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Simon Harris: Zweistaatenlösung im Nahen Osten ist der Weg zum Frieden

Simon Harris: Zweistaatenlösung im Nahen Osten ist der Weg zum Frieden
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Von Shona Murray
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In einem exklusiven Interview mit Euronews sagt das irische Staatsoberhaupt, der sogenannte Taoiseach, Simon Harris, die Palästinenser hätten ein legitimes Recht auf einen eigenen Staat und eine Zukunft, die von Erfolg und nicht von Leid geprägt sei.

Irland, Spanien und Norwegen erkennen den Staat Palästina an, um der Zweistaatenlösung neues Leben einzuhauchen. Zu Gast in The Global Conversation ist der irische Premierminister Simon Harris. Mit Euronews-Reporterin Shona Murray spricht er darüber, warum Irland das für den besten Weg hält, den Palästinensern in ihrer dunkelsten Stunde Hoffnung zu geben und Israel langfristig Sicherheit und Wohlstand zu bringen.

Reporterin Shona Murry: Vielen Dank, dass Sie unser Gast in The Global Conversation sind. Warum die Anerkennung Palästinas?

Simon Harris, irischer Premierminister: Offen gesagt, weil wir die Hoffnung, den Traum und das Ziel einer Zweistaatenlösung am Leben erhalten müssen, während andere leider daran denken, sie zu untergraben. Irland ist seit vielen Jahren davon überzeugt, dass der Weg zu Frieden und Stabilität im Nahen Osten über die Anerkennung einer Zweistaatenlösung führt. Das ist sehr schwierig zu erreichen, wenn man die Existenz zweier Staaten nicht anerkennt. Irland hätte es lieber gesehen, wenn das Teil eines Friedensprozesses gewesen wäre. Das war auch ursprünglich in unserem Regierungsprogramm vorgesehen. Aber wir können nicht ewig warten, und es ist schrecklich lange her - viele Jahrzehnte seit dem Oslo-Abkommen. Jetzt müssen wir mehr denn je unsere Stimme erheben und auf die Bedeutung einer Zweistaatenlösung drängen, weil sie dem israelischen Volk, dem palästinensischen Volk sowie der gesamten Region die Stabilität des Friedens bringt, den Israelis und Palästinenser verdienen. Wir haben eng mit unseren europäischen Partnern zusammengearbeitet. Wir sind im Gleichschritt mit Norwegen und mit Spanien vorgegangen. Und ich erwarte, dass in den kommenden Wochen weitere europäische Staaten Palästina anerkennen werden.

Euronews: Wenn Sie sagen, dass andere versuchen, das zu untergraben, wen meinen Sie damit?

Simon Harris: Die Regierung Netanyahu setzt sich in keinerlei Weise für eine Zweistaatenlösung ein. Wir haben viel Rhetorik und Kommentare dazu gehört. Die Zweistaatenlösung war der weit verbreitete Konsens, der sich über viele Jahre entwickelt hat. Es hat in den vergangenen Wochen und Monaten viele Versuche gegeben hat, diese Hoffnung zu zerstören. Aber auch wir müssen die Entscheidung, Palästina anzuerkennen, auf der Grundlage der Richtigkeit der Entscheidung treffen. Ich bin mir aber auch ganz besonders bewusst, dass wir diese Entscheidung in einer Zeit treffen, in der sich in Gaza eine unglaubliche, eine erbarmungslose humanitäre Katastrophe abspielt, eine humanitäre Katastrophe, deren Ausmaß wir noch gar nicht begreifen. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir die gemäßigten Stimmen stärken, sowohl in Palästina als auch in Israel, denn es gibt viel Rhetorik, es gibt viel bewusste Falschdarstellung dessen, was Irland und andere tun, wenn sie Palästina anerkennen.

Es geht nicht um die Hamas. Wir verabscheuen die Hamas. Sie ist eine terroristische Organisation. Sie bietet dem palästinensischen Volk keine Zukunft. Sie ist eine Gefahr und eine Bedrohung für Israelis und das palästinensische Volk. Was am 7. Oktober geschah, war ein abscheuliches terroristisches Massaker. Alle Geiseln sollten bedingungslos freigelassen werden.

Die Iren wissen besser als die meisten anderen, wie es ist, wenn eine terroristische Organisation in vielerlei Hinsicht die eigene Identität in Beschlag nimmt. Die Hamas ist nicht Palästina, wir sind in der Lage, zwischen den beiden zu unterscheiden.
Simon Harris

Euronews: Aber die Israelis sagen, das spiele der Hamas in die Hände, weil es eine Antwort auf den 7. Oktober sei.

Simon Harris: Und das können wir natürlich überhaupt nicht akzeptieren. Wir erkennen den Staat Israel voll und ganz an. Wir erkennen sein Recht an, in Frieden und Sicherheit zu leben. Man kann das sagen und auch sagen, dass es einen Staat Palästina gibt und dass wir sein Bedürfnis anerkennen, in Frieden und Sicherheit zu leben. Wir müssen versuchen, den Teufelskreis von Ressentiments, Hass, Vergeltung, Tod, Elend und Angst zu durchbrechen, der seit Generationen besteht. Und das kann nur gelingen, wenn wir klar erkennen, dass ein politischer Friedensprozess notwendig ist, der anerkennt, dass es zwei Staaten gibt. Wenn wir also unseren Freunden in Israel, dem israelischen Volk sagen, - das sich ja auch nicht über die Entscheidungen seiner Führung definieren kann, wir wollen, dass ihr in Frieden und Sicherheit leben könnt. Und ich glaube, es gibt viele Menschen in Israel, viele Menschen in Palästina, viele Eltern in beiden Ländern, in beiden Staaten, die wollen, dass ihre Kinder in einem sicheren Land, in einer sicheren Region aufwachsen können. Dazu wollen wir beitragen, indem wir gemeinsam mit anderen Ländern sagen, wir glauben, dass es einen politischen Weg gibt, das voranzubringen, und das ist eine Zweistaatenlösung.

Euronews: Wie reagieren Sie darauf, dass einige EU-Länder und Irlands Verbündete, die USA, den Internationalen Gerichtshof und den Internationalen Strafgerichtshof für einige der Kritiken und Fälle kritisieren, die sie gegen Israel und die Hamas vorbringen?

Simon Harris: Ich erkenne an, dass jedes Land das Recht hat, seine Meinung zu einem bestimmten Thema zu äußern. Aus irischer Sicht halte ich es jedoch für sehr wichtig, dass wir die Unabhängigkeit dieser internationalen Gerichtsstrukturen respektieren. Sie dienen der Welt gut. Ich halte sie für wichtig. Ich werde von meiner Seite aus sicherlich keinen laufenden Kommentar zur Unabhängigkeit der Entscheidungen abgeben, die sie in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten treffen werden und müssen.

Tiefe Spaltung der Europäischen Union

Euronews: Aber zeigt das nicht die tiefe Spaltung innerhalb der Europäischen Union und schwächt möglicherweise die EU auf der Weltbühne, wo wir lange Zeit keine einheitliche Position zur Situation in Gaza vertreten konnten?   

Simon Harris: Ich finde das wirklich bedauerlich. Ich verstehe den Kontext und ich verstehe die Perspektiven, die die verschiedenen Länder an den Tisch bringen, auch wenn ich mit einigen von ihnen grundsätzlich nicht einverstanden bin. Aber wir hatten im April einen wichtigen Moment, als auf ersten Europäischen Rat, an dem ich die Ehre hatte teilzunehmen, als Taoiseach Schlussfolgerungen erreicht wurden, die einen sofortigen Waffenstillstand forderten. Das war ein Schritt weg von Phrasen wie humanitäre Pause. Ich glaube, dass sich die irische Position in Bezug auf einen sofortigen Waffenstillstand, die Sicherstellung der humanitären Hilfe und die Einleitung eines politischen Prozesses in Europa immer mehr durchsetzt. Aber man muss auch ehrlich sein, es gab viele Meinungen an den europäischen Tischen zu diesem Thema.

Euronews: Hat die EU genug für die Einhaltung des Völkerrechts getan? Die EU ist nichts anderes als ein regelbasiertes System. Und es gibt sogar EU-Beamte, die die Kommission auffordern, mehr zu tun, um die Ereignisse in Gaza zu kritisieren, so wie sie die Ereignisse in der Ukraine kritisieren.

Simon Harris: Ich glaube, dass mehr getan werden kann und muss, und ich spreche dies bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit meinen europäischen Amtskollegen, der Kommissionspräsidentin und dem Europäischen Rat an. Ich denke dabei insbesondere an die Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel, die Menschenrechtsklauseln enthalten. Und sie wurden nicht eingefügt, um das Dokument zu verlängern. Sie wurden nicht als Lückenfüller eingefügt. Sie haben eine echte Wirkung, es sind echte und bedeutsame Worte. Und sie sind Teil eines Abkommens zwischen Israel und der Europäischen Union. Und ich verstehe nicht, warum die Überprüfung des Abkommens unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte nicht stattgefunden hat. Das ist bedauerlich, und ich werde mich im Namen Irlands weiterhin jeden Tag dafür einsetzen, dass das geschieht. Mein Vorgänger und der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez haben einen entsprechenden Brief unterzeichnet. Und dieser Brief ist auch heute noch die irische Position.

Euronews: Aber natürlich würden einige Mitgliedsstaaten sagen, dass sie sich aus historischer Sicht nicht wohl dabei fühlen, Israel zu kritisieren, insbesondere Deutschland.

Simon Harris: Wir müssen wirklich aufpassen, dass es hier nicht um die Seite geht, auf der wir alle stehen sollten: Völkerrecht und Menschenrechte, und das ist die irische Perspektive. Und die wird oft von anderen falsch dargestellt, entweder versehentlich oder absichtlich. Es geht nicht darum, pro-israelisch oder pro-palästinensisch zu sein. Es geht darum, für internationales Recht zu sein. Es geht um Menschenrechte. Es geht um Frieden. Was in Gaza passiert, ist unverzeihlich. Und es wird eine Zeit kommen, in der Ihre Kinder und Ihre Enkel und Ihre Urenkel fragen werden: Was hast du getan? Was habt ihr getan? Habt ihr genug getan? Und das sollte jeden von uns nachts wachhalten, denn es gibt Kinder in Gaza, in Rafah, die nachts schlafen gehen und nicht wissen, ob sie wieder aufwachen. Wenn wir an den Frieden glauben, wenn wir an einen Waffenstillstand glauben - und ich glaube daran, und das ist die Schlussfolgerung des Europäischen Rates vom April, dass wir uns selbst infrage und uns eine ganz einfache Frage stellen müssen: Tun wir alles, was wir können, um das Umfeld für diesen Waffenstillstand zu schaffen?

Wie sähe die Zweitstaatenlösung praktisch aus?

Euronews: Wer sind Ihre Partner in diesem palästinensischen Staat? Sie haben ja davon gesprochen, dass es sehr wichtig ist, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, um die Zweistaatenlösung mit Leben zu erfüllen. Aber was bedeutet das in der Praxis?

Simon Harris: In praktischer und rechtlicher Hinsicht bedeutet das, dass die palästinensische Vertretung hier in Irland, anstatt eine Vertretung zu sein, nun zu gegebener Zeit beantragen kann, eine Botschaft zu werden. Das Gleiche gilt für unsere eigene Vertretung in Ramallah. Aber es geht um mehr. Es geht um politische und moralische Führung. Es geht darum, anderen EU-Ländern, - von denen ich weiß, dass sie darüber nachdenken -, zu sagen: Ihr könnt das auch tun. Ich habe mir sehr gewünscht, dass wir mit anderen Ländern im Gleichschritt gehen. Die drei Länder, die in dieser Woche den Staat Palästina anerkannt haben - Spanien, Norwegen und Irland -, sind drei Länder, die sich seit langem für den Frieden im Nahen Osten einsetzen. Das ist für diese Sache eine wichtige Gruppierung.

Euronews: Aber nehmen wir an, die Hamas würde in Zukunft eine neue Regierung innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde bilden, wenn es Wahlen gäbe, denn einige Leute unterstützen die Hamas?

Simon Harris: Ich bin grundsätzlich gegen die Hamas. Die Hamas ist eine terroristische Organisation. Sie sollte als solche benannt werden: die Gräueltat, die sie am 7. Oktober begangen hat, das Ausmaß dieser Tat ist kaum zu ermessen. Wir sollten bei dieser Diskussion über die Anerkennung Palästinas niemals über diesen Punkt hinwegsehen. Was sie dem israelischen Volk angetan haben, war verabscheuungswürdig, war brutal. Und die bis heute andauernde Geiselnahme ist eine zusätzliche Grausamkeit zu dem Massaker und dem Terroranschlag, den das israelische Volk erlebt hat, und diese Geiseln sollten bedingungslos freigelassen werden. Demokratische Wahlen müssen in allen Ländern stattfinden, in denen man an die Demokratie glaubt, und natürlich entscheidet das Ergebnis demokratischer Wahlen über die Regierungen der Menschen. Aber es gibt keine Zukunft für das palästinensische Volk mit der Hamas. Und wir versuchen, die gemäßigten Stimmen zu stärken. Wir hatten eine ähnliche Situation in unserem Land. Es ist wichtig, dass die Zuschauer außerhalb Irlands das verstehen. Wir hatten in Irland eine terroristische Organisation, die unter unserer Flagge agieren wollte und behauptete, sie spreche für das Volk, was nicht der Fall war. Und der Weg zum Frieden in dieser Republik war ein Friedensprozess, der zu einem sehr erfolgreichen Ergebnis geführt hat.

Politischer Friedensprozess ist der einzige erfolgreiche Weg

Euronews: Gemäßigte Israelis, die eine Zweistaatenlösung akzeptieren, könnten bei einen palästinensischen Staat immer noch die Sorge haben, dass man trotz aller Bemühungen und allen guten Willens eine von der Hamas geführte Regierung haben könnte, die die Sicherheit Israels bedrohen würde.

Simon Harris: Und genau aus diesem Grund brauchen wir einen politischen Friedensprozess. Deshalb müssen Länder auf der ganzen Welt, Irland eingeschlossen, bereit sein, diesen Prozess zu unterstützen. Aber wir können diesen Prozess nicht in Gang setzen, solange die Gewalt nicht aufhört. Deshalb muss die Gewalt aufhören. Die humanitäre Katastrophe muss aufhören, die Hilfe muss fließen, und dann muss es einen politischen Friedensprozess geben. Und dabei ist die Sicherheit Israels ganz entscheidend. Ich habe das sehr deutlich gesagt, als wir diese Woche den Staat Palästina anerkannt haben, dass das israelische Volk das Recht hat, in Frieden und Sicherheit zu leben. Das palästinensische Volk hat das Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben, und die internationale Gemeinschaft hat das Recht, einen Friedensprozess zu unterstützen und zu fördern, der das für beide Staaten sicherstellt. Auch in Irland haben wir über viele Jahre die Vorteile des weltweiten Engagements und der Unterstützung der Europäischen Union und den USA für einen Friedensprozess erlebt. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass die EU, die USA und andere bereit sind, dabei zu helfen. Für uns ist die Sicherheit Israels und des israelischen Volkes von größter Bedeutung. Aber das, was jetzt passiert, muss aufhören. Die Vorstellung, dass das, was jetzt geschieht, dauerhaft ist oder in irgendeiner Weise die Sicherheit Israels garantiert, ist eine so unangemessene Vorstellung. Das ist in jeder Hinsicht eine Sackgasse. Wenn man Frieden will, muss man sich auf einen politischen Friedensprozess einlassen, der zwei Staaten anerkennt. In der Vergangenheit gab es viele Gelegenheiten und viele Irrwege. Aber in diesem schrecklichen Szenario, diesem schrecklichen Terroranschlag für Israel und dieser schrecklichen humanitären Katastrophe für das palästinensische Volk, muss endlich der Moment kommen, in dem wir uns in Richtung Frieden bewegen. Der einzige Weg zum Frieden in jeder Region ist ein politischer Prozess.

Besorgnis über den Aufstieg der extremen Rechten in Europa

Euronews: Eine der Fraktionen im Europäischen Parlament, der Sie angehören, ist die EVP (Europäische Volkspartei), die Palästina nicht sehr stark unterstützt. Die EVP bewegt sich nach rechts. Ursula von der Leyen hat gesagt, dass sie vielleicht mit der EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformer) zusammenarbeiten könnte, der rechtspopulistische Parteien angehören. Sie könnte sich mit der Fraktion Identität und Demokratie zusammentun, in der es rechtsextreme Parteien gibt. Sind Sie besorgt darüber, in welche Richtung sich die EVP nach den Europawahlen entwickeln könnte?

Simon Harris: Ich bin definitiv besorgt über den Aufstieg der extremen Rechten in der gesamten Europäischen Union. Ich bin besorgt über die Elemente, die wir in Bezug auf Rechtspopulismus hier in Irland sehen. Deshalb ist es wichtig, dass die Anhänger der Mitte im Vorfeld der Europawahlen auf die Straße gehen und um so viele Stimmen wie möglich werben und so viele Menschen wie möglich überzeugen, denn ich glaube, dass die Mitte jetzt mehr denn je Bestand haben muss, sowohl hier in Irland als auch in der Europäischen Union. Ich möchte nicht, dass wir nach rechts rücken. Deshalb setze ich mich hier in Irland dafür ein, dass Fine Gael-Abgeordnete ins Europäische Parlament gewählt werden. Auch meine Kollegen von der EVP sollten sich in der gesamten EU engagieren, denn der Weg, um ein Abdriften aus der Mitte zu verhindern, besteht darin, möglichst viele Menschen aus Parteien der Mitte zu wählen.

Euronews: Würden Sie Ursula von der Leyen dafür kritisieren, wenn sie sich auf einen Deal einlassen müsste, um Präsidentin der Europäischen Kommission zu bleiben, damit die EVP diese Position behält, hätten Sie dann etwas dagegen, dass sie mit der EKR und vielleicht sogar mit der ID, aber zumindest mit der EKR zusammenarbeitet?

Simon Harris: Irland wird sich nach den Wahlen äußern, wenn das Wahlergebnis bekannt ist, denn man muss immer die demokratischen Ergebnisse aller Wahlen respektieren. Aber ich weiß, wenn ich am Europäischen Rat teilnehme, dass die bei weitem größte Gruppe der Ministerpräsidenten von der EVP sind. Das ist ein ganz wichtiger Ausgangspunkt für die Diskussionen nach den Wahlen im Juni. Aber es ist wichtig, wen wir ins Europäische Parlament wählen. Ich möchte keinen Rechtsruck. Ich glaube, wir müssen in der Mitte bleiben und ich lobe die EVP für ihre Arbeit in dieser Hinsicht. Hier in Irland haben wir noch viel zu tun. Die Mitte muss liefern. Bei einer Reihe von Themen lässt die Mitte ein Vakuum entstehen, vor allem in Bezug auf den Migrationsdiskurs, und dieses Vakuum wird gefüllt und oft von Elementen der extremen Rechten ausgenutzt. Das ist nicht angemessen, das ist falsch, das ist keine Führung. Es ist wichtig, dass die EVP auf europäischer Ebene – und ich selbst als Vorsitzender der Fine Gael, einem Mitglied der EVP hier in Irland - unseren Bürgern zeigt, dass wir sie verstehen, wenn es um einige der Fragen geht, die sie in Bezug auf ein regelbasiertes System stellen, wenn es um Migration geht. Und dazu eine Anmerkung, weil es manchmal verzerrt wird: Migration und Einwanderung sind etwas Gutes. Dieses Land hat massiv von der Zuwanderung profitiert. Schauen Sie sich unser Gesundheitssystem an. Schauen Sie sich so viele Bereiche unserer Wirtschaft an. Aber unsere Bürger wollen wissen: Könnt ihr zeigen, dass das System effizient ist, dass es effektiv ist, dass es auf Regeln basiert? Alle Politiker der Mitte, Ministerpräsidenten wie ich, müssen der Öffentlichkeit zeigen, dass wir das verstanden haben und dass wir das umsetzen. Das ist der beste Weg, um ein Abdriften in die Extreme zu verhindern.

Euronews: Aber das Problem ist, dass die EVP in diese Richtung zu taumeln scheint, z.B. in Bezug auf die mögliche Externalisierung von Migranten. Das ist in gewisser Weise vergleichbar mit dem, was die Briten mit Ruanda vereinbart haben. Sind Sie damit einverstanden?

Simon Harris: Das glaube ich nicht. Alles, was die EVP tut und vorschlägt, und sicherlich alles, was Irland in irgendeiner Weise unterstützen oder befürworten wird, muss mit den Menschenrechten vereinbar sein, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (ECHR). Da sind wir ganz klar. Es ist Großbritanniens Sache, über seine Migrationspolitik zu entscheiden, aber das ist weit weg von den Ideen, die in Europa diskutiert werden.

Euronews: Warum rücken die Menschen nach rechts? Warum glauben Sie nicht mehr an das soziale Europa von früher, in dem es zumindest so etwas wie Arbeitnehmerrechte gibt?

Simon Harris: Zuerst einmal muss man sich anschauen, ob sie wirklich nach rechts rücken. Meinungsumfragen kommen und gehen, aber im Moment deuten die Umfragen hier in Irland für die Europawahlen darauf hin, dass die Mitte viel besser abschneiden könnte als erwartet. Aber mal sehen, wir haben noch einen langen Weg vor uns, und Kampagnen und Wahlen sind wichtig. Wir leben in einer sehr schwierigen Zeit: Es gibt viele Herausforderungen, sei es die Ukraine, der Nahe Osten, die Migrationskrise oder die Inflationskrise. Wir Politiker der Mitte, mich eingeschlossen, müssen uns anstrengen, es besser zu machen. Die Art und Weise, wie man mit der Klimakrise umgeht, besteht nicht darin, die Menschen zu belehren, sondern sie mitzunehmen. Man darf nicht sagen, man müsse sich zwischen den Landwirten und dem Planeten entscheiden. Man muss beides wichtig nehmen.

Ursula von der Leyens Nähe zu den Rechten

Euronews: Finden Sie es bedauerlich, dass die EVP vom Gesetz zur Wiederherstellung der Natur und den Biodiversitätsgesetzen abgerückt ist? Das waren Projekte der Verfechterin des Grünen Deals, Ursula von der Leyen, und innerhalb von 3 oder 4 Jahren knickt sie ein, möglicherweise weil sie mit Rechtspopulisten zusammenarbeiten will.

Simon Harris: Es steht mir nicht zu, für Präsidentin von der Leyen zu sprechen, aber das ist keine faire Charakterisierung ihres Handelns. Meine Europaabgeordneten von Fine Gael haben für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestimmt. Wir zeigten unsere Unabhängigkeit, um das Richtige für den Planeten zu tun. Es ist wichtig, dass ein Prozess eingehalten wird, das wird vom Europäischen Parlament unterstützt. Das ist wichtig, das zählt. Das ist Demokratie. Ich bin nicht zufrieden, wenn solche Projekte einfach irgendwo in Brüssel auf einem Abstellgleis geparkt werden und nach den Europawahlen erneut geprüft werden müssen. Aber ich bin sehr überzeugt davon, dass Präsidentin von der Leyen sich für den Grünen Deal einsetzt. Sie hat selbst viel Energie, Zeit und Führungsstärke in diesen Bereich investiert. Aber man sieht auch auf nationaler Ebene in Irland: Es ist wichtig, den Landwirten zu zeigen, dem Agrar- und Lebensmittelsektor, von dem Europa abhängt, zu zeigen, dass es einen Weg gibt, weiter zu existieren und zu gedeihen und gleichzeitig die Klimakrise zu bewältigen. Das Strohmann-Argument, man könne entweder nur das eine oder das andere tun, ist genau das, was den Extremismus schürt. Wir müssen beides tun. Wir müssen den Landwirten bei der Umstellung helfen, sie unterstützen, ihnen zuhören, mit ihnen arbeiten, und wir müssen den Planeten retten, denn es gibt einen Klimanotstand.

Wie kann Irland der Ukraine helfen?

Euronews: Eine letzte Frage zur Ukraine: Irland ist geografisch weit entfernt, aber ein Mitglied der Europäischen Union und des europäischen Kontinents. In den vergangenen Monaten hat sich die Situation in der Ukraine, im Osten, in Awdijiwka, in Charkiw, aufgrund des Mangels an Waffen und der mangelnden militärischen Unterstützung besonders zugespitzt. Was könnte Irland in dieser Hinsicht tun? Man ist sich darüber im Klaren, dass das wahrscheinlich ein langer Krieg werden wird und dass Europa die Ukraine unterstützen muss. Vielleicht nicht mit der Unterstützung der USA. Was können Sie sich vorstellen. Würden Sie zum Beispiel Verteidigungsanleihen unterstützen?

Simon Harris: Ich bin mir nicht sicher, ob Verteidigungsanleihen der richtige Weg sind. Es gibt viele Länder, einschließlich derer, die der Ukraine militärische Hilfe leisten, die sich nicht sicher sind, was Anleihen angeht. Meine Bemerkungen haben also nichts mit der allgemeinen Debatte über Anleihen zu tun. Irland wird der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe leisten, die übrigens sehr wichtig ist, aber auch ganz praktische Hilfe bei der Minenräumung und der Cybersicherheit. In beiden Bereichen arbeiten wir derzeit mit der Ukraine zusammen. Seit ich Taoiseach bin, habe ich drei Gespräche mit Präsident Selenskyj geführt. Ich habe mit dem Ministerpäsidenten der Ukraine gesprochen. Ich werde die irische Delegation beim Friedensgipfel in der Schweiz im nächsten Monat leiten, was ich für sehr wichtig halte. Und ich arbeite auch daran, so viele Länder wie möglich einzuladen, insbesondere die Länder des globalen Südens, mit denen Irland Beziehungen unterhält, eine Delegation zu entsenden. Der Friedensgipfel ist eine wichtige Gelegenheit für die Welt oder für einen möglichst großen Teil der Welt, sich über die nächsten Schritte einig zu werden. Aber die Situation in der Ukraine ist äußerst besorgniserregend. Ich weiß das aus Gesprächen mit europäischen Gesprächspartnern und aus der Frage der Luftverteidigung. Das ist ein echtes Problem. Es ist akut und dringend. Und ich weiß, dass eine Reihe von europäischen Ländern darüber nachdenkt, wie man der Ukraine in praktischer Hinsicht besser helfen kann.

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