" - Widerstand gegen den Lithium-Abbau in Portugaleuronews

Bergbaupläne liegen auf Eis

Der Bau des Bergwerks liegt derzeit auf Eis, da die endgültige Regierungsgenehmigung noch aussteht. Die Aktivist:innen zeigen anhand der Probebohrungen auf dem Minengelände, die möglichen Auswirkungen auf das Grundwasser:

"Das ist eine unserer Sorgen", meint Landwirtin Aida Fernandes. "Was wird mit all dem Wasser passieren? Denn wenn man anfängt, Wasser mit Steinen und Erde zu vermischen, ist das eine Art von Zerstörung."

Die beiden Aktivist:Innen haben wie viele der Einheimischen eine starke emotionale Bindung zu diesem Land, das den Dorfbewohnern gemeinsam gehört. Die Region wurde 2018 von der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen zum landwirtschaftlichen Weltkulturerbe erklärt. 

"Hier sind meine Brüder und ich aufgewachsen und haben die Kühe gehütet", erzählt Aida Fernandes. "Ich kenne diese Gegend seit meiner Kindheit, sie bedeutet mir viel. Und jetzt zu wissen, dass das ohne jeden Grund zerstört wird, nur weil man eine Idee hat, macht mich wirklich traurig. Dass das alles um uns herum verschwinden wird, zerreißt mir das Herz."

Die Mina do Barroso soll schätzungsweise 16 Jahre das lokale Lithiumvorkommen ausbeuten. Dabei dienen die ersten zwei Jahre der Planung der Gebäudeinfrastruktur und anderer Logistik, damit der Abbau beginnen kann.

Das britische Bergbauunternehmen Savannah Resources steht hinter der Mina do Barroso. Man hofft, bis 2023 mit der Produktion beginnen zu können. Über die Laufzeit der Mine erwartet man einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro.

"Wir haben ein Projekt entwickelt, das dank der weltweit besten Verfahrensmethoden nachhaltig sein wird", sagt Savannah-Ressources-Geschäftsführer David Archer. "Es gibt eine ganze Reihe von Managementplänen, die sich mit jedem Aspekt der Entwicklung des Projekts befassen. Wir werden zum Beispiel versuchen, das anfallende Wasser vor Ort zu sammeln und zu recyceln. Für den Verkehr werden wir etwa 6 Millionen Euro investieren, um eine Umgehungsstraße zu bauen. Und natürlich werden wir Portugal eine ganze Reihe von Möglichkeiten für nachgelagerte Entwicklungen in der Lithium-Wertschöpfungskette bieten."

Weltweiter Lithium-Hype

Ein Lithium-Hype erobert die Welt, befeuert durch den Boom bei Elektromobilität, digitalen Technologien und Green Tech. Australien, China und Chile sind die größten Lithiumproduzenten der Welt. Die Nachfrage wird in den kommenden Jahren voraussichtlich explodieren.

Europa will den Rohstoff nicht mehr importieren: "Wir importieren Lithium für Elektroautos. Das ist nicht nachhaltig. Also müssen wir unsere Lieferketten diversifizieren", sagt zum Beispiel die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. Und ihr Kollege Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kommission für interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau sowie Koordinator der Europäischen Batterie-Allianz rechnet vor: Europa wird bis 2050 fast 60 Mal mehr Lithium benötigen, allein für Elektroautos und Energiespeicher.

Portugal will die Chance nutzen

Die Europäische Union und Industrieunternehmen wollen die gesamte Wertschöpfungskette von der Lithiumgewinnung bis zur Batterieproduktion entwickeln. Dieser Markt könnte bis 2025 einen Wert von 250 Milliarden Euro pro Jahr haben - Portugal will sich diese Chance nicht entgehen lassen.

"Die Energiewende ist eine große wirtschaftliche und industrielle Chance für das Land", so João Pedro Matos Fernandes, portugiesischer Minister für Umwelt und Klimapolitik. "Wir wollen unser Lithium-Potenzial nutzen, um uns in der Wertschöpfungskette eines entscheidenden Elements für die Dekarbonisierung zu positionieren."

Nicht alle in Portugal sind davon überzeugt. Umweltorganisationen befürchten, dass ganze Landstriche zu Tagebaugruben werden, so Naturschützerin Paula Nunes da Silva:

"Wir sind natürlich für den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Aber man muss die tatsächlichen Auswirkungen dieser neuen Energiewende kennen. Eine davon ist der Bergbau, der Lithiumabbau. Lithium wird man brauchen, aber was wird mit den Batterien und mit dem verarbeiteten Lithium passieren? Als Umwelt-NGO haben wir da einige Zweifel."

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Aktivisten gegen den Lithium-Abbau in der Barroso-Region Portugalseuronews

Paradoxon der Energiewende

Die Zukunft von Covas do Barroso hängt nun vom endgültigen grünen Licht der Regierung ab. Während die Umweltverträglichkeitsprüfung bestätigt wurde, muss das Minenprojekt noch die öffentliche Anhörung durchlaufen. Laut dem Bürgermeister der größeren Gemeinde Boticas sind die meisten seiner Bürger gegen die Mine -, trotz der Unternehmenszusage von 200 direkten Arbeitsplätzen.

"95 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Mine", sagt Fernando Queiroga, Bürgermeister von Boticas. "Auch weil wir nicht so viele Arbeitslose haben. Dort werden Leute von außerhalb arbeiten, die morgens im Auto kommen und am Ende des Tages in andere Gemeinden zurückkehren. Das schafft keinen Wohlstand. Es wird andere Arbeitsplätze zerstören, die wir im ländlichen Tourismus, in der Gastronomie und in der Landwirtschaft haben."

Die portugiesische Regierung kann Einwände gegen die Mine unter Berufung auf das nationale Interesse außer Kraft setzen und lokale Landbesitzer enteignen. Für den Schafhirten Paulo Pires zahlt Covas do Barroso den Preis für Europas Klimaambitionen: 

"Ich bin nicht gegen Lithium, das möchte ich klarstellen, ich bin nicht gegen das Lithium. Aber ich bin dagegen, dass die Umwelt meines Dorfes und die anderer Dörfer belastet werden, um Städte grüner werden zu lassen."

Sollte jemals Lithium abgebaut werden, habe er keine andere Wahl, als sein Dorf zu verlassen, sagt der Schafhirte.

Ein Dorf, das ein Paradoxon illustriert, mit dem Europas Energiewende konfrontiert ist: Im Namen des Umweltschutzes wird das Gefüge nachhaltiger ländlicher Gemeinschaften zerstört.

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