Drohnen haben die moderne Kriegsführung grundlegend verändert. Seit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine setzen beide Seiten sie offensiv wie defensiv ein. Auch für die Bundeswehr werden Drohnen immer wichtiger.
Die Drohnenrevolution vollzieht sich nicht nur an der Front in der Ukraine, sondern zunehmend auch im Westen.
Westliche Streitkräfte, darunter die Bundeswehr, sehen sich durch die Kriegsführung in der Ukraine gezwungen, ihre eigenen Modernisierungskonzepte anzupassen. Gefragt sind nicht ausschließlich teure Panzer, sondern auch kleine, flexible und vor allem kostengünstige Drohnen.
Erst vor kurzem hieß es, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren sechs Einheiten mit Angriffsdrohnen aufstellen will. "Wir haben mit Testreihen begonnen", erklärte Generalleutnant Dr. Christian Freuding, der seit Oktober dieses Jahres der neue Inspekteur des Heeres ist.
Die erste Batterie mittlerer Reichweite soll 2027 einsatzbereit sein. Fünf weitere Einheiten sollen bis 2029 folgen, von denen eine Kompanie mit weitreichenden Präzisionswaffen ausgestattet werden soll. Die von Freuding angesprochene Testphase betrifft so-genannte "Loitering Munition", auch bekannt als "Kamikaze-Drohnen".
Von der Front ins Wohnzimmer
Die Ukraine setzt auf so-genannte FPV-Drohnen, die aus der Ich-Perspektive vom Boden aus gesteuert werden und als präzise Angriffswaffen eingesetzt werden. Um Soldaten dafür auszubilden, nutzt das Militär spezielle Simulationsprogramme.
Nun ist ein Teil des Trainingswerkzeugs erstmals öffentlich zugänglich: Der Ukrainian Fight Drone Simulator (UFDS) ist am 10. Dezember 2025 auf der Plattform Steam erschienen.
Dabei handelt es sich um eine spezielle Version des Simulators, mit dem die ukrainische Armee trainiert, der für zivile Nutzer unter dem Namen "Starter Edition" angepasst wurde.
"Der Simulator wurde in erster Linie für nicht-militärische Nutzer entwickelt, um ihnen ein grundlegendes Verständnis und eine grundlegende Erfahrung im Umgang mit einer Kampfdrohne unter realistischen Bedingungen zu vermitteln", erklärt Oleg, Mitglied der Ukrainian Drone Fight Group (UFDS).
Ziel ist, dass sich "normale" Nutzer den Herausforderungen stellen können, mit denen ukrainische Kämpfer täglich konfrontiert sind, erklärt er auf Anfrage von Euronews.
Die meisten Missionen und Inhalte werden jedoch weiterhin für spezialisierte militärische Ausbildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt und sind damit für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Konkret heißt das: öffentlich verfügbar ist ein vereinfachtes Kartensystem, weniger Missionsinhalte sowie weitere gesperrte Funktionen.
In dem Simulator werden die Drohnen aus der Ego-Perspektive gesteuert. Gleichzeitig müssen Nutzer Ladungen auswählen, Karten analysieren und Rückzugsrouten einplanen. Damit orientiert sich der Simulator stärker am Alltag eines echten Bedieners als an gängigen Militärspielen.
Der Drohnen-Simulator ist nur ein Beispiel dafür, wie der Krieg in der Ukraine auch in die Welt der Spiele vordringt. Ähnlich erleben es ukrainische Spieler in DayZ: Auf russischen Servern stoßen sie auf russischsprachige Mitspieler, gegen die sie ihre Charaktere steuern.
Einem Bericht der Zeit zufolge wird somit eine Art digitaler Stellvertreterkrieg erstellt, der "Frust und Ohnmacht" über die reale Situation abbauen soll, ohne dass dabei echte Menschen verletzt werden.
Wenn das Spiel eine Vorbereitung auf die Realität ist
Laut der russischen Publikation Doxa wurden im Jahr 2024 fast 540 Millionen Rubel (über 5.7 Millionen Euro) in Drohnenkurse an russischen Schulen investiert, inklusive Simulatoren, FPV-Drohnen und UAV-Labors, die teils militärische Anwendungen abbilden.
Inzwischen ist der Umgang mit Drohnen fest im russischen Lehrplan mit speziellen Kursen, Schul-AGs und Lehrbüchern verankert. Doxa zufolge baut der Staat das Programm massiv aus, um bis 2030 Millionen "Fachkräfte" für Drohnen auszubilden.
Eigenen Angaben zufolge wurden in der Ukraine bereits mehr als 5.000 Drohnenpiloten mit dem UFDS-Simulator an Drohnenoperatorenschulen ausgebildet. Trotzdem will das Unternehmen wissen, wie es seinen Simulator verbessern kann, um den ukrainischen Soldaten zu helfen. Dazu wurde eine "umfangreiche Liste" mit Erweiterungen und Verbesserungen eingeführt, damit der Simulator aktiv weiterentwickelt werden kann.
"Was die Ähnlichkeit mit echten Einsätzen an der Front angeht, so war dies unsere Hauptidee hinter dem Simulator: die Erfahrungen vom Schlachtfeld in eine Reihe spezifischer Herausforderungen und Missionen zu übertragen, um kampfbereite Piloten auszubilden", erklärt Oleg.
Die Entwickler stehen zudem in direktem Austausch mit Einsatzbrigaden, um Rückmeldungen zu aktuellen Entwicklungen an der Front, neuen Taktiken und Herausforderungen sowie zu möglichen Verbesserungen des Simulators zu erhalten.
"Dieses Wissen setzen wir dann in Form neuer Missionen oder spezialisierter Trainingskurse um", erklärt Oleg und nennt als Beispiel dafür ein neues Modell für das Training von Glasfaser-Drohnenpiloten.
Glasfaserdrohnen sind über ein hauchdünnes Kabel mit der Bodenstation verbunden, das Steuerbefehle und Videodaten überträgt und sie unempfindlich gegen elektronische Störungen macht. Dadurch eignen sie sich gut, um feindliche Jammer zu umgehen und schwer erreichbare Ziele anzusteuern. Ihr Schwachpunkt: Wird das sichtbare Kabel entdeckt, kann es leicht zerstört werden.
Drohnen verändern die Kriegsdoktrin kontinuierlich, weswegen UFDS der Überzeugung ist, dass jeder Soldat "in den Armeen von morgen ein Grundverständnis dafür haben sollte, wie man Drohnen einsetzt." Mit dem Simulator können Einsätze geübt werden, ohne Beschädigung der teuren Ausrüstung und ohne Gefahr des eigenen Lebens.
Ziel ist es, dass der Simulator auch von anderen Armeen verwendet wird. Oleg zufolge hat UFDS diesbezüglich bereits Kontakt zu einigen deutschen Organisationen aufgenommen. Kontakt zur Bundeswehr besteht momentan jedoch nicht.
Oleg ist der Meinung, dass UFDS bei der Ausweitung des Trainingsumfangs behilflich sein könnte, da ihm zufolge die Kombination aus softwarebasiertem und realem taktischem Training "die besten Ergebnisse" erzielt.
Gemäß Außenwirtschaftsverordnung (AWV), Anlage 1, Abschnitt A, Güterliste‑Nummer 0014 fallen "spezialisierte Ausrüstung für die militärische Ausbildung", darunter auch Simulatoren und Drohnen für militärische Szenarien, in Deutschland jedoch unter "streng kontrollierte Rüstungsgüter".
"Deutschland ist eindeutig auf dem Weg, seine Verteidigungsfähigkeiten zu modernisieren, und der Einsatz simulationsbasierter Schulungen ist ein schneller und kostengünstiger Weg, um dieses Ziel zu erreichen", so Oleg.
"Wir wissen, dass es funktioniert, denn diese Lösungen haben sich in der Ukraine bereits bewährt. Wir hoffen, dass die Regeln und Vorschriften für die Integration solcher verteidigungsorientierten Schulungsprogramme in den europäischen Ländern vereinheitlicht werden können, damit der Einführungsprozess beschleunigt wird."