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ESC-Gewinner JJ: "Einfach so sein, wie ich bin"

JJ gilt mit "Wasted Love" als Mitfavorit beim diesjährigen ESC.
JJ gilt mit "Wasted Love" als Mitfavorit beim diesjährigen ESC. Copyright  ORF/Pavla Hartmanova
Copyright ORF/Pavla Hartmanova
Von Mathias Huber
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Johannes Pietsch (24) hat für Österreich den Eurovision Song Contest 2025 gewonnen. Im Interview spricht er über seine Wurzeln als Kontertenor und die Botschaft, die er seinen Zusehern in ganz Europa vermitteln will.

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Vorhang auf für Johannes Pietsch: Der 24-Jährige gebürtige Wiener vertritt Österreich am 15. Mai beim Eurovision Song Contest in Basel. Mit seinem Song „Wasted Love“, einem Genremix aus Pop, Oper und ein bisschen Techno liegt der Kontertenor bei den Wettanbietern hoch im Kurs.

Euronews: Johannes, du vertrittst Österreich, ein Land, das für seine klassische Musik international bekannt ist. Und du singst ein Opernlied - wie viel von deinen Wurzeln als Kontertenor steckt in diesem Auftritt eigentlich drinnen? Wie hat dich dein bisheriges musikalisches Leben auf den Moment vorbereitet?

Es steckt viel drinnen, weil ich meine zwei musikalischen Welten, mit denen ich aufgewachsen bin, mit einbezogen habe – damit sind hundert Prozent von meinem „künstlerischen Ich“ in der Performance dabei.

War das wie ein roter Faden, der dich zu diesem Moment geführt hat?

Von dem Tag an, an dem ich zum ersten Mal angefangen habe, klassisch zu singen, hat sich der rote Faden ziehen lassen. Ab da, wo ich dann auch die Kombination dafür gefunden habe, damit es mit beidem funktioniert, mit Pop und Oper. Auch im Studium haben die Leute gesagt: „Hey, ich glaube, damit würdest du eine realistische Zukunft haben“. Von dem Tag an hat sich das so fortgesetzt - und jetzt stehe ich auf der ESC-Bühne.

Spektakulärer Auftritt: In "Wasted Love" singt JJ über schmerzliche Erfahrungen in der Liebe. (Ausschnitt aus dem zugehörigen Musikvideo)
Spektakulärer Auftritt: In "Wasted Love" singt JJ über schmerzliche Erfahrungen in der Liebe. (Ausschnitt aus dem zugehörigen Musikvideo) Warner Music

Und die ESC-Bühne, das ist die größte, die es in Europa gibt. Was bedeutet es für dich, da auftreten zu können? „Wasted Love“ ist immerhin dein allererster Song. Ist das nicht ein Sprung ins kalte Wasser?

Ja, auf jeden Fall. Es ist absolut verrückt, dass mein erster Song, den ich überhaupt rausbringe, in so einem Format präsentiert wird. Also, damit hätte ich wirklich absolut nie im Leben gerechnet. Es ist insane. Und dass ich Österreich vertreten darf, ist noch verrückter. Ich bin es gewohnt, auf der Bühne zu stehen, aber auf der klassischen Bühne - und jetzt in einer so großen Dimension mit so viel Reichweite zu performen, finde ich absolut insane. Das Tausendfache an dem, was ich an der Staatsoper normalerweise an Publikum sehe, sehe ich dann auf der ESC-Bühne.

Es ist ja nicht nur ein großes Publikum, es ist auch ein sehr vielfältiges Publikum, aus vielen europäischen Nationen. Du vertrittst Österreich dann in gewisser Weise auch kulturell. Gibt es eine Botschaft über dein Land, die du international transportieren möchtest?

Ja, auf jeden Fall. Die klassische Musik stirbt leider  – wenn man das so sagen darf – langsam aus. Meine Botschaft wäre, der klassischen Musik eine Chance zu geben, da sie eigentlich einer der Ursprünge der Musik ist, die man heutzutage hört. Und die hat wirklich spezielle Momente, die Menschen rühren kann. Alle Popsongs, die man heutzutage hört, haben klassische Elemente in sich. Daher muss man dem Ursprung auch eine Chance geben. 

Im Moment bist du bei den Buchmachern der zweite Favorit auf den Titel, hinter Schweden. Siehst du dir solche Ranglisten überhaupt an?

Also, ich schaue mir die Wettquoten tatsächlich nicht an. Ich bekomme von meinen Freunden und der Familie mehrere Screenshots, jeden Tag. Nach dem Motto: „Hey, hey, deine Chancen sind um einen Prozentpunkt gestiegen!“ Daher schaue ich mir das persönlich nicht an. Aber ich fühle mich wahnsinnig geehrt, dass die Leute so viel Vertrauen in meine Person und mein künstlerisches Ich stecken.

Das bedeutet aber sicher auch viel Druck. Hast du irgendeinen Trick oder ein mentales Denkmuster, das dir dabei hilft, runterzukommen?

Ja, ich stelle mir jedes Mal vor, das wäre der letzte Auftritt meines Lebens. Und natürlich will man immer das Beste zum Abschluss. Und daher versuche ich immer, alles zu geben. Ich versuche auch immer, die beste Performance, die ich jemals gegeben habe, abzuliefern.

Und die Erwartungen von anderen? Du konzentrierst dich also eher auf dich selbst? 

Genau. Natürlich finde ich andere Meinungen wichtig. Aber in erster Linie schaue ich hauptsächlich auf mich, auf das, was sich richtig anfühlt und was auch am besten zu mir passt. 

Bleiben wir bei dir. In „Wasted Love“ singst du ja auch über deine eigenen schmerzlichen Erfahrungen mit der Liebe. Hat das nicht etwas besonders Verletzliches, wenn man auf der großen Bühne Einblicke in die eigene Gefühlswelt gibt?

Ja, genau. Das Publikum wird auch durch die Bühnenperformance einen Einblick in meine Seele haben. Es wird sehr intim. Und ich werde wieder den Moment Revue passieren lassen, wie es mir damals zu dieser Zeit gegangen ist, damit ich auch die volle Emotion spüre. Aber, ja, belasten tut mich das, worüber ich singe, zum Glück nicht mehr, weil ich es schon verarbeitet habe. Aber ich werde mich trotzdem wieder in die Rolle zurückversetzen, wie es mir damals ging.

Mitfavorit: Momentan findet sich JJ bei vielen Wettanbietern unter den drei Künstlern mit den besten Chancen, den ESC zu gewinnen.
Mitfavorit: Momentan findet sich JJ bei vielen Wettanbietern unter den drei Künstlern mit den besten Chancen, den ESC zu gewinnen. ORF/Pavla Hartmanová

Denkst du daran, dass dir so viele Menschen dabei zusehen?

Nein, die ungefähr 160 Millionen sehe ich dann nicht vor Augen. Aber trotzdem ist da viel Druck, mit dem ganzen Licht und dem, was auf der Bühne passiert. Ich konzentriere mich auf die Performance, da werde ich die Leute nicht wirklich so wahrnehmen können, weil ich ohnehin zu viel um mich herum haben werde, worauf ich achten muss.

Hast du früher auch vor deinem jetzigen Auftritt den Song Contest öfter angeschaut?

Ja, seit dem Sieg von Conchita Wurst 2014. Das war sogar das erste Jahr, wo meine Familie und ich angefangen haben, regelmäßig den Song Contest zu schauen. Davor hatte ich schon auf dem Schirm, dass es den ESC gibt, aber ich habe ihn nie geschaut, denn in Dubai, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir kein deutsches Fernsehen - und haben nichts davon wirklich mitbekommen.

Und dann, durch Conchitas Auftritt - das hat für so viel Aufsehen besorgt, dass darüber in Dubai auch berichtet wurde, wo ich aufgewachsen bin. Und dort war das ein riesiges Tabuthema, wenn man Teil der Queer Community ist.

Und dann war unsere Einstellung innerhalb der Familie: Ja, das müssen wir jetzt schauen, weil wir unterstützen die Community. Meine Eltern haben gesagt: Hass ist wirklich das, was man nicht braucht auf dieser Welt - und wir schauen jetzt aus Solidarität zu. Und von dem Jahr an hat es uns so sehr gefallen, dass wir jedes Jahr den Song Contest geschaut haben.

Da haben ja ganz, ganz viele Österreicher vor dem Fernseher gesessen und haben Conchita Wurst zugeschaut, wie sie den ESC damals nach Hause geholt hat. Kann man sich von der „Blaupause“ für den Sieg damals irgendwie inspirieren lassen? Was glaubst du, hat den Song damals erfolgreich gemacht? Hast du dir vielleicht was davon abgeschaut?

Ja, also in dem Sinn: Einfach so sein, wie ich bin. Conchita hat sich auch nicht für irgendwen oder irgendwas verstellt, sondern war immer „true to themselves“. Ich finde, das ist das Wichtigste. Wenn man sich verstellt, dann verliert man sich selbst irgendwann. Und man sollte einfach so sein, wie man ist. Man ist halt so.

Was kann man von deiner Bühnenshow erwarten?

Es wird sehr intim. Ich bin alleine auf der Bühne. Es wird viel Storytelling sein, also so ähnlich wie das Musikvideo. Die Elemente daraus - mit einem Boot im Regen. Das wird auch ein Teil der Bühnenperformance. Es wird etwas sein, was die Leute, glaube ich, catchen und emotional hoffentlich auch rühren wird. Jetzt denke ich nur gerade daran, wie es sein wird, wenn der Techno-Teil im Song kommt. Das wird echt bombastisch.

Eine etwas hypothetische Frage: Wenn du in ein paar Jahren auf deinen Auftritt zurückschauen wirst, woran sollten sich die Leute erinnern?

Interessante Frage. Ich würde sagen, an meine Person. Also nicht als Künstler, sondern daran, wie ich meine Emotionen rüberbringe. Ich glaube, das hat die Leute ziemlich gerührt und ich fühle mich auch geehrt, dass sich die Leute in meinem Song wiederfinden. Also, ja, ich würde sagen, die Emotionen meiner Performance, in meinem Song.

Willst du ein spezielles Gefühl erzeugen?

Ja, Hoffnung. Ich meine, der Song ist ziemlich traurig. Es gibt dann aber eben die Hoffnung, dass es immer ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Und wenn man  eine kurze, schlechte Phase hat, heißt das, dass man die auch überwinden kann, weil… es ist wirklich nie das Ende der Welt. Man kommt immer aus jeder Situation positiv heraus. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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