EU-Abgeordnete stimmen für Ratifizierung der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen

Abgeordnete stimmen am 15. Februar 2023 im Europäischen Parlament in Straßburg über eine Konvention zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ab.
Abgeordnete stimmen am 15. Februar 2023 im Europäischen Parlament in Straßburg über eine Konvention zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ab. Copyright AP Photo/Jean-Francois Badias
Von Alice Tidey
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Mehrere EU-Länder weigern sich immer noch, die Istanbul-Konvention zu ratifizieren. Die Abstimmung im Europäischen Parlament wird sie nicht dazu zwingen, aber sie sollte den Frauen in diesen Ländern dennoch zusätzlichen Schutz gewähren.

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Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben sich am Mittwoch in Straßburg für die Ratifizierung der Istanbul-Konvention ausgesprochen, einem Menschenrechtsvertrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Die EU unterzeichnete die Konvention erstmals 2016, hat sie aber aufgrund von Einwänden mehrerer Mitgliedsstaaten noch nicht ratifiziert.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2021 besagt, dass die EU den Vertrag auch ohne die Zustimmung aller EU-Länder ratifizieren kann.

Die Ratifizierung des Europaratsvertrags durch die EU wurde nun vom Plenum mit 472 Ja-Stimmen, 62 Nein-Stimmen und 73 Enthaltungen befürwortet.

Der Tweet des LIBE-Ausschusses der Europaparlaments mit dem Abstimmungsergebnis

Helena Dalli, Kommissarin für Gleichstellung, begrüßte die Abstimmung auf Twitter und schrieb, dass dies "ein historischer Schritt nach vorne ist, der eine starke Botschaft über die Bedeutung der Frauenrechte in der EU aussendet. Gewalt gegen Frauen hat keinen Platz in der Union der Gleichstellung".

Łukasz Kohut (S&D, Polen), federführender Europaabgeordneter im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, sagte in einer Erklärung, dass "geschlechtsspezifische Gewalt das größte ungelöste tägliche Problem in Europa ist."

"Eine von drei Frauen in der EU hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt - das sind rund 62 Millionen Frauen. Genug ist genug. Die Istanbul-Konvention gilt als das wirksamste Instrument zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt, da sie konkrete Verpflichtungen auferlegt. Ein europäischer Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Gewalt wird Frauen und Mädchen in Europa durch den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention schützen."

Sechs EU-Mitgliedstaaten haben die Konvention nicht ratifiziert: Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Litauen und die Slowakei.

Die Abstimmung im Europäischen Parlament wird sie nicht dazu zwingen, den Vertrag zu ratifizieren.

Ein weiteres Land, Polen, droht mit dem Ausstieg, während der EU-Nachbar Türkei 2021 aus der Konvention ausstieg, was zu großen Protesten im Land führte.

Die dänische Europaabgeordnete Karen Melchior (Renew Europe) machte für die Haltung dieser Länder zur Istanbul-Konvention die Rechte verantwortlich, die daraus einen 'Kulturkrieg' mache, anstatt sich an Wissenschaft und gesunden Menschenverstand zu orientieren.

"Es geht darum, dass man so sein kann, wie man ist, und dass man in seinem eigenen Haus vor Gewalt geschützt ist. Wir haben nie gesagt, dass Gewalt erlaubt ist, solange sie innerhalb der Familie stattfindet, oder dass Mord erlaubt ist, solange er innerhalb der Familie stattfindet. Und es ist wichtig, dass wir versuchen, Expert:innen und Forschungsergebnisse zu Rate zu ziehen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen, anstatt zuzulassen, dass die Rechtsextremen dies als Teil eines Kulturkampfes betrachten", sagte sie gegenüber Euronews.

Die sechs EU-Länder, die nicht beigetreten sind, und Polen können die Ratifizierung auf EU-Ebene jedoch nicht aufhalten, da der Gerichtshof in seinem Urteil klargestellt hat, dass nur eine qualifizierte Mehrheit und keine Einstimmigkeit erforderlich ist, um das Votum der Abgeordneten zu bestätigen.

Und auch die Frauen in diesen Ländern sollten von diesem Schritt profitieren.

"Jetzt haben wir eine gute Grundlage dafür, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein 'Euro-Verbrechen' ist. Jetzt können Frauen auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Dies ist also wirklich eine Grundlage für alle Frauen in Europa und eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, die die Istanbul-Konvention noch nicht ratifiziert haben", sagte Evelyn Regner, eine Abgeordnete der S&D Fraktion aus Österreich.

Die belgische Europaabgeordnete Saskia Bricmont (Grüne) pflichtete ihr bei und erklärte, dass "die [Europäische] Kommission Vertragsverletzungsverfahren einleiten kann, wenn die Rechte der Frauen nicht respektiert werden, oder wenn der Zugang zur Justiz für die Opfer und der Zugang zu den verschiedenen Diensten in einer integrierten Art und Weise nicht gewährt wird."

Journalist • Efi Koutsokosta

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