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Wehrdienst-Gegner: "Keine Lust, im Krieg zu sterben"

70 Jahre Bundeswehr
70 Jahre Bundeswehr Copyright  AP Photo
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Von Laura Fleischmann
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Die Bundesregierung will die Wehrpflicht zurückbringen – 18-Jährige sollen wieder zur Musterung. Für viele junge Menschen wie Jimi aus Berlin ist das ein Albtraum. Doch es könnte ein Licht am Ende des Tunnels geben.

Für Jugendliche wie den 17-jährigen Jimi Herken aus Berlin kommt es hart auf hart. CDU/CSU und SPD sollen sich geeinigt haben: 18-jährige Männer müssen zur Musterung. Finden sich unter den wehrtauglichen Gemusterten nicht genügend Freiwillige, wird gelost, so berichtet es die BILD.

Erst kürzlich hat Jimi in der Hauptstadt sein Informatikstudium begonnen, das Erwachsenenleben steht vor der Tür. In seiner Freizeit engagiert er sich bei der Linksjugend und in diesen Tagen ist für ihn besonders wichtig: die Teilnahme an Aktionen gegen den Wehrdienst.

Jimi Harken im Gespräch mit Anti-Kriegsdienst-Aktivist Michael Schulze von Gaßler am 10.11.2025 in Berlin
Jimi Harken im Gespräch mit Anti-Kriegsdienst-Aktivist Michael Schulze von Gaßler am 10.11.2025 in Berlin Euronews / Laura Fleischmann

"Ich habe keine Lust, im Krieg zu sterben", erzählt Jimi Euronews bei einer Demonstration auf der Marschallbrücke. Etwa 15 Personen, alt und jung, sind an diesem kalten, grauen Novembermorgen am Rande des Berliner Regierungsviertels zusammengekommen.

"Es ist aus ideologischen Gründen undenkbar für mich, für ein Land in den Krieg zu ziehen. Das Risiko ist viel zu hoch, verletzt zu werden oder zu sterben. Ich will auch nicht das Risiko eingehen, andere zu verletzen". Die aktuellen Entwicklungen bereiten Jimi und seinen Freunden Sorgen. Sie fühlen sich in der Debatte übergangen. Niemand interessiere sich so recht dafür, was eigentlich die Jungen und Betroffenen vom Wehrdienst denken.

Armee der Armen

Durch den Schlamm robben, gemeinsam mit den Kameraden schießen lernen und im Ernstfall im Schützengraben liegen – Vorstellungen, die Jimi Angst machen. "Ich verweigere auf jeden Fall. Im Ernstfall, wenn ich eingezogen werde, würde ich versuchen, wegzukommen." Wohin, das weiß Jimi noch nicht.

Auf keinen Fall zum Bund, das steht auch für die 20-jährige Nina Fiedler fest. Bei der Protestaktion hält sie eine Rede, spricht von der "Wiedereinführung eines Systems aus Kontrolle und Zwang". Nächstes Jahr will sie eine Ausbildung zur Tischlerin anfangen.

Aktivistin Nina Fiedler hält eine Rede bei der Protestaktion "Nein zur Wehrpflicht!" am 10.11.2025 in Berlin
Aktivistin Nina Fiedler hält eine Rede bei der Protestaktion "Nein zur Wehrpflicht!" am 10.11.2025 in Berlin Euronews / Laura Fleischmann

"Ich engagiere mich, weil ich nicht will, dass meine Freunde für einen Krieg sterben, den wir nicht angefangen haben." Nina vermutet versteckte Motive: "Wenn es nur um Verteidigung gehen würde, gäbe es nicht so viel Aufrüstung. Ich glaube, dass die Regierung im Ernstfall auch angreifen würde."

Seit ein paar Monaten ist Nina bei dem Bündnis "Nein zur Wehrpflicht!" dabei. Als Frau ist sie zwar vom aktuellen Gesetzentwurf nicht betroffen, doch die Union zeigte sich vor wenigen Wochen im Interview mit Euronews offen, auch Frauen einziehen zu wollen.

Nina befürchtet, dass am Ende vor allem ärmere Jugendliche zur Bundeswehr gehen, so ruft sie es bei ihrer Rede in die Welt hinaus. Sie seien "perspektivlos", würden sich von dem erhöhten Sold, dem Führerschein und anderen Versprechen der Bundeswehr locken lassen, die für Kinder aus wohlhabenderem Hause wohl uninteressant sein dürften.

Sorge vor dem Dritten Weltkrieg

In Deutschland hat per Grundgesetz jeder das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern. So steht es in Artikel 4: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Für Michael Schulze von Glaßer, der selbst einst ausgemustert wurde, aber sonst verweigert hätte, ist es einer der wohl wichtigsten Abschnitte im Grundgesetz. Er ist Political Director der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), einer Organisation, die sich für Kriegsdienstverweigerer einsetzt.

Protestaktion von "Nein zur Wehrpflicht!" in Berlin am 10.11.2025
Protestaktion von "Nein zur Wehrpflicht!" in Berlin am 10.11.2025 Euronews / Laura Fleischmann

"Die Welt wird nicht besser, wenn man sich gegenseitig umbringt", erklärt er. Seitdem im Frühjahr die Wehrdienst-Debatte losging, kommen immer mehr Jugendliche und deren Eltern auf die Organisation zu. "Das Militär ist ein großer Eingriff in die Lebensplanung. Die Bundeswehr schreckt auch mit Hierarchien und negativen Schlagzeilen ab."

Lange hielt Schulze von Glaßer etwas wie den Dritten Weltkrieg für unrealistisch, doch seitdem die Schuldenbremse ausgesetzt wurde, ist er sich da nicht mehr so sicher. Sogar ausgebildete Bundeswehrsoldaten wenden sich besorgt an ihn. "Ein Krieg würde schnell atomar werden. Frieden durch Abschreckung ist gefährlich. Die Wehrpflicht treibt die Aufrüstungsspirale nur weiter an", erklärt Schulze von Glaßer.

Am 5. Dezember soll das Wehrdienst-Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Schulze von Glaßer und Nina wollen an dem Tag wieder demonstrieren. Für den 17-jährigen Jimi zeigt sich dann, wohin die Zukunft ihn führt.

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