Höchststände am 13. Tag in Folge, Impfgegner und ein Wurmmittel gegen Covid-19

Am Luisenplatz in Darmstadt - gegenüber traten Impfgegnerinnen und Impfgegner auf
Am Luisenplatz in Darmstadt - gegenüber traten Impfgegnerinnen und Impfgegner auf Copyright Euronews
Von Kirsten RipperEuronews mit Ärzteblatt, Der Standard
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Ein neuer Höchststand an Neuinfektionen. Auch in der Wissenschaftsstadt Darmstadt treten Impfgegnerinnen und impfgegner auf. In Österreich nehmen viele das Wurmmittel Ivermectin ein - gegen Covid-19.

WERBUNG

An diesem Samstag meldet das Robert Koch-Institut 63.924 Neuinfektionen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt deutschlandweit bei 362,2 - den 13. Tag in Folge werden neue Höchststände der Pandemie verzeichnet. Den Hospitalisierungswert gibt das RKI mit 5,34 an.

Auf dem Luisenplatz in Darmstadt hat der Weihnachtsmarkt begonnen, neben dem Popcorn-Stand und dem Kinderkarussell steht der riesige Weihnachtsbaum. Gleich gegenüber halten Impfgegnerinnen und Impfgegner eine "Mahnwache" ab. Sie haben ein Mikrofon und eine Leinwand aufgebaut. Alle, die hier zur Hauptverkehrszeit auf den Bus oder die Straßenbahn warten, müssen sich Fake News anhören.

Die Impfung wäre für junge Menschen gefährlicher als das Coronavirus, erdreistet sich ein Impfgegner zu sagen - etwa 300 Meter entfernt vom Städtischen Klinikum Darmstadt, einem Krankenhaus der Maximalversorgung. Dort arbeitet Obararzt Cihan Celik auf der Coronastation, er ist inzwischen deutschlandweit bekannt - dank seiner Schilderungen der Arbeit mit an Covid-19 Erkrankten.

Schon im September schrieb Cihan Celik: "Das Team unserer Intensivstation musste diese Wocher wieder 2 Covid-Patienten zur ECMO ausfliegen. Wir tun selbstverständlich alles medizinisch Mögliche für unsere Patienten. Aber es bleibt dabei: Mit einer Impfung wären diese Fälle höchstwahrscheinlich vermeidbar gewesen."

In Hessen liegt die 7-Tage-Inzidenz an diesem 20. November 2021 bei 218, der Hospitalisierungsinzidenz-Tageswert für Hessen liegt am 20.11.2021  bei 4,62 pro 100.000 Einwohner*innen - wie das hessische Ministerium für Gesundheit und Soziales schreibt. Eine Woche zuvor betrug der Wert 3,72 pro 100.000.

Gegenwärtig sind 67,0 Prozent der hessischen Bevölkerung vollständig gegen SARS-CoV-2 geimpft (RKI Impfquotenmonitoring, Stand: 20.11.2021). Wenn nur die aktuell impffähigen Altersgruppen berücksichtigt werden (12+), beträgt der vollimmunisierte Anteil 75,6 Prozent.

"Die Zahlen der Neuinfizierten erreichen immer weitere Höchststände. Auch in Darmstadt hat die Situation ein bedenkliches Ausmaß erreicht.", sagt Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch - und hat die Eröffnungszeremonie des Weihnachtsmarktes abgesagt. Doch gleichzeitig meint eine Frau am Mikrofon der Anti-Impf-Demo, dass sie sich als Nicht-Geimpfte ausgegrenzt fühle, spricht von den "anonymen Ungeimpften". Dann wird das Video mit den Mahnungen von Lothar Wieler gezeigt, der Impfgegner am Mikrofon macht sich über den RKI-Chef lustig und meint, dass die Medien in Österreich unabhängiger seien als in Deutschland. Dann wird ein österreichischer Impfgegner auf dem Video gezeigt. Österreich als Vorbild der Coronaleugner.

Darmstadt nennt sich Wissenschaftsstadt, etwa 30 Prozent der 150.000 Bewohnerinnen und Bewohner sind Studierende.

"Junger Patient. Natürlich ungeimpft"

Wie unseriös und gefährlich die Argumente der Impfgegnerinnen und Impfgegner sind, zeigt sich nicht nur bei den vielen schwer an Covid-19 erkrankten Ungeimpften auf den Intensivstationen. Aber dort ist es für die Ärztinnen, Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger besonders schwierig. Ein Intensivmediziner, der sich auf Twitter Lämeth nennt, schreibt: "Junger Patient. Schwere Covid-Pneumonie. Natürlich ungeimpft. Kurz vor der Intubation wird er gefragt, warum er sich nicht impfen lassen hat. Seine Antwort: "Wenn ich mich impfen lassen würde, hätten ja die Anderen gewonnen." Wer gewinnt eigentlich, falls er sterben sollte?"

Gefährliche Selbstmedikation: Ein Wurmmittel gegen Covid-19

In Österreich sind mehrere Personen schwer erkrankt, nachdem sie gegen Covid-19 Ivermectin eingenommen hatten. Tatsächlich hatte es mehrere Studien zu diesem Medikament gegeben, aber keine hatte eine Wirksamkeit gegen Covid-19 wissenschaftlich nachgewiesen.

Ivermectin wirkt gegen Würmer, Milben und Läuse und wird vor allem in der Tiermedizin eingesetzt.

In den USA hatten sich schon seit Monaten Menschen vergiftet, weil sie das Mittel zur Vorbeugung gegen Covid-19 eingenommen hatten - wie auch das Ärzteblatt berichtet.

Besonders im Internet wird von Coronaleugner*innen und Impfgegner*innen aber weiter für Ivermectin geworben. "Ivermectin ist immer wieder ausverkauft und das obwohl es rezeptpflichtig ist", sagt Thomas Veitschegger, Präsident der Oberösterreichischen Apothekerkammer, in den OÖ-Nachrichten. "Da braucht es erst einmal einen Mediziner, der dieses Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von Würmern auch verschreibt."

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte sich für den Einsatz von Ivermectin ausgesprochen, ob er sich selbst damit behandelt, hat er bisher nicht bekannt gemacht.

DER STANDARD klärt auf, dass Ivermectin mithilfe von Gentechnik hergestellt wird, es ist nämlich "ein komplexes organisches Molekül, das mithilfe von rekombinanten, also gentechnisch veränderten Bakterien und einem chemischen Reinigungsverfahren hergestellt wird." Dabei lehnen viele Impfgegnerinnen und Impfgegner die Vakzine gegen Covid-19 vor allem ab, weil diese auf mRNA-Technik aufbauen.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Offenbar nicht geimpft: AfD-Politikerin Alice Weidel hat Covid-19

Spott auf Twitter: #HeilenwieTrump

Weimarer Dreieck: Scholz, Macron und Tusk wollen Ukrainehilfen beschleunigen