François Bayrou bestreitet, während seiner Zeit als Bildungsminister in den 1990er Jahren von den Missbrauchsvorwürfen in der Schule Notre-Dame de Bétharram gewusst zu haben.
Die Missbrauchsvorwürfe gegen eine katholische Schule in Südfrankreich verdichten sich. Die Tochter des französischen Premierministers François Bayrou sagte in einem Interview mit Paris Match, dass sie als Kind an der katholischen Schule körperlich misshandelt wurde. Der Vater soll davon nichts gewusst haben.
Französische Medien berichteten, Bayrou sei schockiert gewesen, als er von der Misshandlung seiner Tochter an der katholischen Schule erfuhr. Hélène Perlant ist heute 53 Jahre alt und zählt zu den mutmaßlichen Opfern der Schule Notre-Dame de Bétharram. Dass auch sie Opfer der Gewalt geworden sei, „zerreißt mir als Familienvater das Herz“, sagte Bayrou.
Der Regierungschef betonte jedoch, seine Tochter stehe „nicht im Zentrum der Affäre“, die zudem keine persönliche Angelegenheit sei. Er sei nicht nur Vater, sondern vor allem Politiker und denke an die vielen weiteren Opfer, sagte der Premier.
Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Schule erschüttern Frankreich
Hunderte ehemalige Schüler haben im vergangenen Jahr Anzeige erstattet, weil sie zwischen 1957 und 2004 von den Mitarbeitern der Schule körperlich und sexuell missbraucht worden sein sollen.
Bayrou wird vorgeworfen, von den Missbrauchsvorwürfen an der Schule gewusst, aber nichts dagegen unternommen zu haben. Er war zu dieser Zeit Bildungsminister. Bayrou bestreitet die Vorwürfe vehement.
In einem Interview sagte die 53-jährige Perlant, dass sie von einem Priester der Schule während eines Sommercamps in den Pyrenäen angegriffen wurde. Zum Zeitpunkt des Übergriffs war Perlant nach eigenen Angaben 14 Jahre alt. Die Gruppe habe ihre Schlafsäcke ausgepackt, als der Priester „mich plötzlich an den Haaren packte, mich mehrere Meter über den Boden schleifte und mich am ganzen Körper schlug und trat, besonders in den Bauch“.
Der Vorfall hinterließ bei ihr „blaue Flecken“ und einen „schweren Tinnitus“, fügte sie hinzu. Ihrem Vater oder anderen Vertrauten habe sie nie davon erzählt, betonte Perlant. Er habe nicht gewusst, was in der Schule vor sich ging. Die Tochter von Bayrou hat nun ihr Schweigen gebrochen.
Opfer der Misshandlungen brechen ihr Schweigen in Buch
Am Donnerstag soll das Buch Le silence de Bétharram (Das Schweigen von Bétharram) erscheinen. Es wurde von einer Journalistin sowie Alain Esquerre verfasst und enthält auch Aussagen von anderen Opfern der mutmaßlichen Missbrauchshandlungen, unter anderem von Perlant.
„Ich habe 30 Jahre lang geschwiegen“, so Perlant gegenüber Paris Match. „Vielleicht wollte ich meinen Vater unbewusst vor den politischen Schlägen schützen, die er vor Ort einstecken musste.“
Perlant sagte, die Schule sei „wie eine Sekte oder ein totalitäres Regime organisiert gewesen, das psychologischen Druck auf Schüler und Lehrer ausübte, um sie zum Schweigen zu bringen“.
„Natürlich könnte man denken, dass er alle Informationen hatte“, sagte sie. „Aber ich stelle ihn auf dieselbe Stufe wie alle Eltern. Je mehr man involviert ist, desto weniger sieht man, desto weniger versteht man.“
Bayrou wurde im Dezember Frankreichs Premierminister. Er sagte im Februar, dass er rechtliche Schritte gegen Mediapart einleiten werde, weil diese behauptet hatte, er müsse von dem Missbrauch an der Schule in den 1990er Jahren gewusst haben.
„Ich wurde nie über diese sexuelle Gewalt informiert“, sagte er vor der Nationalversammlung. Bayrou soll am 14. Mai vor dem Parlament im Rahmen einer Untersuchung über Gewalt an Schulen aussagen.