Was wir wissen über das Fischsterben an der Oder - und was nicht

Nina Noelle und Julios Kontchou von Greenpeace Deutschland sammeln Wasserproben an der Oder nahe der polnischen Stadt Bytom Odrzański, 24. August 2022.
Nina Noelle und Julios Kontchou von Greenpeace Deutschland sammeln Wasserproben an der Oder nahe der polnischen Stadt Bytom Odrzański, 24. August 2022. Copyright © Gordon Welters / Greenpeace
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Von Alexandra Leistner
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Hunderttausende Fische sind in der Oder erstickt - offenbar durch eine Alge. Doch Aufarbeitung und Ursachenforschung verlaufen holprig.

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Was sich an der Oder im August zugetragen hat, ist eine ökologische Katastrophe. In diesem Punkt sind sich Umweltschützer:innen und Politik auf beiden Seiten der polnisch-deutschen Grenze einig.

Auch, dass das massenhafte Fischsterben höchstwahrscheinlich auf eine Algenart zurückzuführen ist, die sich bei einem erhöhten Salzgehalt im Wasser bildet und den Fischen und anderen Lebewesen im Fluss den Sauerstoff nimmt, scheint mittlerweile Konsens zu sein.

Doch die Ursache des hohen Salzgehalts ist bisher nicht gefunden - und eine Task-Force polnischer und deutscher Behörden will ihre Ergebnisse von weiteren Wasseranalysen erst bis Ende September vorlegen.

Umweltschützer:innen von Greenpeace Deutschland fordern von der Politik jetzt neben der raschen Ursachenforschung, auch Maßnahmen umzusetzen, die verhindern, dass sich eine Tragödie wie diese wiederholt.

Was wissen wir über das Fischsterben in der Oder?

Hunderte Tonnen toter Fische sind bereits auf polnischer und deutscher Seite aus dem Fluss gezogen worden, der Geruch von verwesendem Fisch ist allgegenwärtig. Greenpeace schätzt, dass bis zu der Hälfte aller in der Oder lebenden Fische verendet sein könnten. Die Behörden gehen von rund 300 Tonnen toten Fischen aus.

Wie bei der Energiekrise gibt es auch bei dieser Umweltkatastrophe mehrere Gründe, die offenbar zu einer Zuspitzung geführt haben. Dazu zählt der niedrige Wasserstand der Oder und die warmen Temperaturen im August, die offenbar ein Wachstum der giftigen Algenblüten begünstigt haben.

Fest stehe, dass diese Katastrophe "menschengemacht" ist, sagt Greenpeace-Sprecherin Nina Noelle gegenüber Euronews. Wenn zusätzlich zu den bereits schwierigen Bedingungen im Ökosystem dann regelmäßige Salzeinleitungen stattfinden, sei das problematisch und könne zu dem vermuteten Algenwachstum geführt haben.

Wo gab es Versäumnisse?

Da die ersten Folgen einer Umweltverschmutzung flussaufwärts auftraten, liegt nahe, dass die Ursache der Verschmutzung der Oder jetzt auf der polnischen Seite der Grenze gesucht wird. Eine deutsch-polnische Task-Force arbeitet an einer Untersuchung, deren Ergebnisse Ende des Monats vorliegen sollen, 

Auch Umweltschützer, darunter Nina Noelle und ihr Kollege Julios Kontchou sind nach Polen gereist um Proben zu nehmen, die jetzt analysiert werden. Noelle weiß, dass das seine Zeit dauert, "man weiß ja nicht wonach genau man sucht".

"Die Oder gleicht einem industriellen Abflussrohr", stellt Winzer Krzysztof Fedorowicz fest, dessen Weinberge einen Kilometer vom Oder-Ufer in Laz liegen.

So eine Katastrophe sei nur eine Frage der Zeit gewesen, so Fedorowicz gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Es sei bekannt gewesen, dass zahlreiche Industriebetriebe entlang des Flusses in Schlesien ihre Abwässer in die Oder leiten - ohne Genehmigung.

Die polnische Wasserbehörde bestätigte Mitte August, dass mehr als 280 illegale Abflüsse in die Oder gefunden worden, die Polizei ermittelt.

Tatsächlich gab es in Polen bereits Ende Juli Hinweise auf eine Umweltverschmutzung größeren Ausmaßes. Die Regierung steht in der Kritik, nur sehr zögerlich gehandelt zu haben. Nach Angaben des deutschen Umweltministeriums wurde die Meldekette über das beobachtete Fischsterben "von Polen nicht rechtzeitig in Gang gesetzt".

"Aber auch auf deutscher Seite gab es Versäumnisse", so Greenpeace-Sprecherin Noelle. Frühwarnsysteme wie etwa das Monitoring der Behörden, das Messwerte der Oder öffentlich zugänglich macht, versagten. Der hohe Salzgehalt, den eine Messstation schon am 6. August verzeichnete, blieb zunächst unbemerkt.

Auf beiden Seiten der Grenze müsse schneller gehandelt werden, so Noelle. "Wir brauchen eine bessere internationale Zusammenarbeit um den Fluss zu schützen".

Warum dauert die Ursachenforschung so lange?

Die Greenpeace-Analyse soll unter anderem darüber Aufschluss geben, ob die gesamte Nahrungskette für Lebewesen in der Oder zusammengebrochen ist. Das dauere seine Zeit.

Das Bundesumweltministerium nannte die Untersuchungen "technisch sehr anspruchsvoll", weshalb sie eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

"Die unkontrollierte Verschmutzung hat zu einer Kette von Ereignissen geführt, die schon jetzt nicht mehr zu überblicken ist", erklärt Professor Grzegorz Gabrys, Leiter der zoologischen Abteilung an der Universität Zielona Gora.

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"Neben den Fischen haben wir auch den Tod vieler filtrierender Organismen, wie z. B. Venusmuscheln, beobachtet. Wenn sich herausstellt, dass all diese Organismen aus dem Ökosystem verschwunden sind, können sich die Folgen der Katastrophe über viele Jahre erstrecken", warnt er. 

Das sieht auch Noelle so: Wenn der Grundzustand des Flusses in ein paar Jahren wieder hergestellt ist, wäre das "Glück".

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