Die Forschenden trainierten ihre KI mit Rekonstruktionen vergangener Klimaverhältnisse aus der Zeit von null bis 1850.
Europas Sommer werden heißer, länger und tödlicher. Ein neues KI-System könnte Forschenden jedoch bis zu sieben Wochen Vorlauf geben, bevor extreme Hitzewellen zuschlagen.
Forschende des Euro-Mediterranean Centre on Climate Change (CMCC) haben ein Modell für maschinelles Lernen entwickelt. Es soll schwere Hitzeereignisse genauer und effizienter vorhersagen als bisherige Methoden.
Ihre Ergebnisse, veröffentlicht im Fachjournal Communications Earth & Environment, könnten verändern, wie sich Europa auf eine seiner gefährlichsten Klimabedrohungen vorbereitet.
„[Maschinelles Lernen] wird ein grundlegender Bestandteil unserer Forschung zur Klimavariabilität“, sagt Studienautor Dr. McAdam. „Diese Studie hat [seinen] Nutzen für die Vorhersage extremer Ereignisse gezeigt. Aber sie ist nur ein erster Schritt, um Methoden so zu definieren, dass die Ergebnisse interpretierbar und physikalisch sinnvoll sind.“
KI könnte saisonalen Klimaprognosen einen neuen Vorsprung verschaffen
Hitzewellen zählen zu Europas tödlichsten Klimarisiken.
Verheerende Hitze in den Jahren 2003, 2010 und 2022 führte zu Zehntausenden Todesfällen, Ernteausfällen, Energiespitzen und schweren Gesundheitskrisen. Forschende warnen, dass solche Ereignisse länger, intensiver und häufiger werden, je weiter sich der Planet erwärmt.
Eine Analyse aus dem Jahr 2024 von Climate Resilience for All ergab, dass die Hitze in einigen Städten Südeuropas inzwischen bis zu fünf Monateim Jahr anhält, weil die Temperaturen bis weit in den Herbst über 32 °C bleiben. Dieser Sommer gehörte in Spanien zu den heißesten überhaupt.
Eine weltweite Studie von World Weather Attribution und Climate Central warnte zudem: Bis 2100 könnte der Planet jedes Jahr fast zwei zusätzliche Monate mit „superheißen“ Tagen erleben.
Vor diesem Hintergrund sagen die Forschenden: Frühwarnsysteme können Leben retten.
„Saisonprognosen, die im Frühling erstellt werden, können grundsätzlich sagen, ob ein Sommer wärmer als der Durchschnitt wird“, sagt McAdam. „Frühwarnungen vor extrem heißen Sommern helfen der Gesellschaft, sich vorzubereiten, wirtschaftliche Verluste zu begrenzen und das Risiko für Menschenleben zu senken.“
So funktioniert das System
Für ihre Prognosen durchforstet die KI des CMCC-Teams rund 2.000 verschiedene Klimaindikatoren. Die Spanne reicht von Lufttemperaturen und Ozeanbedingungen bis zur Bodenfeuchte. So findet sie die Kombinationen, die am besten signalisieren, wann und wo sich Hitzewellen bilden. Hat sie diese Schlüsselmuster erkannt, erstellt das System Hitzewellenprognosen für ganz Europa.
Nach Angaben der Forschenden erreicht ihr Ansatz die Qualität herkömmlicher Vorhersagesysteme. In manchen Fällen übertrifft er sie sogar. Besonders in Nordeuropa war die Vorhersagegüte lange begrenzt.
Außerdem liefert er wertvolle Einblicke, welche Umweltvariablen extreme Hitze am stärksten beeinflussen.
Die Studie zeigt: Entscheidend sind lokale Bedingungen. Etwa, wie trocken der Boden ist, wie warm eine Region bereits ist und wie sich die Luft über Europa bewegt. Auch weit entfernte Ozeanmuster bestimmen mit, wann Europa eine Hitzewelle erlebt.
Detaillierte Wetteraufzeichnungen reichen nur wenige Jahrzehnte zurück. Daher trainierten die Forschenden ihre KI mit computergestützten Rekonstruktionen historischer Klimaverhältnisse vom Jahr 0 bis 1850.
So erhielt das Modell Hunderte zusätzliche „virtuelle Jahre“ Wetter, aus denen es lernen konnte. Obwohl die Daten von einem simulierten Planeten stammten und nicht aus realen Beobachtungen, konnte die KI das Gelernte auf heutige Bedingungen übertragen und echte Hitzewellen zwischen 1993 und 2016 präzise vorhersagen.
Kann KI Vorhersagen zugänglicher und weiter verbreitet machen?
Klassische Klimaprognosen stützen sich auf riesige Supercomputer, die komplexe Atmosphärenmodelle Tage oder sogar Wochen lang rechnen. Das CMCC-Team betont, dass sein KI-System mit deutlich weniger Rechenleistung auskommt.
Trotzdem benötigen KI-Systeme in der Regel viel Energie und Wasser, um die Rechenzentren dahinter zu betreiben und zu kühlen. Der CMCC-Bericht hat die Umweltkosten seiner KI nicht berechnet. Rein rechnerisch dürfte die gute Zugänglichkeit jedoch bedeuten, dass mehr Forschungsgruppen und Behörden sie sich leisten können.
Wie McAdam erklärt, zeigt ihr Ansatz, dass maschinelles Lernen verlässliche Saisonprognosen liefern kann, „mit nur einem Bruchteil der Rechenressourcen“, die ältere Verfahren benötigen.
Wenn extreme Hitze Wochen vor ihrem Eintreffen präzise angekündigt wird, kann Europa besser vorausplanen, Ernten schützen, die Stromnetze entlasten und den Gesundheitssystemen Zeit geben, sich auf mehr Notfallbehandlungen vorzubereiten.
Die Vorteile dieses KI-gestützten Werkzeugs könnten auch bei anderen tödlichen Ereignissen Leben, Zeit und Ressourcen sparen. Die Forschenden glauben, dass sich das gleiche Rahmenwerk künftig anpassen lässt, um andere Wetterextreme wie Überschwemmungen oder Dürren vorherzusagen.