Supervulkan in Italien rumort: die Phlegräischen Felder sind sehr aktiv

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Von Julián López
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In der Nähe von Neapel gibt es ein gefährliches Gebiet, das als "Supervulkan" eingestuft wird: die Phlegräischen Felder (Campi Flegrei). In den vergangenen 70 Jahren gab es nach Angaben von Fachleuten Zehntausende kleiner Erdbeben.

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In den vergangenen Monaten hat der Boden in der Region der Campi Flegrei, einem Vulkangebiet in der Nähe von Neapel in Süditalien, stärker gebebt als sonst. Einige Anwohner sind beunruhigt, andere nicht, Wissenschaftler sind alarmiert und die Behörden sagen, sie seien vorbereitet. Witness-Reporter Julián López ist in die betroffene Region gereist, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Ich bin in der Nähe von Neapel, dem Vesuv und Pompeji, in der weit weniger berühmten Stadt Pozzuoli.

Sie liegt auf einem riesigen Magmakessel, der im Laufe der Jahrtausende eine Vulkanlandschaft geschaffen hat, die als Campi Flegrei bekannt ist.

Diese instabile Geologie hat hier in jüngster Zeit Tausende von kleinen Erdbeben ausgelöst.

Ich bin von den Wissenschaftlern des Osservatorio Vesuviano des italienischen Instituts für Geophysik und Vulkanologie eingeladen, ihre Beobachtungen in einem Krater zu verfolgen, dessen Gasemissionen besonders intensiv zu sein scheinen.

"Hier kommen die Gase aus der Tiefe", sagt Mauro Antonio Di Vito, der Direktor des Instituts, während wir um Fumarolen herumgehen. "Es ist wichtig zu beobachten und zu verstehen, wie sich diese Emissionen im Laufe der Zeit verändern, um zu charakterisieren, was in der Tiefe der Magmakammer vor sich geht."

Echtzeitdaten über Gasemissionen, seismische Aktivität oder Boden- und Lufttemperaturen werden rund um die Uhr von einem großen Kontrollraum in der Zentrale des Instituts überwacht.

Mauro Antonio Di Vito, der Direktor des Osservatorio Vesuviano
Mauro Antonio Di Vito, der Direktor des Osservatorio Vesuvianoeuronews

"Im September hatten wir mehr als 1000 Erdbeben in einem Monat. Natürlich sind die meisten Beben von sehr geringer Stärke, aber es gab auch einige mit Magnituden von 3,8, 4,0 oder sogar 4,2. Jetzt hat sich der Prozess verlangsamt. Aber wir wissen, dass er sich wieder ändern kann. Alles, was wir tun können, ist, das Gebiet weiterhin genau zu beobachten", sagt Di Vito.

Die Einheimischen scheinen sich an die Ungewissheit gewöhnt zu haben.

Das Gebiet, das seit jeher für Eruptionen anfällig ist, weist auch eine geologische Besonderheit auf, die als "Bradyseismus" bekannt ist.

Unter dem Druck von Magma und Gasen hebt und senkt sich der Boden, als würde er atmen.

Diese Bewegungen führen manchmal zu Erdbeben, die für Gebäude und Menschen gefährlich werden können.

Ein Stadtteil von Pozzuoli wurde 1970 während eines Bebens evakuiert.

Heute ist es teilweise wieder aufgebaut, aber niemand wohnt mehr darin.

Der Maler Antonio Isabettini war ein Teenager, als seine Familie evakuiert wurde. Er führt mich herum: "Hier lebten 3000 Menschen, die innerhalb von zwei Tagen evakuiert wurden. Ich erinnere mich an ein großes Durcheinander, zweifellos, weil wir von morgens bis abends von Armee, Bussen und Polizei umzingelt waren."

Der Künstler Antonio Isabettini war ein Teenager, als seine Familie evakuiert wurde
Der Künstler Antonio Isabettini war ein Teenager, als seine Familie evakuiert wurdeeuronews

Antonio Isabettini ist heute 68 Jahre alt und malt noch immer die Vulkanlandschaften, die sein ganzes Leben geprägt haben - und ihn herausfordern. "Wir haben die Beben gehört. Wir haben sie gespürt. Wir haben uns fast an dieses Phänomen gewöhnt, es ist unser Freund geworden", sagt er vor einem seiner Vulkanlandschaftsbilder. "Das Wichtigste ist, dass es uns nicht schadet. Und es ist sicher, dass er uns nie schaden wird."

Aber jenseits des Wunschdenkens: Ist die dicht besiedelte Region bereit, wenn die Lage eskaliert?

Ist die Region bereit, wenn die Lage eskaliert?

Ich frage den Zivilschutz der Region. Er ist für die Sicherheit von 1,5 Millionen Menschen verantwortlich, die betroffen sein könnten.

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Evakuierungspläne für vulkanische Gefahren gibt es schon lange. Jetzt werde auch ein spezieller Plan für Bradyseismus entwickelt, sagt Italo Giulivo, Leiter des Zivilschutzes der Region Kampanien.

"Die Kapazitäten der wichtigsten Dienstleistungen und Verkehrsinfrastrukturen werden evaluiert und Kommunikationsstrategien entwickelt", erklärt Giulivo vor mehreren großen Bildschirmen. "Die Tatsache, dass der letzte Ausbruch hier 1538 stattfand, führt dazu, dass Generationen, die nie daran gedacht haben, in einem Vulkan zu leben, ihre Erinnerung verlieren. Das senkt die Risikowahrnehmung. Wir wollen die Menschen nicht beruhigen, sondern sie über das Problem aufklären, damit sie sich dessen bewusst werden", erklärt er.

Italo Giulivo, Leiter des Zivilschutzes der Region Kampanien
Italo Giulivo, Leiter des Zivilschutzes der Region Kampanieneuronews

Die Menschen, ob sie nun von den jüngsten Erdbeben beunruhigt sind oder nicht, fordern genaue wissenschaftliche Bewertungen, detaillierte Maßnahmen zur Risikominderung, praktikable Evakuierungspläne und klare Kommunikationsrichtlinien.

Anna Peluso, Mutter von zwei Kindern, berichtet auf Facebook über die launische Geologie der Region.

Die Schule ihres Sohnes musste seit September dreimal wegen Beben evakuiert werden, erzählt sie mir vor einem der malerischen Vulkanseen der Region.

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"Das Erdbeben-Risiko sollte man kennen. Es gibt Signale und man sich ihm stellen. Aber man kann sich ihm nur stellen, wenn man vorbereitet ist. Das Motto meiner Gruppe ist "Estote Parati", lateinisch für "Seid bereit". Es gibt viele Menschen, die sich nicht für das Phänomen interessieren. Die Leute wissen, wann der Fußballclub Napoli morgen spielt, aber sie wissen nicht einmal, wo ihr Sammelpunkt ist."

Anna Peluso mit dem Eruonews-Reporter (li.)
Anna Peluso mit dem Eruonews-Reporter (li.)euronews

Instandhaltung der Gebäude ist problematisch

Neben den Evakuierungsplänen steht die Region vor einem weiteren dringenden Problem: der Instandhaltung der Gebäude, die deutliche Anzeichen von Verfall zeigen. Um zu verstehen, was auf dem Spiel steht, treffe ich den Bürgermeister von Pozzuoli.

Der Bürgermeister erklärt, dass Neubauten verboten sind und öffentliche Gebäude verstärkt wurden.

Der Bürgermeister von Pozzuoli Luigi Manzoni
Der Bürgermeister von Pozzuoli Luigi Manzonieuronews

Die lokalen Behörden können privaten Eigentümern nicht direkt helfen, sagt er, aber ein kürzlich erlassenes nationales Dekret soll helfen, die Anzahl, die Verteilung und den Zustand der baufälligen Häuser zu bewerten.

"Dieses Dekret ermöglicht es uns, die Gefährdung von Gebäuden in der 'Bradyseismus'-Zone zu bewerten. Insgesamt sind rund 15.000 Gebäude betroffen, davon etwa 9.500 in der Stadt Pozzuoli, 2.000 in Bacoli und 3.000 in Neapel", so Manzoni.

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Kürzlich diskutierten die Behörden in Rom über eine mögliche Anhebung der Alarmstufe von derzeit Gelb mit geringem Risiko auf die wesentlich restriktivere Stufe Orange.

Um den Tourismus- und Dienstleistungssektor zu entlasten, wurde dieser Schritt schließlich verworfen.

Eine Erhöhung der Alarmstufe ohne unbestreitbare wissenschaftliche Begründung würde die Region wieder wie in Covid-Zeiten zum Stillstand bringen, behauptet Gennaro Martusciello, der Vizepräsident des örtlichen Hotelmanagerverbandes, den ich in seinem 4-Sterne-Hotel treffe: "Die orangefarbene Alarmstufe würde voraussetzen, dass nur diejenigen, die in der Stadt arbeiten oder leben, sie betreten können. Das würde die Zerstörung der touristischen Aktivitäten bedeuten. Welche Stadt können Sie besuchen, ohne ein- oder ausgehen zu dürfen? Unser Sektor bietet fast 50.000 Menschen Arbeit, es wäre eine große Katastrophe".

Gennaro Martusciello, der Vizepräsident des örtlichen Hotelmanagerverbandes
Gennaro Martusciello, der Vizepräsident des örtlichen Hotelmanagerverbandeseuronews

Die Anwohner hoffen, dass Experten und Behörden die richtige Richtung einschlagen werden - wie auch immer diese aussehen mag.

"Ich denke, wir können ruhig schlafen", sagt Antonio Isabettini vor der schönen Strandpromenade. "Wir leben in einer Symbiose mit diesem Naturphänomen. Es stimmt, dass es uns einige Sorgen bereitet, aber wir werden dadurch entschädigt, dass wir in einer der schönsten Gegenden der Welt leben, um die sich viele Legenden ranken."

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