Holzmafia in Rumänien: Tödliche Gewalt und illegale Abholzung

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Von Valérie GauriatSabine Sans
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Die Holzdiebe schlagen nicht nur Bäume, auch Menschen wurden bereits getötet.

Rumänien war einst bekannt für seine dichten Urwälder. Heute schreitet die Entwaldung in den Karpaten immer schneller voran. Laut Berichten ist die Waldfläche in Rumänien auf knapp 30 Prozent (rund 7 Millionen Hektar) geschrumpft. Sie liegt damit unter dem EU-Durchschnitt von 43 Prozent. Rumänische Behörden haben 2017 fast 13.000 Fälle illegalen Holzeinschlags festgestellt. Das sind etwa 34 pro Tag - und um 32 Prozent mehr als im Vorjahr.

Holzmafia in den Karpaten

In den Karpaten, im Norden Rumäniens, findet man einen der letzten Urwälder Europas. Dort agiert auch eine "Holzmafia" - wie sie vor Ort genannt wird.

Der Landkreis Suceava ist am stärksten von der illegalen Abholzung betroffen: Die Holzdiebe schlagen nicht nur alte Bäume, auch Förster und Waldarbeiter wurden bereits getötet.

Holzfäller Gheorghe Oblezniuc führt euronews-Reporterin Valérie Gauriat durch den Wald und zeigt ihr frische Spuren: "Dieser Baum wurde illegal geschlagen. Das ist gute Ware", meint er. Er ist sicher, dass er illegal geschlagen wurde: "Es gibt kein Zeichen. Sehen Sie das Harz? Der arme Baum weint. Sie haben ihm das Leben genommen, genauso wie sie einem Menschen das Leben nehmen würden." Er geht ein Stück weiter und zeigt: "Sehen Sie hier. So sollte es sein, legal. Hier ist ein Zeichen, nicht unten, hier oben. Das ist legal."

Die Holzmafia versteckt ihre Beute unter Zweigen, sodass die Baumstümpfe nicht so leicht entdeckt werden.

Etwa 20 Millionen Kubikmeter Holz werden laut einem Bericht der rumänischen Nationalen Forstwirtschaftsagentur (IFN) für die Jahre 2013 bis 2018 jedes Jahr illegal in den rumänischen Wäldern geschlagen. Das ist mehr als die Menge an legal geschlagenem Holz. Der Schaden ist enorm: Geht man von einem Kubikmeterpreis von 50 Euro aus, so geht es um eine Milliarde Euro jährlich.

Ein Teil der gestohlenen Ware landet angeblich auf dem europäischen Markt. Der Holzfäller arbeitete lange für den Holzhandel, bevor er gegen ihn vorging: "Ich habe für fünf Unternehmen gearbeitet, große Unternehmen. Für einen Baum wie diesen betrug meine Provision etwa zehn Euro. Ich habe aufgehört, weil ich erkannt habe, dass es falsch war. Ich verdiente so gut wie nichts. Sie verdienen Millionen, und ich wurde pro Kubikmeter Einschlag bezahlt."

Rumänische Behörden ermitteln

Die rumänische Einheit für organisierte Kriminalität und Terrorismus ermittelt. Spuren weisen auf ein umfangreiches Netzwerk hin, an dem alle Akteure der Holzindustrie beteiligt sind: Händler, Transporteure, Forstpersonal und Beamte.

Beim Treffen einer lokalen Zweigstelle der nationalen Forstverwaltung (Romsilva). Der Verantwortliche weist alle Vorwürfe zurück, dass seine Teams möglicherweise Mittäter sind:

"Einige Leute wollen uns die Schuld in die Schuhe schieben. Sie gingen vor uns in den Wald und fällten die Bäume mit der Begründung, dass wir, die Förster, es waren, die diese Bäume für den illegalen Holzeinschlag vorbereitet hätten. Das wurde von den Medien aufgeschnappt, die die Förster beschuldigen", so Cristian Gafincu, Leiter der Fortreviereinheit Moldovita.

Seit 2014 wurden nach Angaben der nationalen Forstverwaltung 185 Förster körperlich angegriffen. Sechs weitere wurden getötet, zwei davon erst kürzlich. Persönliche Rachefeldzüge, sagen Verantwortliche des Forstamtes. Vergeltungsakte, sagen diejenigen, die es wagen, das System hinter dem illegalen Holzeinschlag anzuprangern.

Ein Förster, der unerkannt bleiben will, erklärt das Betrugssystem: "Der Unternehmer kauft eine bestimmte Menge Holz in einer vom Forstrevier organisierten Ausschreibungsrunde. Er arrangiert dann die Dinge mit dem Forstingenieur, der in den Wald geht und einige Bäume markiert. Und dann gibt es noch den Schwarzmarkt, diese Bäume tauchen nicht im Inventar auf. Die Menge ist volumenmäßig größer als ursprünglich angegeben. Und in den Büchern werden die Mengen gefälscht. Das alles geschieht unter Aufsicht des Försters. Und nicht nur das, er verkauft auch Holz auf dem Schwarzmarkt."

Betrug ist schwer zu beweisen

Der Leiter der Forstwacht im Landkreis Suceava bestreitet dieses Betrugssystem nicht: "Ein sehr heikler Aspekt des illegalen Holzeinschlags ist, wenn er mit Unterstützung oder unter dem Anschein der Legalität erfolgt. Holz kann weiß gewaschen werden, indem man die Ladungen verdoppelt, Papiere fälscht, Abholzgenehmigungen für Gebiete fälscht, in denen nicht genug Holz vorhanden ist. Es gibt auch Fälle, in denen sich die Förster nicht richtig verhalten. Das Problem ist, dass das alles schwer zu beweisen ist", so Mihai Gășpărel.

Beweise zu erbringen: Das hat sich Tiberiu Bosutar zur Aufgabe gemacht: Er installierte Kameras an der Hauptstraße seines Dorfes, die alle mit Holz beladenen Lastwagen aus den umliegenden Wäldern passieren müssen. Dank einer App, die Lastwagen mit Holztransporten verfolgt, meldete er der Polizei Dutzende von Verstößen: "Man gibt das Kennzeichen des Fahrzeugs ein und kann überprüfen, ob der Transport, den man gesehen hat, legale Papiere hatte oder nicht. Und man kann überprüfen, wo die Genehmigungen ausgestellt wurden."

Tiberiu Bosutar plädiert auch für Kameras in den Wäldern: Das könnte seiner Meinung nach dazu beitragen, den Betrug zu beenden. Die Reporterin geht mit dem Aktivisten, der die Vereinigung Moldovita gegründet hat, in den Wald. Er zeigt ihr Wolfsspuren. Sie treffen zwar auf keinen Wolf, aber auf einen ungewöhnlichen Friedhof: "Hier sind wir in einem Gebiet, in dem die Stümpfe der gestohlenen Bäume versteckt wurden. Und aufgrund ihrer Größe können sie nicht von Einheimischen geschlagen worden sein. Dafür braucht man schwere Maschinen und ganze Arbeitsteams. Das ist der klare Beweis dafür, dass der Diebstahl unter den Augen des Forstreviers organisiert wird."

Tiberiu Bosutar verlor sein Geschäft, als er versuchte, dem Gesetz zu folgen: "Der Holzpreis in Rumänien ist im Moment künstlich hoch. Um eine Produktionseinheit am Laufen zu halten, braucht man auch billigeres, illegales Holz. Zusammen mit 8 lokalen Unternehmern haben wir 100 Kubikmeter Holz gekauft, und nachdem wir alle Kosten gedeckt hatten, blieb uns nur noch die Hälfte des investierten Geldes. Ohne illegales Holz ist es unmöglich, ein Unternehmen wie dieses am Laufen zu halten."

Vergiftete Situation

Eine Situation, die die gesamte Gemeinschaft vergiftet. Die Brüder Ilie und Dimitri Bucșă sind Bauarbeiter. In ihrer Freizeit züchten sie Forellen. Jetzt nicht mehr. Das Wasser ihres Fischteichs wurde laut ihren Aussagen mit Schlamm verschmutzt, der von illegal geschlagenem Holz stammt, das in den nahegelegenen Fluss geworfen wurde:

"Wir reichten Beschwerden ein, und etwas Holz wurde bei örtlichen Geschäftsleuten beschlagnahmt. Sie schütteten Kühlflüssigkeit in den Teichzufluss bergauf. Es tötete alle Fische. Sie bedrohten und verprügelten uns. Sie passten uns auf der Straße ab und schlugen uns mit Knüppeln auf den Kopf", so Ilie Bucșă. "Natürlich haben wir Angst. Aber wir beschweren uns weiterhin, und wir hoffen, dass es Kontrollen gibt, um dieses Problem zu lösen. Vielleicht von der Europäischen Union, von außerhalb des Landes. Denn hier in Rumänien ist die Mafia mächtig, alle sind miteinander verbunden. Bis hin zu den staatlichen Behörden. Sie arbeiten alle Hand in Hand."

Die Brüder bekommen Morddrohungen. Aber sie lassen sich nicht einschüchtern. Bereits im Februar richtete die Europäische Kommission ein Anforderungsschreiben an die rumänische Regierung, die illegale Ausbeutung der Wälder zu beenden.

Journalist • Valérie Gauriat

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