Die Dubai Design Week geht ins elfte Jahr, rückt Gemeinschaft in den Fokus. Leiterin Natasha Carella blickt auf Wachstum und fördert regionale Stimmen und echte Designstorys.
Als die Dubai Design Week 2015 startete, kamen 30.000 Besucherinnen und Besucher. Zehn Jahre später hat sich das Festival verfünffacht. Direktorin Natasha Carella betont dennoch: Es bleibt „menschlich überschaubar“.
Diese Balance zwischen großem Anspruch und nahbarer Zugänglichkeit prägt ihren Ansatz für eines der wichtigsten Designtreffen der Region.
Die elfte Ausgabe läuft bis zum neunten November 2025. Sie versammelt bei Downtown Design über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, großformatige Installationen und ein wachsendes Programm. Und sie meidet bewusst, was Carella „Buzzwords“ nennt. Stattdessen gilt: drei Leitprinzipien – herausragendes, originelles Design zeigen; authentische Stimmen aus der Region vertreten; und ausloten, wie Design eine gemeinsame Zukunft stärken kann.
Carella spricht offen über die Herausforderungen großer Veranstaltungen. Sie weist Nachhaltigkeitsversprechen zurück, räumt aber ein, dass man „neue Wege des Bauens und Herstellens“ finden müsse.
Diese Ehrlichkeit prägt das Programm. Es reicht von experimentellen Materialien wie Datecrete (aus Dattelkernen) bis zu Erkundungen der Alltagsarchitektur in der arabischen Welt, in der Kuwaits Gestaltungstraditionen ganz anders sind als in Bahrain oder in den vielfältigen Landschaften Saudi-Arabiens.
Das diesjährige Thema „Community“ spiegelt den nationalen Fokus der VAE und Carellas Anspruch, „kleinere Communities in unserem Programm sichtbar zu machen“. Das reicht vom öffentlichen Bibliotheksprojekt Bootleg Griot, das afrikanische Literatur feiert, bis zu einer rein emiratischen Flamenco-Gruppe. Da Designwochen von Doha bis Kairo boomen, sieht Carella darin vor allem Chancen, die Vielfalt der Stimmen abzubilden: „Wir haben alle unsere Rollen.“
Im Gespräch spricht sie über die Entwicklung des Festivals, die rasante Reifung des Design-Ökosystems Dubais und ihre Vision engerer Zusammenarbeit im Globalen Süden. Ihr Leitmotiv: Gutes Design schafft Räume für Austausch, nicht für Wettbewerb.
Euronews Culture: Was macht die Dubai Design Week einzigartig?
Natasha Carella: Die Dubai Design Week findet in ihrer elften Ausgabe vom vierten bis neunten November statt. Sie unterscheidet sich etwas von anderen Designwochen. Viele sind über die ganze Stadt verteilt – am eindrucksvollsten wohl Mailand. Auch bei uns passiert einiges in der Stadt. Der Großteil des Programms bleibt aber im Dubai Design District, umgangssprachlich D3. Dort sitzen Unternehmen und Büros aus allen Designsparten: Fosters and Partners, Grimshaw, dazu Chopard oder Van Cleef, bis hin zu Adidas, Puma, Lego, Leica. Alle sind hier – schön ist, dass viele als Teilnehmende auftreten und zugleich zum Publikum gehören. 2015 kamen rund 30.000 Menschen. Heute sind es etwa 150.000. Und doch bleibt es menschlich überschaubar. Das ist mir wichtig.
Wie kuratieren Sie das Programm der Design Week?
NC: Wir meiden Schlagworte. Stattdessen folgt das Programm klaren Prinzipien. Es sind drei. Erstens: hohe Qualität und originelles Design. Zweitens: echte Repräsentanz der Stimmen aus dieser Region – das ist uns sehr wichtig. Die arabische Welt wird oft über einen Kamm geschoren. Doch die Nuancen sind groß: Alltagsarchitektur in Kuwait unterscheidet sich stark von Bahrain, ganz zu schweigen vom riesigen Saudi-Arabien.
Und drittens: Wir erforschen, wie Design unsere gemeinsame Zukunft unterstützen kann. Ich sage als Erste: Kein Event ist nachhaltig. Also machen wir uns nichts vor. Solange wir nicht ehrlich sind, lösen wir die Probleme nicht. Was wir tun können: neue Wege des Bauens und Herstellens finden. Und fragen, wie Design marginalisierten Gemeinschaften hilft.
Was sind die zentralen Bausteine der Design Week?
NC: Wir haben zwei Messen. Downtown Design ist unsere Fachmesse. In diesem Jahr sind über 300 Ausstellerinnen und Aussteller dabei – ein starker Mix internationaler Leitmarken, von Möbeln bis Textilien, und mit deutlicher regionaler Präsenz. Vergangenes Jahr haben wir mit Editions eine zweite Messe gestartet. Sie widmet sich limitierten Editionen in Kunst und Design. Wir gehören zur Art-Dubai-Gruppe, der Fokus liegt daher ebenfalls stärker auf dem Globalen Süden.
Dazu kommen großformatige Designobjekte und Installationen. Etwa Nikken Sekkei: Sie arbeiten mit einer japanischen Familie zusammen, die seit Hunderten Jahren Holzverbindungen perfektioniert, und bauen einen Pavillon mit einer Teezeremonie auf Meister-Niveau im Inneren. Oder das Art Collective, größtenteils mit Wurzeln in Indien, aber in Dubai geboren und aufgewachsen. Sie haben Datecrete erfunden, einen massiven Oberflächenwerkstoff aus Dattelkernen. Damit zeigen sie, dass es alternative Materialien fürs Bauen und Herstellen gibt.
Wie hat sich Dubais Design-Ökosystem entwickelt?
NC: Vor zehn Jahren hieß Design hier vor allem: Produkte und Möbel importieren. Es gab schlicht keine Lieferketten. In typischer Dubai-Manier hat sich das in kurzer Zeit stark verändert. Es gibt hervorragende Hochschulen wie die American University of Sharjah mit einer exzellenten Architekturfakultät, die großartige Nachwuchstalente hervorbringt.
Dazu kommen Kulturinstitutionen wie Tashkeel mit dem Programm Tanween. Dort begleitet man eine Gruppe junger Kreativer, entwickelt mit ihnen Produkte und präsentiert sie anschließend bei Downtown Design. Auch die Regierung unterstützt. In diesem Jahr hat D3 erstmals die D3 Awards aufgelegt – für alle bis zu fünf Jahre nach dem Karrierestart.
Das diesjährige Thema lautet Community. Wie zeigt sich das im Programm?
NC: In den VAE ist es das Jahr der Community. Das stiftet Identität und bringt Menschen zusammen. Eine unserer Sonderaufträge heißt Urban Commissions. Die diesjährigen Gewinnerinnen und Gewinner rücken den Hof als Gemeinschaftsraum in den Mittelpunkt. Sie entwickeln eine Typologie, die zeigt, wie einheimische Materialien in Küsten- und Gebirgsregionen genutzt wurden – Korallen an der Küste, Stein und Palmblätter in den Bergen.
Auch die Architektur-Ausstellung von D3 mit dem RIBA stellt Community in den Fokus. Für uns heißt das: kleinere Communities in unser Programm holen. Da ist Bootleg Griot – drei junge Leute, die ein öffentliches Bibliotheksprojekt für afrikanische Literatur gestartet haben. Und es gibt eine großartige rein emiratische Boygroup, die ausschließlich Flamenco spielt. Uns geht es darum, unsere Plattform zu nutzen, um Gemeinschaften eine Stimme und einen Raum zu geben, die im Mainstream Dubais sonst nicht sichtbar sind.
Welche Rolle spielt die Dubai Design Week in der regionalen Designlandschaft?
NC: Regional entstehen viele Designformate – das ist enorm wichtig. Es gibt Design Doha in Katar, die Tanween Design Week in Saudi-Arabien, Amman in Jordanien kehrt nächstes Jahr zurück, dazu die Cairo Design Week. Oft werde ich gefragt, was wir tun, wenn all diese Orte aufgehen. Ich erinnere dann: In London finden jeden Tag tausend Veranstaltungen statt. Wir brauchen davon eher mehr. Jede und jeder hat eine eigene Rolle. Das macht uns stärker. Unsere Mission ist dieselbe: das Design von hier zeigen und Räume schaffen, in denen der Austausch mit der globalen Community gelingt.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
NC: KI spielt natürlich mit hinein. Wir müssen aber bewusster damit umgehen. Sie bietet enormes Potenzial für die Gestaltungspraxis. Gleichzeitig basieren große Sprachmodelle auf menschlichen Routinen und Kreativität. Wo verläuft die Grenze bei Originalität und geistigem Eigentum? Wie bleiben wir menschenzentriert?
Dubai ist in dieser Hinsicht spannend. Die Stadt reagiert schnell – in der Gesetzgebung und beim Gegensteuern. Scheitern ist erlaubt, und nur so lernt man. Für uns heißt das auch: Beziehungen zum größeren Globalen Süden weiter ausbauen. Es gibt etwa die Lagos Design Week. Ich würde sie gern ansprechen und schauen, wie wir gemeinsam arbeiten können, um nicht-westliche Märkte und Erzählungen zu stärken.