5 Jahre Fridays for Future: Was hat sich verändert?

Fünf Jahre nach Beginn der von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg ins Leben gerufenen Bewegung diskutieren europäische Forscher über den globalen Klimastreik.
Fünf Jahre nach Beginn der von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg ins Leben gerufenen Bewegung diskutieren europäische Forscher über den globalen Klimastreik. Copyright AP Photo/Francois Mori
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Von Fintan Burke, European Science Communication Institute (ESCI)
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Wir haben junge Forscher:innen in Europa dazu befragt. Ihre Antwort: Klimastreiks bringen langsamen, aber sicheren Wandel.

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Zehntausende haben am vergangenen Wochenende wieder für das Klima demonstriert - bereits zum 13. Mal. Das Aktionswochenende markierte den fünften Jahrestag der von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg ins Leben gerufenen Bewegung "Fridays for Future. Zeit für einen Rückblick - aus Sicht junger Forscher:innen, die sich für die Umwelt engagieren.

Seit 2018 ist eine breite Bewegung mit zunächst steilem Wachstum entstanden. Am allerersten Streik im August 2018 nahemen rund 27.000 Menschen in 150 Ländern teil. Im darauffolgenden Jahr waren es rund 3,8 Millionen Menschen in 3.800 Städten, der bisher größte Klimaprotest aller Zeiten. Die tatsächliche Zahl lag wahrscheinlich höher, da Fridays For Future möglicherweise nicht alle Teilnehmerschätzungen von den lokalen Organisatoren erhalten hatte.

Die Proteste haben nicht nur die Politik erreichte. Auch Forscher:innen in ganz Europa fühlten von die Streiks angeregt, sich zu beteiligen und ihre eigene Arbeit im Labor voranzutreiben.

Eine der ersten protestierenden Wissenschaftlerinnen im litauischen Vilnius war die Verhaltensforschein Audra Balundė, heute Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpsychologie an der Mykolas-Romeris-Universität.

"Meine Motive waren ganz einfach", sagt sie. "Ich wollte einfach die Bemühungen junger Menschen unterstützen und zeigen, wofür ich stehe. Es schien mir das Richtige zu sein."

Wie auch anderswo forderten die Demonstranten die Regierungen auf, mehr zu tun, um die Umweltverschmutzung einzudämmen und dafür zu sorgen, dass die Schwächsten nicht den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels ausgeliefert sind.

Warum beteiligen sich Wissenschaftler:innen an Klimaprotesten?

PETRAS MALUKAS/AFP
Students and climate activists with placards take part in the Global Climate Strike demonstration in Vilnius, Lithuania, in May 2019.PETRAS MALUKAS/AFP

Audra sagt, dass sie auch ihre Stimme als Wissenschaftlerin in die Streiks einbringen wollte.

"Es schien mir wichtig, denjenigen, die versucht sein könnten, die Demonstranten an den Rand zu drängen - insbesondere die jungen Demonstranten, indem sie ihre Forderungen aufgrund ihres jungen Alters herunterspielen - zu zeigen, dass die Wissenschaft an der Seite der Demonstrierenden steht und ihre Aktionen unterstützt."

Die Teilnahme an den Protesten hat Audra auch dazu motiviert, ihre Forschungsarbeit fortzusetzen, die unter anderem untersucht, wie sich die Moral und das Identitätsgefühl der Menschen auf ihren Umgang mit der Umwelt auswirken.

Sie arbeitet auch an einem von der EU finanzierten Projekt namens Biotraces mit, um sozialere Wege zur Förderung der lokalen Ökologie zu finden. So untersucht sie beispielsweise, was lokale Gemeinschaften davon abhalten könnte, Flussrenaturierungsprojekte in ihrem Wohngebiet zu akzeptieren.

Einige ihrer früheren Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die Umweltwerte, die Selbstidentität und die "persönlichen Normen" der Menschen, sich für den Umweltschutz zu engagieren, mit der Unterstützung von Jugendlichen für den Klimawandel zusammenhängen. Mit anderen Worten: Jüngere Generationen fühlen sich stärker für den Umweltschutz verantwortlich.

Eben diese "perönlichen Normen" motivierten die in Brüssel ansässige Forscherin Adalgisa Martinelli zur Teilnahme an einer Demonstration zur Verbesserung der Grünanlagen der Stadt im vergangenen Jahr.

Wenige Tage nach ihrer Ankunft aus ihrem Heimatland Italien im September 2022 war Adalgisa von der positiven Botschaft und den konkreten Zielen der lokalen Umweltgruppe beeindruckt: mehr Pflanzen und Blumen in der Stadt.

"Es war nicht so, dass [die Leute] sich stritten oder kämpften, denn diese Art der Kommunikation mag ich nicht, aber es war sehr konkret", sagt sie.

Die Botschaft scheint auch bei den Behörden angekommen zu sein, denn Adalgisa sagt, sie habe eine deutliche Verbesserung der Parks und Grünflächen der Stadt festgestellt. Und sie fügt hinzu, dass diese Zusammenkünfte auch die Einstellung anderer Menschen beeinflussen.

"Ich sehe, dass viele Menschen einzelne Schritte machen - zum Beispiel zu Fuß zur Arbeit gehen oder das Fahrrad nehmen. Das zeigt den Wert", sagt sie.

Wie wirksam waren die Klimaproteste?

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What do Europe’s scientists think about the climate strikes? L-R: Adalgisa Martinelli, Ishan Bipin Ajmera, Benoit Durillon.Supplied

Adalgisa arbeitet mit einem Brüsseler Think Tank zusammen und ist jetzt Teil des Projekts "Leguminose", das untersucht, wie die europäische Landwirtschaft den Zwischenfruchtanbau (jährlicher Wechsel der Kulturen auf einem Feld zur Verbesserung der Bodengesundheit) besser nutzen kann.

Ein Kollege von ihr im Projekt ist Ishan Bipin Ajmera, ein Postdoktorand an der Universität für Bodenkultur in Wien, Österreich.

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Wie Adalgisa ist er erst seit kurzem in Land und kann sehen, wie die Klimaproteste zu deutlichen Veränderungen für die Menschen führen.

"Es scheint, dass die Klimaproteste tatsächlich das Bewusstsein geschärft und den öffentlichen Diskurs über Klimafragen beeinflusst haben", sagt er.

In seinem Heimatland Indien hingegen beschreibt er die Wirksamkeit der Klimaproteste als "begrenzt".

Er führt dies auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Öffentlichkeit zurück. Die Debatten in Indien drehen sich um wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz, um politische Herausforderungen und darum, dass die Regionen unterschiedlich auf Klimaproteste reagieren.

Auch wenn sie die Politiker nicht in gleicher Weise unter Druck setzen, glaubt Ishan, dass diese Debatten dennoch das Bewusstsein schärfen. "Meine Eltern, meine Großfamilie und meine Freunde zu Hause sprechen oft über die sich verändernden Wettermuster, die zunehmenden globalen Katastrophen oder die politischen Maßnahmen der Regierung, die sie in den Nachrichten hören oder über die in der Öffentlichkeit diskutiert wird", sagt er.

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Auch in Europa sind sich Forscher bewusst, dass die Proteste noch einen weiten Weg vor sich haben. Und sind besorgt über Anzeichen, dass die Bewegung an Schwung verlieren könnte.

"Man fühlt sich weniger allein"

Nach der COVID-Pandemie blieben die Teilnehmerzahlen an den Protesetn niedrig. An an dem großen Klimastreik im vergangenen Jahr nahmen weltweit rund 70.000 Menschen pro Tag Tag teil.

"Die Tatsache, dass sich immer weniger Menschen beteiligen, zeigt vielleicht, dass man sich mit dem Thema abgefunden hat, als ob man nichts mehr tun könnte", meint Benoit Durillon, Professor für Elektrotechnik am Labor für Elektrotechnik und Leistungselektronik in Lille.

Wie Audra hat auch er an einem früheren Klimastreik teilgenommen und stellt sich Fragen über die Entwicklung.

"Die Atmosphäre hat mir insgesamt gut gefallen, abgesehen von einigen spannungsgeladenen Momenten mit der Polizei, da die Situation in Frankreich ohnehin schon sehr angespannt ist", sagt Benoit, der derzeit im Rahmen des Projekts "ebalanceplus" erforscht, wie die europäischen Energienetze besser ausbalanciert werden können.

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"Aber vor allem gefällt mir die Kreativität der Slogans und Plakate, die oft mit Humor zeigen, dass es sich um eine Sache handelt, die die Menschen berührt. Dadurch fühlt man sich weniger allein."

Viele junge Forscher:innen sind der Meinung, dass die Proteste ihnen helfen, ihre Arbeit mit anderen zu teilen, die sich für die von den Streiks aufgeworfenen Fragen interessieren.

"Ich habe eine kleine Schwester, und sie bittet mich immer öfter um Bücher oder Artikel, weil es zu viele Informationen gibt", sagt Algasia. "Deshalb versuche ich natürlich immer, ihr ein paar Richtlinien zu geben."

Selbst Wissenschaftler:innen, die sich nicht an den diesjährigen Protesten beteiligten, hätten immer noch eine wichtige Möglichkeit, ihre fundierten Ansichten mit anderen zu teilen, sagt Benoit.

"Man sollte nicht vor der Debatte weglaufen, wenn sie im Alltag aufkommt", sagt er. "Für mich ist das auch eine Form des Protests."

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