100 Tage bis zur Europawahl

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Von Euronews
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Von der Europawahl trennen uns nur noch einhundert Tage, wobei europaweit an insgesamt vier Tagen abgestimmt wird. Zwei Fragen stehen diesmal im Vordergrund: Wie hoch wird die Beteiligung sein, die bei den vergangenen Wahlen von Mal zu Mal geringer war, und wie werden die europafeindlichen Parteien abschneiden, die zur Zeit im Aufwind sind? Wenn Sie wissen wollen, wie die Abgeordneten des Europaparlaments arbeiten, genügt ein Mausklick.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments vertreten rund 400 Millionen wahlberechtigte Bürger. Seit 2009, seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, hat das Parlament in fast allen politischen und wirtschaftlichen Fragen eine Schlüsselrolle inne. Ebenfalls seit fünf Jahren sorgt die Organisation VoteWatch Europe dafür, dass die Tätigkeit des Europaparlaments vollständig transparent ist: Eine Internetseite gibt Aufschluss darüber. “Besucher können sich ein klares Bild darüber machen, was im Parlament geschieht”, so Doru Frantescu, der Leiter der Organisation. “Zu sehen ist, worüber abgestimmt wird, doch auch wer wofür gestimmt hat. Die Positionen der einzelnen politischen Gruppen und Familien im Europaparlament werden deutlich, Besucher der Seite können somit ihre politische Entscheidung treffen.” Der Transparenz sind freilich gewisse Grenzen gesetzt. Während Abstimmungen in der Vollversammlung aufgezeichnet werden, bleiben Abstimmungen in den Ausschüssen geheim. Doch die öffentlichen Abstimmungen besagen eine ganze Menge. “Eine Grafik verdeutlicht die durchschnittliche Beteiligung der Abgeordneten der einzelnen Mitgliedsstaaten”, meint Frantescu, “sie zeigt, in welchem Maß die Abgeordneten an der Abstimmung teilgenommen haben, an den elektronischen Abstimmungen und in der Vollversammlung. Die Grafik zeigt, dass die österreichischen Abgeordneten die höchste Beteiligung aufweisen, während die Abgeordneten aus Malta, Litauen und Zypern die Schlusslichter bilden.” Die Schaubilder verdeutlichen auch, wie sich unterschiedliche Koalitionen bilden. Geht es um Wirtschaft und Handel, kommen Mehrheiten im Mitte-rechts-Spektrum zusammen, während Entscheidungen zu sozialen oder Umweltthemen eher im Mitte-links-Spektrum getroffen werden.

Zahlreiche Bürgervereinigungen informieren die Wähler, darunter Debating Europe. Wie es der Name sagt, organisiert die Vereinigung Debatten zu europäischen Fragen, zugleich schlägt sie seit einigen Wochen die Online-Abstimmung vor. Adam Nyman, Sie sind der Leiter von Debating Europe. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es handelt sich dabei weder um eine wirkliche Abstimmung noch um eine Umfrage. Es geht vielmehr um einen Stimmungstest, der einen gewissen Linksdruck bezeugt. Die größte Zustimmung erhalten die Sozialdemokraten, gefolgt von den Liberalen und den radikalen Linken. Vierte Kraft ist demnach das Mitte-rechts-Spektrum, während die europafeindliche Rechte unbedeutend bleibt. Ist dieses Bild realistisch, wenn Umfragen zufolge europafeindliche Bewegungen rund 25 Prozent erreichen könnten?

Adam Nyman, Debating Europe:
“Dieses ist nur eine Einstimmung, die wirkliche Wahlkampagne hat ja noch nicht begonnen. Zwischen heute und dem 15. Mai, wenn unser Stimmungstest beendet wird, werden entscheidende Veränderungen stattfinden. Die Zustimmung für die Euroskeptiker wird ebenso wie jene für die Konservativen im Verlauf unserer Online-Debatten wachsen.”

euronews:
“Parteien wie die französische Front National oder UKIP in Großbritannien könnten rund 20 Prozent der Stimmen bekommen. Weigert man sich, das öffentlich zur Kenntnis zu nehmen?”

Adam Nyman, Debating Europe:
“Nein, das denke ich nicht. In den Institutionen der EU, in den Parteien geht die Angst um, wegschauen hilft nicht. Die Tatsache, dass die Wahlkampagne nicht richtig begonnen hat, mag ein Zeichen dafür sein, dass sie verhalten bleiben könnte, um Debatten zu diesem Thema zu vermeiden.”

euronews:
“Die linken und rechten europafeindlichen Parteien geben den Ton an. Sie plädieren für eine Begrenzung der Zuwanderung, für eine eingeschränkte Personenfreizügigkeit in der EU, für einen Austritt aus dem Euro. Werden die Mainstream-Parteien die Kampagne aus der Defensive heraus führen?”

Adam Nyman, Debating Europe:
“Ich denke nicht, dass sie in die Defensive gehen werden. Sie müssen ihre eigene Politik vertreten und dafür werben. Und sie müssen für eine klare Grenze zwischen ihrer Politik und jener der Euroskeptiker sorgen. Erworbene Verdienste und Ideen werden die Grundlage der Wahl bilden, Propaganda hat kaum eine Chance. Man sollte im Auge behalten, dass die euroskeptischen Parteien von beiden Seiten des politischen Spektrums kommen, sie bilden keinen homogenen Block und werden das auch im Parlament nicht tun. Es wird für sie nicht einfach sein, ein Veto einzulegen, weil sie unterschiedlicher Meinung sein werden.”

euronews:
“Sie meinen, dass die europafeindlichen Bewegungen die Arbeit des Parlaments nicht stören werden, selbst wenn sie erstarken?”

Adam Nyman, Debating Europe:
“Es hängt davon ab, wie viele Abgeordnete die Euroskeptiker ins Parlament bekommen. Bei mehr als 25 Prozent wird die Lage heikel.”

euronews:
“Rätsel gibt auch die Wahlbeteiligung auf. 57 Prozent gingen beim letzten Mal nicht zur Wahl, die Anzahl der Nichtwähler wird diesmal zumindest genauso hoch oder sogar noch höher sein. Tun die europäischen Institutionen und Parteien etwas dagegen?”

Adam Nyman, Debating Europe:
“Eigentlich gibt es zur Zeit nur zwei Parteien, die wirklich engagiert sind: Die Sozialisten werben für die Wahl und die Grünen haben eine Urwahl veranstaltet, eine bemerkenswerte europäische demokratische Übung. Nationale Debatten aber gibt es nicht. Die Spitzenpolitiker, die für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission kandidieren, müssten den Bürgern Europas vorgestellt werden, im Grunde hätte das bereits vor einem Jahr geschehen müssen!”

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