Der Klimawandel führt sowohl im Meer als auch an Land zu Hitzewellen. Wir untersuchen die langfristigen Auswirkungen mariner Hitzewellen im Mittelmeer und erkunden, ob etwas für den Fortbestand dieser einzigartigen Kolonien getan werden kann.
Die neuesten Daten zur Meeresoberflächentemperatur haben für großes Aufsehen gesorgt, da der Copernicus-Dienst zur Überwachung des Klimawandels bekannt gab, dass die Temperaturen bereits im Januar neue Rekordwerte erreicht haben. Welche Auswirkungen haben diese steigenden Meerestemperaturen auf das Leben unter Wasser? Dieser Frage gehen wir in dieser Folge von Climate Now nach.
Zunächst noch ein kurzer Hinweis auf die neuesten Copernicus-Daten: Diese zeigen, dass wir den wärmsten Januar seit Beginn der Aufzeichnungen hatten, mit globalen Temperaturen von 0,7 Grad Celsius über dem Durchschnitt von 1991-2020. Zudem haben wir die wärmsten 12 Monate in Folge erlebt, mit einer Durchschnittstemperatur, die zum ersten Mal mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau lag. Dieser symbolische Schwellenwert ist ein wichtiges Ziel des Pariser Klimaabkommens der Vereinten Nationen.
Das Wetter in Europa war im Januar jedoch sehr unbeständig. In Teilen Skandinaviens herrschten die kältesten Temperaturen seit Jahrzehnten, während in Spanien die Höchstwerte am Ende des Monats um mehr als 8 Grad über dem Durchschnitt lagen.
In den Ozeanen zwischen dem 60. Breitengrad Nord und dem 60. Breitengrad Süd – den Meeren zwischen den beiden Polarzonen – lag die durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur weltweit bei 20,97 Grad Celsius. Dies ist ein überraschender Wert, der mit dem absoluten Höchstwert von 20,98 Grad Celsius aus dem August 2023 gleichzieht.
Solche Meeresoberflächentemperaturen verheißen nichts Gutes für den Sommer 2024 und werfen die Frage auf, wie widerstandsfähig bestimmte wichtige Ökosysteme wie Korallen angesichts des anhaltenden Drucks durch Wärmeperioden sein können.
Auf dem Weg nach Les Pharillons
So machte sich das Team von Climate Now auf den Weg nach Marseille, um mit den Forschern der NGO Septentrion Environnement einen Tauchgang zu unternehmen. Als wir zu ihnen stießen, legten sie gerade ihre Ausrüstung an, um aufs Meer hinauszufahren.
„Heute werden wir den Zustand der Populationen roter Gorgonien in einer Tiefe zwischen 30 und 40 Metern an einem Ort in der Nähe von Marseille namens Les Pharillons untersuchen“, erklärt der Meeresbiologe Tristan Estaque.
Er betont, dass häufige Kontrollen notwendig sind: „Unser Ziel ist eine regelmäßige Überwachung, um zu sehen, wie sich der Gesundheitszustand dieser Populationen im Laufe der Zeit verschlechtert.“
Die malerische Küste des Nationalparks Calanques wurde 1999, 2003, 2015, 2022 und 2023 von Hitzewellen heimgesucht.
Dies hat dazu geführt, dass die Korallen- und Gorgonienkolonien aus einer Wassertiefe von 10 bis 20 Metern verschwanden. In tieferen, kühleren Wasserschichten gedeihen diese besonderen Arten noch.
„Tatsache ist, dass alles, was im Jahr 2022 tot war, immer noch tot ist. Es gibt immer noch eine Menge Gorgonien-Skelette“, erklärt Tristan. Dies deutet darauf hin, dass es seit den anhaltend hohen Temperaturen der letzten Jahre nicht zu einer Neuansiedlung von Korallen gekommen ist.
„In einer Tiefe von etwa 35 bis 40 Metern findet man eine dichte, gesunde Population vor, wie auch schon in den Vorjahren. Diese ist also noch nicht betroffen.“
Mit Fotos den Wandel dokumentieren
Die von den Wissenschaftlern aufgenommenen Videos und Fotos bieten eine solide Grundlage, um das Artensterben im Mittelmeer durch marine Hitzewellen zu beobachten.
Justine Richaume zeigt uns drei Fotos von genau demselben Gebiet in der Nähe von Korsika, um zu veranschaulichen, was dort passiert. Auf dem ältesten Foto aus dem Jahr 2015 „sehen wir Kolonien roter Mittelmeerkorallen in perfektem Zustand. Auf dem zweiten Bild aus dem Jahr 2017 sehen wir, dass die Kolonien zu sterben beginnen. Nekrosen und abgestorbenes Gewebe sind zu erkennen. Dies könnte auf thermische Anomalien zurückzuführen sein.“
„Und auf dem letzten Bild aus dem Jahr 2023 sehen wir, dass die Kolonien roter Korallen vollständig abgefallen sind, was auf eine flache Struktur des Lebensraums hindeutet, wodurch Fische keinen Lebensraum finden.“
Weltweit hat sich die Zahl mariner Hitzewellen seit 1982 verdoppelt, und unbewegliche Spezies wie Korallen sind mit am stärksten betroffen.
Was können wir den Korallen helfen?
Wissenschaftler sind der Meinung, dass wir ihnen vor allem durch Fischerei- und Tourismusverbote in gefährdeten Gebieten helfen können. Anker, Flossen, Verschmutzung und bestimmte Fischfangtechniken können Korallen beschädigen, sodass sie sich nicht mehr erholen.
„Ohne menschliche Einflüsse können sie sich vielleicht anpassen. Vielleicht kommt es zu einer Mutation und es entstehen Superkolonien, die an den Klimawandel gewöhnt sind und im Idealfall in der Lage sind, sich zu vermehren und die oberen Schichten zurückzuerobern“, erklärt Tristan Estaque.
Justine Richaume ist jedoch skeptisch, dass eine Erholung schon bald eintreten könnte.
Zumindest im Mittelmeerraum, sagt sie, „werden wir nicht in der Lage sein, jene Landschaften wiederherzustellen, die nach den marinen Hitzewellen 1999, 2003 und 2022 zerstört wurden.“
Es wird prognostiziert, dass marine Hitzewellen mit der Erwärmung des Planeten häufiger und intensiver werden, und selbst unter den besten Bedingungen wachsen diese Spezies nur ein paar Millimeter pro Jahr.
Das Team von Septentrion Environnement wird weiterhin die Korallen untersuchen, den Rückgang dokumentieren und die Bevölkerung und Entscheidungsträger vor Ort über die Bedeutung dieser Ökosysteme für die biologische Vielfalt im Mittelmeer aufklären. Da invasive Arten, Verschmutzung und hohe Wassertemperaturen eine zunehmende Bedrohung für diese Gewässer darstellen, ist es wichtig, das Bewusstsein zu schärfen und Schutzzonen einzurichten, damit die Korallen eine Überlebenschance haben.
Wir danken dem Copernicus-Dienst zur Überwachung des Klimawandels, Septentrion Environne-ment, Associated Press, Office de Tourisme de Marseille, Marineheatwaves.org und dem National-park Calanques.