Protest für die Ukraine in Lyon
Protest für die Ukraine in Lyon Copyright Natalia Liubchenkova
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Müde vom Krieg in der Ukraine? Geflüchtete kämpfen gegen das Vergessen

Von Natalia Liubchenkova
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Vielerorts kommen kaum noch Menschen zu den Protesten für die Ukraine oder es gibt gar keine Demos mehr. Geflüchtete in Europa setzen sich dafür ein, dass wir den Krieg in ihrer Heimat nicht vergessen.

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"Der einzige Unterschied zwischen Dir und einem Flüchtling ist Glück oder Schicksal" - so steht es auf dem selbstgemalten Plakat, das eine junge Ukrainerin in Frankreich in die Höhe hält. Mila ist eigentlich TV-Moderatorin in Kiew, aber sie kommt aus der zerstörten Stadt Mariupol. Alle aus ihrer Familie sind geflohen.

Sechs Monate sind vergangen seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, seit einem halben Jahr herrscht Krieg in Europa. Aber wer interessiert sich noch dafür? Damit der Krieg in ihrer Heimat nicht in Vergessenheit gerät machen Ukrainerinnen und Ukrainer unermüdlich mobil.

Es ist einer dieser ganz normalen Abende mitten in der Woche, eine Gruppe junger Frauen sitzt an einem runden Tisch in einer Wohnung im Zentrum von Lyon. Es ist nicht ihr Zuhause, alles in Frankreich ist für sie ein Neuanfang.

Sie leben in provisorischen Unterkünften, die ihnen von Einheimischen kostenlos zur Verfügung gestellt werden, und versuchen, Französisch zu lernen und Arbeit zu finden. Ihre Freizeit und ihre Gedanken kreisen um das Land, aus dem sie kommen und in dem sie geboren wurden - die Ukraine.

Natalia Liubchenkova / Euronews
Liliya ist 27 und kommt aus Dnipro in der Ukraine, jetzt lebt sie in LyonNatalia Liubchenkova / Euronews

Liliya ist 27, sie kommt aus Dnipro, sie ist schon seit dem Frühjahr, seit kurz nach Kriegsbeginn in Frankreich. Sie sagt, es sei wichtig für sie, ihren Beitrag zu leisten zur Verbreitung von Informationen über den Krieg in der Ukraine. Wenn die Welt ihrem Land hilft, hilft sie der ganzen Welt, meint Liliya. Die Atmosphäre unter den Aktivistinnen und Aktivisten hilft ihr - und sie möchte der ukrainischen Armee helfen. "Wir alle müssen Russland seinen Platz zeigen", erklärt Liliya.

Der Krieg ist eine offene Wunde, die jeden Tag schmerzt

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Ukrainerinnen bereiten sich auf den 24. August vorNatalia Liubchenkova / Euronews

In diesen Tagen ist die Atmosphäre ruhig und freundschaftlich, und doch hat man das Gefühl, dass jede Diskussion einen empfindlichen Nerv trifft. Trotz aller Hilfe, die der französische Staat und einige Einheimische den Flüchtlingen zukommen lassen, fühlen sie sich nicht ganz verstanden. Sie glauben nicht, dass der Krieg hier ernst genug genommen wird. Sie denken permanent an den Krieg, der ihre Häuser zerstört hat, ihre Angehörigen täglich bedroht und nichts von ihrem früheren Leben übrig gelassen hat.

Sie haben das Gefühl, dass der Krieg zunehmend in Vergessenheit gerät, als Normalität oder als Sache der anderen angesehen wird. Für sie bleibt er eine offene Wunde, die rund um die Uhr schmerzt.

"Lasst uns eine Liste der Argumente erstellen, warum der Krieg auch die Menschen in Frankreich betrifft", schlägt jemand beim Brainstorming für die nächsten Plakate vor. Vorhersehbare Nahrungsmittelkrise? Treibstoffpreise? Russland würde nicht aufhören, wenn es den Krieg in der Ukraine gewinnt?..."

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TV-Moderatorin Mila aus der Ukraine im Zentrum von LyonNatalia Liubchenkova/Euronews

"Ok, nehmen wir an, wir haben es geschafft, diese Menschen zu erreichen. Wie können sie helfen? Üben Sie Druck auf ihre Regierungen aus! Bitten Sie darum, Russland als terroristischen Staat zu bezeichnen! Spenden Sie! Sie wollen nicht für unsere Armee spenden, weil sie glauben, dass sie damit die Militäraktion unterstützen. Aber das sind Menschen wie wir, die sterben, das ist doch dasselbe. Dann gibt es noch die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung...", sagt Diana Dimitrova. 

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Protest im Zentrum von LyonNatalia Liubchenkova / Euronews

"Vergessen Sie nicht, dass sie Atomwaffen haben. Die Ukraine kämpft nicht nur für ihre Freiheit, sondern auch für die Freiheit der anderen", fügt sie hinzu.

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Protest für die Ukraine in LyonNatalia Liubchenkova / Euronews

Mit ihren neuen Plakaten haben die Geflüchteten aus der Ukraine eine Art Flashmob organisiert - im Zentrum der Stadt inmitten der scheinbar sorglosen Menschenmenge - ein Spiegelbild der Realität, meinen die Demonstrantinnen und Demonstranten.

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"Der Krieg in der Ukraine geht weiter" steht auf einem PlakatNatalia Liubchenkova / Euronews

Der nächste wichtige Termin ist der 24. August - genau sechs Monate nach Kriegsbeginn ist auch der 31. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes. Am 24. August um 18.00 Uhr werden die Ukrainerinnen und Ukrainer mit den Plakaten und einer 8 Meter langen ukrainischen Fahne von der Place Terreaux im Zentrum von Lyon losmarschieren. Der Marsch endet anderen zentralen Platz -  Place Bellecour.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer hoffen, dass sie an diesem Tag nicht alleine sind.

Journalist • Kirsten Ripper

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