"Polen sind eher Klimafatalisten als Klimaskeptiker"

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Von Sophie ClaudetValérie Gauriat
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Die aktuelle Insiders-Reportage beleuchtet, warum das osteuropäische Land nicht von der Kohle lassen will.

Polen, Europas größter Kohleproduzent, war gerade Gastgeber der COP24. Aber weit davon entfernt, seine Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, will das Land seine Bergbauindustrie ausbauen. Euronews-Reporterin Valérie Gauriat recherchierte vor Ort.

Euronews-Reporterin Sophie Claudet:"Valérie, Ihre Reportage beginnt mit Menschen, die sich über die Umweltverschmutzung beschweren, aber dennoch scheinen sich die meisten Leute, mit denen Sie sprechen, keine Sorgen über Smog zu machen, und dabei weiß man, dass jährlich 50.000 Menschen daran sterben. Mehrere polnische Städte gehören neben Peking oder Neu-Delhi zu den Städten mit der schlimmsten Luftverschmutzung weltweit. Sind die Polen Klimaskeptiker oder macht die Regierung nichts?"

Euronews-Reporterin Valérie Gauriat:"Es gibt sicherlich eine gewisse Skepsis. Menschen, die wir interviewt haben, wie z.B. den Gewerkschaftsvertreter, den man im Bericht sieht, meinten, dass es keinen wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel gibt, und auch die polnische Wissenschaftsakademie stimmt nicht mit dem Internationalen Ausschuss für Klimawandel über einen Zusammenhang zwischen Kohle und globaler Erwärmung überein. Also ja, es herrscht Skepsis, aber meiner Meinung nach ist das mehr eine Art Klimafatalismus als Skepsis. Die Menschen sind an den Kohlebergbau gewöhnt, sie leben seit Jahrzehnten damit. Aber in Polen entwickelt sich auch eine Umweltschutzbewegung und die COP 24, war eine Gelegenheit für die Klima-Aktivisten, sich zu äußern. Aber sie haben es mit einer sehr mächtigen Kohlelobby zu tun, und ironischerweise sind die großen polnischen Bergbauunternehmen auch Sponsoren der COP24".

Sophie Claudet:"Man sieht auch, dass die Polen oder zumindest einige Polen fast eine romantische Beziehung zur Kohle haben. Bei dieser Feier, die Sie besucht haben, sah man, dass die Menschen wirklich berührt davon waren, Teil dieser Gemeinschaft, dieser Tradition, dieses Unternehmens zu sein."

Valérie Gauriat:"Die Menschen sind stolz auf ihre Bergbau-Traditionen, zwar haben Bergleute in Orten wie Warschau keine gute Reputation, aber in Regionen wie Schlesien, die völlig von Kohle abhängig sind - und das bereits seit Jahrzehnten, findet man keine Familie, die nicht auf die eine oder andere Weise einen Bezug zum Kohlebergbau hat: Entweder einen Bergarbeiter oder jemand in der Familie arbeitet unter Tage, ob sie Bergarbeiter waren oder immer noch Bergarbeiter sind, oder ob sie für ein Industrieunternehmen arbeiten, das mit dem Kohlebergbau zu tun hat. Aber es ist gar nicht so sehr der Kohlebergbau selbst, sondern eine persönliche, innige Beziehung zum Kohlebergbau, die wirklich Teil ihrer Identität ist. Und dann gibt es auch diesen Glauben, dass Kohle ein Symbol für die Unabhängigkeit Polens ist. Polen verbraucht mehr Kohle, als es produziert - es muss zum Beispiel Kohle aus Russland importieren - und das kommt bei der öffentlichen Meinung nicht gut an. Es besteht also der Glaube, dass wenn man die Kohle ganz aufgibt, auch die polnische Identität, die politische Unabhängigkeit verloren gehen."

Sophie Claudet:"In einer Studie habe ich gelesen, dass polnische Bergleute eine Reputation haben, die mit der von Universitätsprofessoren vergleichbar ist und, dass sie besser angesehen sind als Ärzte und Lehrer. Polen will aktuell den Anteil der Kohle an seiner Energieproduktion verringern. Erneuerbare Energien sind im Gespräch. Haben Sie vor Ort davon etwas bemerkt?"

Valérie Gauriat:"Ja, es gibt Pläne, aber das Konzept der erneuerbaren Energien ist mehr auf die Kernenergie ausgerichtet als auf alles andere. In letzter Zeit gab es viele Diskussionen, da die Regierung alle Windräder im Land abbauen und zu Offshore-Windrädern wechseln will. Das ist sehr umstritten und niemand weiß genau, was als Nächstes passiert."

Sophie Claudet:"Polen gehört zur EU, das Land profitiert in hohem Maße davon, Teil der EU zu sein, und doch hält es sich bei den CO2-Emissionen nicht an die Regeln, d.h. die CO2-Emissionen zu reduzieren. Läuft Polen Gefahr, Sanktionen, potenzielle Geldbußen zu kassieren, in Streit mit der EU zu geraten?"

Valérie Gauriat:"Der Europäische Gerichtshof hat Polen in Sachen Umweltverschmutzung und Luftqualität verurteilt und Strafen angedroht. Aber wenn es um CO2-Emissionen geht, sagt Polen, dass es sich an die Regeln hält. Polen gehört zu den Unterzeichnern des Pariser Klimaschutzabkommens. Man folge den Beschlüssen, heißt es. Ob die Ziele bis 2030 erreicht werden oder nicht, steht noch nicht fest. Und wenn es um weitergehende Ziele geht, wird sehr deutlich, dass Polen da nicht mitgeht. Andererseits hat man gesehen, dass auf der jüngsten Klimakonferenz keine Fortschritte gemacht wurden, lediglich eine Vereinbarung über den Status quo des Pariser Abkommens. Es gibt keine neuen Beschlüsse und aus dieser Sicht ist Polen vorerst auf der sicheren Seite."

Sophie Claudet: "Vielen Dank Valérie für das informative Gespräch und vielen Dank für Ihre großartige Reportage. Liebe Zuschauer, das war's für heute. Schalten Sie wieder ein zur nächsten Ausgabe von Insiders und teilen Sie uns Ihre Meinung in unseren sozialen Netzwerken mit. Bis zum nächsten Mal."

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